»Was ist das?« fragte Dunworthy.
»Das Rendezvous«, sagte der Seraph, auf die Tasten schlagend. »Ich konnte den Mann ja schlecht für immer und ewig dort lassen. Sie können springen, sobald ich ihn durchgebracht habe.«
»Gut.« Dunworthy klopfte mir auf die Schulter. »Ned, ich verlasse mich auf Sie«, sagte er durch das Summen.
Die Schleier berührten den Boden, sanfte Falten schlagend. Das Summen steigerte sich zu einem durchdringenden Dröhnen, bis es wie die Entwarnungssirene klang, die Luft schimmerte feucht. Carruthers erschien im Netz und versuchte sofort, sich aus den Schleiern freizukämpfen.
»Stillstehen und abwarten, bis sich die Schleier gehoben haben«, befahl der Seraph und hämmerte auf die Tasten ein. Die Schleier hoben sich eine Handbreit und bewegten sich nicht mehr.
»Abwarten?« Carruthers versuchte, unter ihnen hervorzukriechen. »Abwarten? Ich warte seit gut zwei Stunden!« Er rang mit dem Material. »Wo, um Himmelswillen, steckten Sie?«
Endlich kam er frei und humpelte zur Konsole. Er war von oben bis unten schlammbedeckt. Einer seiner Stiefel fehlte, und seine falsche Hilfsfeuerwehruniform wies einen langen klaffenden Riß hinten am Hosenbein auf. »Warum, um alles in der Welt, kümmerten Sie sich nicht sofort um die Fixierung, nachdem ich gesprungen war, und darum, wo ich gelandet bin?«
»Ich wurde unterbrochen«, sagte sie mit einem scharfen Seitenblick auf Dunworthy. Sie verschränkte kriegerisch die Arme vor der Brust. »Wo ist Ihr Stiefel?«
»Im Maul einer gottverdammten riesigen englischen Dogge! Ich kann froh sein, daß es nicht mein Fuß ist!«
»Das war ein authentischer AFS Wellington«, sagte sie. »Und was haben Sie mit Ihrer Uniform angestellt?«
»Was habe ich mit meiner Uniform angestellt?« fragte Carruthers. »Ich bin bloß Stunden darin um mein Leben gerannt. Ich landete nämlich wieder in diesem verfluchten Gemüsekürbisfeld. Allerdings etwas später als das erste Mal, denn diesmal war die Bauersfrau auf mich vorbereitet. Und ihre Hunde auch. Ein ganzes Rudel dieser Köter, das sie zur Landesverteidigung einsetzt. Sie muß sie sich in ganz Warwickshire zusammengeborgt haben.«
Sein Blick fiel auf mich. »Was machst du denn hier?« wollte er wissen und humpelte zu mir. »Du solltest doch im Krankenhaus sein.«
»Ich gehe nach 1888«, sagte ich.
»Ich sagte dieser Krankenschwester doch, daß sie Lady Schrapnell nichts von deiner Rückkehr erzählen soll«, sagte Carruthers mißbilligend. »Warum schickt sie dich jetzt ins neunzehnte Jahrhundert? Ist es wegen dieser Urgroßmutter?«
»Ururgroßmutter«, verbesserte ich. »Nein. Die Ärztin hat mir zwei Wochen strikte Bettruhe verordnet, und Dunworthy verhilft mir dazu.«
»Er kann das nicht tun«, sagte Carruthers. »Und du auch nicht. Du mußt nach Coventry zurück und des Bischofs Vogeltränke suchen.«
»Wollte ich ja«, erwiderte ich. »Du hast mich rausgezogen. Erinnerst du dich?«
»Ich mußte es tun. Du warst völlig durchgedreht. Hast über Hunde gefaselt und daß sie der nobelste Freund des Menschen seien, in Krieg und Frieden, ein wahrer Freund durch dick und dünn. Haha! Schau dir das an!« Er hielt das zerfetzte Hosenbein hoch. »Das hat des Menschen bester Freund getan!« Er präsentierte mir seinen Fuß mit der Socke. »Und er biß beinahe meinen Fuß ab, dieser nobelste Freund des Menschen! Wie schnell wirst du wieder auf den Beinen sein?«
»Zwei Wochen lang keine Sprünge, sagte die Krankenschwester. Warum hast du mich erst ins Krankenhaus geschickt, wenn du willst, daß ich wieder zurückgehe?«
»Ich dachte, sie gäben dir eine Injektion oder Pille«, sagte er, »und nicht, daß sie dir verbieten würden, zu springen. Wie sollen wir denn jetzt des Bischofs Vogeltränke finden?«
»Du hast sie nicht gefunden, nachdem ich fort war?«
»Ich finde nicht einmal mehr die Kathedrale. Ich habe es den ganzen Nachmittag über versucht, und das Gemüsekürbisfeld war der nächstmögliche Punkt, den ich getroffen habe. Dieser elendige Schlupfverlust…«
»Schlupfverlust?« sagte Dunworthy hellhörig. Er kam zu der Stelle, wo wir beide standen. »War er größer als üblich?«
»Ich erzählte Ihnen doch davon«, sagte ich. »Vom Gemüsekürbisfeld.«
»Was für ein Gemüsekürbisfeld?«
»Das auf halbem Weg nach Birmingham. Mit den Hunden.«
»Ich habe Probleme, Coventry am fünfzehnten zu erreichen, Sir«, erklärte Carruthers. »Ich habe es heute bereits viermal probiert, und das dem Ziel am nächsten kommende Datum war der achte Dezember. Ned war am nächsten von uns allen, und deshalb brauche ich ihn, damit er zurückgeht und die Trümmer zu Ende durchwühlt.«
Dunworthy zog ein verwirrtes Gesicht. »Wäre es nicht einfacher, des Bischofs Vogeltränke vor dem Luftangriff zu suchen, also am vierzehnten?«
»Das versuchen wir ja seit fast zwei Wochen«, sagte Carruthers gereizt. »Lady Schrapnell wollte wissen, ob sich die Vogeltränke vor dem Angriff in der Kathedrale befand, also arrangierten wir einen Sprung für viertel vor acht, kurz vor Beginn der Bombardierung. Aber es klappte nicht. Entweder war der Tag falsch, oder wir waren, wenn der Zeitpunkt stimmte, sechzig Meilen entfernt in der Mitte eines Gemüsekürbisfeldes.« Er wies auf seine schmutzige Uniform.
»Wir?« Dunworthy runzelte die Stirn. »Wie viele Historiker haben es probiert?«
»Sechs. Nein, sieben«, erwiderte Carruthers. »Jeder, der nicht gerade woanders beschäftigt war.«
»Carruthers sagte, sie würde jeden ausprobieren«, warf ich ein. »Und deshalb holte man mich von den Wohltätigkeitsbasaren weg.«
»Um was ging’s da?«
»Um Verkäufe. Sie versuchen, Dinge zu verkaufen, die sie loswerden möchten, Dinge, die sie selbst beim letzten Basar gekauft haben, die meisten zumindest, und Dinge, die sie selbst angefertigt haben. Teedöschen und bestickte Nadelkästchen und Federhalterwischer und…«
»Ich weiß, was ein Wohltätigkeitsbasar ist«, sagte Dunworthy. »Gab es bei diesen Sprüngen irgendwelche Schlupfverluste?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nur die üblichen. Und meistens nur räumliche. Niemand sah mich ankommen. Ich landete meist hinter dem Pfarrhaus oder dem Teezelt.«
Dunworthy wandte sich abrupt Carruthers zu. »Wie weit lagen Ihre Sprünge nach Coventry daneben?«
»Unterschiedlich« erwiderte er. »Paulson kam am achtundzwanzigsten November an.« Er hielt inne und rechnete im Kopf nach. »Im Durchschnitt etwa vierundzwanzig Stunden, würde ich sagen. Der zielgenaueste Sprung, den wir zustande brachten, traf den Nachmittag des fünfzehnten, und selbst das treffe ich jetzt nicht mehr. Deshalb muß Ned wieder hin. Der neue Rekrut ist noch dort, und ich bezweifle, daß er von selbst zurückfindet. Und wer weiß, in welche Schwierigkeiten er geraten mag.«
»Schwierigkeiten«, murmelte Dunworthy. Er wandte sich an die Technikerin. »Gab es bei allen Sprüngen erhöhte Schlupfverluste oder nur bei denen nach Coventry?«
»Woher soll ich das wissen?« sagte sie. »Ich bin für die Kleiderkammer zuständig. Ich vertrete Badri nur. Er ist der Netztechniker.«
»Ja, Badri!« Sein Gesicht hellte sich auf. »Gut. Wo ist er?«
»Bei Lady Schrapnell, Sir«, sagte Finch. »Und ich befürchte, sie sind gerade auf dem Weg hierher«, aber Dunworthy schien ihm nicht zuzuhören.
»Haben Sie während Ihrer Vertretung hier irgendwelche Sprünge durchgeführt, die nicht am vierzehnten November 1940 zur Kathedrale gehen sollten?«