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»Gütiger Himmel, das ist Professor Peddick, mein Tutor«, sagte Terence. »Los, wende das Boot, nein, nicht da lang! Beeil dich!«

Wir ruderten so schnell es ging, ich mit den Händen im Wasser paddelnd, um uns rascher voranzutreiben.

Cyril stand mit den Pfoten auf die Blechkiste gestützt wie Nelson auf der Kommandobrücke bei Trafalgar.

»Halt! Nicht über den Professor hinweg!« rief Terence, stieß die Ruder beiseite und beugte sich über den Bootsrand.

Der alte Mann war gut zu erkennen. Sein Rock hatte sich wie eine Schwimmweste um ihn herum aufgebauscht, hielt ihn aber nicht über Wasser. Er ging bereits zum dritten Mal unter, eine Hand langte immer noch ohne Erfolg nach dem Hut. Ich lehnte mich über Bord und packte ihn am Kragen.

»Ich hab’ ihn am Kragen«, rief ich, erinnerte mich aber daran, daß der Kragen, den Miss Warder mir verpaßt hatte, abknöpfbar war. So versuchte ich statt dessen den Kragen des Gehrock zu greifen. »Ich hab’ ihn«, sagte ich und zog ihn hoch.

Sein Kopf schoß aus dem Wasser wie der eines Wales, und ebenso wie ein Wal spuckte er eine große Fontäne Wasser über uns.

»›Dann dereinst, vors Angesicht von Mensch und Engel, wird er brüllend sich erheben.‹[32] Nicht loslassen«, sagte Terence, schloß Professor Peddicks Hand um die Bootskante und fischte nach der anderen. Mein Griff um den Kragen des Gehrockes hatte sich gelöst, als der Professor Wasser spuckte, aber seine Hand war beim Auftauchen mit hochgekommen, und ich packte sie und zog daran. Der Kopf des Professors erschien erneut, und er schüttelte Wasser ab wie ein Hund.

Ich weiß nicht, wie wir ihn ins Boot bekamen. Der Schandeckel tauchte scharf unter Wasser, und Terence rief: »Nein, Cyril! Ruder rückwärts, Ned! Wir sinken! Nein, nicht loslassen!« aber die Masse unseres Gepäckes fungierte offenbar als Ballast und bewahrte uns davor, umzukippen, sogar als Cyril zu guter Letzt auch noch herüberkam, um unsere Fortschritte zu beobachten und sein Gewicht damit auf unsere Bootsseite verlagerte.

Schließlich gelang es mir, Professor Peddick am Arm zu packen, und Terence schaffte es, das Boot herumzumanövrieren, so daß er auf die andere Seite gelangte, seinen Fuß gegen das Portmanteau stemmte, damit das Boot nicht kentern konnte, und den zweiten Arm des Professors ergriff, wodurch wir imstande waren, den triefenden, bemitleidenswerten Mann hoch- und über die Bootskante zu uns hereinzuwuchten.

»Professor Peddick? Alles in Ordnung, Sir?« fragte Terence.

»Dank Ihnen ja«, erwiderte der Mann und wrang seinen Ärmel aus. Was ich für einen Gehrock gehalten hatte, war in Wirklichkeit eine schwarze akademische Robe aus Gabardine. »Welch ein Zufall, daß Sie gerade hier entlang kamen! Mein Hut!«

»Ich hab’ ihn«, sagte Terence und lehnte sich aus dem Boot. Was ich für einen Hut gehalten hatte, erwies sich als vollständiges Barett mit Quaste.

»Ich weiß, daß ich Decken dabei habe. Dawson hatte sie eingepackt«, meinte Terence. »Was, um alles in der Welt, machen Sie im Wasser?«

»Ertrinken«, erwiderte Professor Peddick.

»Sie waren nahe daran«, sagte Terence und wühlte in der Blechkiste. »Aber wie kamen Sie ins Wasser? Fielen Sie hinein?«

»Fielen? Fielen?« wiederholte der Professor wütend. »Ich wurde gestoßen.«

»Gestoßen?« Terence war verblüfft. »Von wem denn?«

»Von Overforce, diesem elenden Schurken.«

»Professor Overforce?« fragte Terence. »Warum sollte Professor Overforce Sie ins Wasser stoßen?«

»Größere Zusammenhänge«, sagte Professor Peddick. »Tatsachen haben im Geschichtsstudium nichts zu suchen. Mut ist unwichtig, genauso wie Pflicht und Glaube. Historiker sollen sich mit größeren Zusammenhängen beschäftigten. Pah! Ein Haufen Geschwätz, sonst nichts. Daß die ganze Geschichte nur als Auswirkung von Naturgewalten auf die Bevölkerung angesehen werden soll! Reduziert! Die Schlacht von Monmouth! Die Spanische Inquisition! Der Rosenkrieg! Auf eine Naturgewalt reduziert! Und was die Bevölkerung betrifft… Königin Elisabeth! Kopernikus! Hannibal!«

»Vielleicht wäre es besser, Sie erzählten alles von Anfang an«, schlug Terence vor.

»Ab initio. Ausgezeichnete Idee«, sagte Professor Peddick. »Ich ging zum Fluß hinunter, um über ein Problem nachzudenken, das ich mit meinem Monographen zu Herodots Bericht über die Schlacht von Salamis hatte. Ich versuchte es mit der Methode, die Mr. Walton als perfekte Hilfe zum Denken pries, als ›Balsam für die Seele, Freude für das Gemüt, Zerstreuung bei Trübsinn, Labsal für den rastlosen Geist‹.[33] Allein, es sollte nicht sein. Statt dessen zwang man mich zur ›piscatur in aqua turbida‹.«

O Gott, dachte ich. Noch einer, der durcheinander redet und Zitate ausspuckt. Und auch noch in Latein.

»Einer meiner Studenten, Tuttle der Kleine, hatte mir gesagt, daß er hier bei seinem Training für den Achter einen weißen Gründling gesehen hätte. Netter Junge! Kann zwar kaum rezitieren und schreibt völlig unleserlich, aber mit Fischen kennt er sich aus.«

»Ich wußte, daß ich sie eingepackt hatte«, sagte Terence und zog eine grüne Wolldecke aus der Kiste. »Hier«, er gab sie dem Professor, »ziehen Sie das Zeug aus und legen Sie sich die Decke um.«

Professor Peddick knöpfte seine Robe auf. »Sein Bruder, Tuttle der Große, war genauso. Fürchterliche Handschrift.« Er zog seinen Arm aus einem Ärmel und hielt inne. Auf seinem Gesicht erschien ein seltsamer Ausdruck, und er steckte den Arm in den anderen Ärmel.

»Alle Essays voller Tintenflecken.« Seine Hand wühlte wie wild in dem Ärmel. »Übersetzte ›Non omnia possumus omnus‹ mit ›Im Omnibus keine Oppossums erlaubt‹.« Seine Hand vollführte eine letzte heftige Kreisbewegung, dann zog er den Arm heraus. »Ich dachte, er würde nie ein Examen schaffen«, fuhr er fort und öffnete die Hand, in der ein winziger weißer Fisch lag.

»Ah, Ugubio fluviatilis albinus.« Er betrachtete das Zappeln des Fisches. »Wo ist mein Hut?«

Terence gab ihm das Barett, und Professor Peddick tauchte es ins Wasser, füllte es und ließ dann den Fisch hineinfallen. »Prächtiges Exemplar«, meinte er und beugte sich über den Hut. »Ist jetzt Assistent vom Direktor des Schatzamtes. Berater der Königin.«

Ich saß da, beobachtete, wie er den Fisch examinierte und bewunderte, was wir da gefangen hatten. Einen echten exzentrischen Oxforder Dekan. Sie waren auch eine ausgestorbene Spezies, wenn man Dunworthy nicht zählte, der zu vernünftig war, um exzentrisch zu sein. Ich hatte mich immer ein bißchen betrogen gefühlt, weil ich nicht bei den glorreichen Tagen Jowetts und R. W. Ropers hatte dabei sein können. Spooner war natürlich der berühmteste, wegen seines Talents, das Englisch der Königin zu verballhornen. »Sie haben einen Wurm verweudet«, hatte er einem aufsässigen Studenten gesagt und den morgendlichen Choral eines Sonntags mit »Die Schimmel türmen den Herrn« angekündigt.

Mein Lieblingsprofessor war Claude Jenkins, dessen Haus so unordentlich gewesen war, daß man manchmal die Eingangstür nicht öffnen konnte, und der einmal zu spät zu einem Treffen erschien und sich mit den Worten entschuldigte: »Meine Haushälterin ist gerade gestorben, aber ich habe sie auf einem Küchenstuhl gesetzt, und bis ich zurückkomme, wird sie wieder auf der Reihe sein.«

Aber alle waren sie Persönlichkeiten gewesen: Logikprofessor Cook Wilson, der nach zwei Stunden ermüdenden Vortrags sagte: »Nach diesen einleitenden Bemerkungen…« oder Mathematikprofessor Charles Dodgson, der, nachdem Königin Victoria ihm einen begeisterten Brief über Alice im Wunderland geschrieben und ihn um ein Exemplar seines nächsten Buches gebeten hatte, ihr seine mathematische AbhandlungCondensations of Determinants schickte, oder der Professor für Altertum, der meinte, ein Barometer sähe besser aus, wenn man es horizontal statt vertikal anbrächte.

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32

Aus: Alfred Lord Tennyson, The Kraken. — Anm. d. Ü.

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33

Aus: Izaak Walton, The Complete Angler or The Contemplative Man’s Recreation, 1668. — Anm. d. Ü.