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»Wir erreichen gleich Oxford«, sagte der Fahrer. »Wo soll ich Sie hinfahren?«

»Einen Augenblick.« Ich rief Dunworthy an. Finch war am Apparat.

»Gottseidank«, sagte er. »Fahren Sie die Parks Road bis Holywell und Longwell, dann südlich die High Street weiter und biegen Sie bei Mertons Sportgelände ab. Nehmen Sie die Zufahrtsstraße. Wir erwarten Sie an der Sakristeitür. Wissen Sie, wo das ist?«

»Ja«, sagte ich und zu dem Fahrer: »Haben Sie alles mitbekommen?«

Er nickte. »Sie wollen dieses Zeugs in die Kathedrale schaffen?«

»Ja.«

»Geld zum Fenster rausgeworfen und anderen Leuten die Zeit gestohlen, wenn Sie mich fragen«, sagte er. »Ich meine, wozu soll eine Kathedrale gut sein?«

»Lassen Sie sich überraschen«, sagte Verity.

»Hier abbiegen.« Ich entdeckte Mertons Fußgängereingang. »Finch, wir sind da«, sagte ich ins Handy, dann zu dem Fahrer: »Fahren Sie zum östlichen Ende. Die Sakristeitür ist auf der Südseite.«

Langsam fuhr er zur Sakristeitür, wo Finch mit einem Dutzend Menschen auf uns wartete. Einer von ihnen öffnete die Ladeklappe, und Verity kroch ins Freie und gab Anweisungen. »Das Altartuch in die Smithsche Kapelle«, sagte sie, »ebenso der Kerzenleuchter. Geben Sie acht, daß Sie die Rekonstruktionen nicht mit den Originalen verwechseln. Ned, gib mir das Bahrtuch aus der Capperschen Kapelle.«

Ich legte es über ihre ausgestreckten Arme, und sie stieg damit die Stufen hoch. Wieder nahm ich das Handy.

»Finch, wo stecken Sie?«

»Hier, Sir«, sagte er. Er stand neben der Leichenwagentür, immer noch in seinem Schwalbenschwanz, doch der Ärmel war inzwischen trocken.

Ich reichte ihm die emaillierte Monstranz. »Die Einweihung hat noch nicht begonnen, oder?«

»Nein, Sir«, sagte er. »Leider gab es einen unglückseligen Verkehrsstau in der St. Aldate’s Street. Feuerwehrautos und Krankenwagen blockierten die Straße. Es stellte sich heraus…« — sein Gesicht glich völlig dem eines Pokerspielers —, »daß nichts dahinter war, aber es brauchte seine Zeit, bis sich alles wieder aufgelöst hatte. Nahezu eine Stunde lang war kein Durchkommen nach Christ Church Meadow. Und dann verzögerte sich die Ankunft des Bischofs. Sein Fahrer nahm die falsche Abzweigung und landete in Iffley. Und nun scheint es irgendein Durcheinander mit den Eintrittskarten zu geben.«

Bewundernd schüttelte ich den Kopf. »Jeeves wäre stolz auf Sie. Von Bunter ganz zu schweigen. Oder dem Vortrefflichen Crichton.« Ich hob des Bischofs Vogeltränke aus dem Auto.

»Soll ich Ihnen das abnehmen, Sir?«

»Das will ich selber abliefern.« Ich deutete mit einem Kopfnicken zu dem Kinderkreuz. »Das kommt in die Girdlersche Kapelle. Und die Statue des Heiligen Michael in den Chor.«

»Jawohl, Sir«, sagte er. »Mr. Lewis sucht Sie. Er muß etwas mit Ihnen besprechen, wegen des Kontinuums.«

»Prima«, sagte ich und kämpfte mit den Misericordien. »Sobald dieses Durcheinander hier vorbei ist.«

»Ja, Sir. Und irgendwann muß ich auch mit Ihnen sprechen. Über meinen Auftrag.«

»Sagen Sie mir nur eins, Finch.« Ich ließ die Misericordie ins Freie gleiten und reichte sie zwei Erstsemesterstudenten. »Hatte Ihr Auftrag etwas damit zu tun, unwichtige Objekte zurückzubringen?«

Er schaute erschrocken. »Keineswegs, Sir.«

Ich nahm des Bischofs Vogeltränke. »Wissen Sie, wo Lady Schrapnell ist?«

»Gerade war sie noch in der Sakristei, Sir.« Sein Blick ging zum Himmel hoch. »Meine Güte, es sieht immer mehr nach Regen aus! Und Lady Schrapnell wollte doch, daß alles so ist wie am Tag des Luftangriffs.«

Ich schleppte des Bischofs Vogeltränke die Stufen hoch zur Sakristeitür, was völlig passend schien, hatte doch Probst Howard durch eben diese Tür die Kerzenleuchter, das Kruzifix und die Regimentsfahnen hinausgetragen. Die Schätze von Coventry.

Ich öffnete die Tür und stellte des Bischofs Vogeltränke in der Sakristei ab. »Wo ist Lady Schrapnell?« fragte ich eine Historikerin, die ich vom Jesus College her kannte. Sie zuckte kopfschüttelnd die Achseln. »Nein«, rief sie jemandem im Allerheiligsten zu, »wir brauchen noch Gesangsbücher für die letzten vier Bankreihen im Nordgang. Und drei Gebetsbücher.«

Ich trat hinaus in den Chor. Und mitten ins Chaos hinein. Menschen rannten umher, schrien Anordnungen, laute Hammerschläge ertönten aus der Mercerschen Kapelle.

»Wer hat das Buch mit den Episteln weggenommen?« rief ein Kurator vom Lesepult herüber. »Eben war es noch da.«

Oben von der Orgel dröhnte ein Akkord, gefolgt von der Intrada zu »Die Himmel rühmen den Herrn«. Eine dürre Frau mit grüner Schürze steckte langstielige rosafarbene Gladiolen in eine Messingvase, die vor der Kanzel stand, und eine stämmige Frau mit Brille, die einen Zettel in der Hand trug, sprach jeden an und fragte etwas. Vielleicht suchte sie auch nach Lady Schrapnell.

»Ich begreif nicht, warum es so wichtig sein soll, daß die Innenseite der Chorbänke fertig sind«, sagte eine Blondine mit einer langen Nase zu einem Jungen, der halb unter einer der Bänke lag. »Das kann doch sowieso von unten niemand sehen.«

»›Wir müssen es nicht versteh’n‹«, erwiderte der Junge. »›bedeutet gehorchen auch, in den Tod zu geh’n.‹«[84]

»Entschuldigung«, sagte ich. »Wissen Sie, wo Lady Schrapnell ist?«

»Zuletzt habe ich sie in der Draperschen Kapelle gesehen«, meinte der Junge unter der Bank.

Aber dort war sie nicht und auch nicht im Allerheiligsten oder oben in den Lichtgaden. Ich ging hinunter ins Kirchenschiff.

Carruthers war dort. Er saß in einer der Bänke und faltete Gottesdienstordnungen.

»Hast du Lady Schrapnell gesehen?« fragte ich.

»Eben war sie da«, sagte er mißmutig. »Und drum häng’ ich jetzt hier fest. Plötzlich, quasi in der letzten Sekunde, beschloß sie, daß die Gottesdienstordnungen neu gedruckt werden müßten.« Er schaute hoch. »Grundgütiger Himmel, du hast sie gefunden? Wo war sie?«

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte ich. »Wohin ist Lady Schrapnell gegangen?«

»Sakristei. Warte — bevor du gehst, möchte ich dich was fragen. Was hältst du von Peggy?«

»Peggy?«

»Warder«, erklärte er. »Meinst du nicht auch, sie ist das süßeste, anbetungswürdigste Wesen, das du je gesehen hast?«

»Hast du sie immer noch nicht fertiggefaltet?« fragte Miss Warder, die plötzlich herbeikam. »Lady Schrapnell braucht sie für die Platzanweiser.«

»Wo ist sie?« wollte ich wissen.

»In der Mercerschen Kapelle«, sagte Miss Warder, und ich suchte das Weite.

Aber Lady Schrapnell war weder in der Mercerschen Kapelle noch in der Taufkapelle, und nahe dem Westportal gab es die ersten Anzeichen eines Menschenauflaufs. Es half nichts — ich mußte des Bischofs Vogeltränke selbst an ihren alten Platz stellen.

Ich trug sie hinüber zur Smithschen Kapelle, voller Bedenken, daß inzwischen der schmiedeeiserne Pfosten verschwunden sein könnte, aber er war an seinem richtigen Platz vor der Chorschranke. Vorsichtig setzte ich des Bischofs Vogeltränke darauf.

Blumen. Es mußten Blumen hinein. Ich ging zur Kanzel und der Frau mit der grünen Schürze. »Die Vase vor der Chorschranke in der Smithschen Kapelle bräuchte noch Blumen«, sagte ich. »Gelbe Chrysanthemen.«

»Gelbe Chrysanthemen!« Sie griff hastig und mit panischem Gesichtsausdruck nach einem Handy. »Hat Lady Schrapnell Sie geschickt? Mir wurde nichts von gelben Chrysanthemen gesagt.«

»Es hat sich eben erst herausgestellt«, erklärte ich. »Sie haben nicht zufällig Lady Schrapnell gesehen, oder?«

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Aus: Alfred Lord Tennyson, The Charge of the Light Brigade. — Anm. d. Ü.