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»Ich sah diesen Sandeimer noch gestern abend«, heulte er in ein völlig verrußtes Taschentuch, »und seh’n Sie mal, wie er jetzt aussieht.«

»Wir werden ihn saubermachen«, sagte Carruthers und tätschelte dem Kirchendiener unbeholfen die Schulter. »Er wird so gut wie neu aussehen.« Das bezweifelte ich.

»Der Henkel ist glatt abgerissen«, sagte der Kirchendiener. Er schnaubte sich geräuschvoll die Nase. »Ich füllte diesen Eimer eigenhändig mit Sand. Hängte ihn selbst ans Südportal.«

Das Südportal lag am anderen Ende der Kirche, die ganze Länge des Kirchenschiffes und Reihe um Reihe Bänke aus solidem Eichenholz zwischen ihm und der Draperschen Kapelle.

»Wir werden den Henkel finden«, versprach Carruthers, was ich ebenso bezweifelte, und sie knieten sich hin wie zum Gebet und begannen, rings um den Haufen Fachwerk zu graben.

Ich ließ sie und den neuen Rekruten, der unter die Stufen spähte und offenbar nach weiteren Katzen Ausschau hielt, allein und ging dorthin, wo das Dach in einem Stück heruntergebrochen war.

Und stand dort, wo der Hauptgang gewesen war, und versuchte herauszufinden, wo ich jetzt nachschauen sollte. Der Luftdruck hatte den Sandeimer fast durch die ganze Kirche geschleudert, entgegengesetzt der Richtung des Luftdrucks, der das Fenster in der Smithschen Kapelle herausgedrückt hatte. Das bedeutete, daß des Bischofs Vogeltränke überall sein konnte.

Und es war Nacht. Die Suchscheinwerfer schwenkten ihre Strahlen in großen Bögen über den Himmel, und im Norden erleuchtete das orangebraune Glühen eines Feuers, das die Posten Eins bis Siebzehn noch nicht unter Kontrolle bekommen hatten, die Nacht, aber beides gab nicht genug Licht, und der Mond war nirgends zu entdecken.

Wir würden nicht mehr länger arbeiten können, und Lady Schrapnell würde uns im Netz treffen und wissen wollen, wo wir gewesen waren und warum wir des Bischofs Vogeltränke nicht gefunden hatten. Sie würde mich zurückschicken, schlimmer noch, sie würde mich wieder auf die Wohltätigkeitsbasare ansetzen, mit all den fürchterlichen Federhalterwischern und bestickten Teedeckchen und steinharten Kuchen.

Vielleicht sollte ich besser hierbleiben, mich zur Infanterie melden und mich an irgendein friedliches, ruhiges Plätzchen schicken lassen, zum Beispiel an die Strände der Normandie. Nein — dieser Tag kam ja erst 1944. Also auf nach Nordafrika! Nach El Alamein!

Ich schob das verschmorte Ende eines Kerzenleuchters beiseite und hob den Stein daneben an. Fußboden war darunter, der Sandsteinboden der Dyerschen Kapelle. Ich setzte mich auf eine Mauerkappe.

Mr. Spivens trottete herbei und begann auf dem Fußboden zu scharren. »Zwecklos, Junge«, sagte ich. »Sie ist nicht hier.« Resigniert dachte ich an Federhalterwischer in Gestalt von Gartenwicken, die ich würde erstehen müssen.

Mr. Spivens setzte sich mir zu Füßen und schaute mich mitleidig an.

»Du würdest helfen, wenn du nur könntest, nicht wahr, alter Freund?« sagte ich. »Kein Wunder, daß sie dich den besten Freund des Menschen nennen. Treu, loyal und ehrlich teilst du unsere Freuden und feierst mit uns unsere Triumphe. Der ehrlichste Freund, den wir kennen, einen besseren, als wir verdienen. Ihr habt euer Schicksal mit dem unseren verwoben, durch dick und dünn, auf dem Schlachtfeld und auf dem Kaminvorleger, und weigert euch, euren Herrn zu verlassen, selbst wenn euch Tod und Zerstörung umgibt. Oh, nobler Hund, du pelziger Spiegel, in dem wir unser besseres Selbst abgebildet sehen, der Mensch, wie er sein könnte, unbefleckt von Krieg oder Ambitionen, unverdorben durch…«

Und mit einem harten Ruck wurde ich nach Oxford zurückgerissen und in die Krankenstation transportiert, noch ehe ich Mr. Spivens Kopf zu Ende tätscheln konnte.

»Wenn sich jeder um seinen eigenen Kram kümmerte«, grollte die Herzogin dumpf, »würde sich die Welt ein gutes Stück schneller drehen.«

2. Kapitel

»Alice im Wunderland«

Lewis Carroll

Die Spanische Inquisition • Oxford, Stadt der träumenden Türme • Flucht • Irrungen • Verwirrungen • Des Rätsels Lösung • Der Sportplatz von Merton • Der Lauscher an der Wand • Der Unterschied zwischen Literatur und wirklichem Leben • Eine Art Nymphe • Ein wichtiger Hinweis • Ein bißchen Gebäck • Ein guter Einfall

»Ihr Partner sagte, Sie litten an fortgeschrittener Zeitkrankheit, Mr. Henry«, sagte die Schwester und zurrte eine Manschette um mein Handgelenk.

»Hören Sie«, sagte ich, »ich weiß ja, daß ich mich da eben mit dieser Hundesache etwas reingesteigert habe, aber trotzdem muß ich sofort nach Coventry zurück.«

Es war schlimm genug, daß ich fünfzehn Stunden später durchgekommen war als erwartet. Nun hatte ich die Kathedrale auch noch mitten während der Suche verlassen, was beinahe so schlimm war wie überhaupt nicht zu suchen, und selbst wenn ich imstande sein sollte, so nahe wie möglich bei der Zeit, zu der ich verschwunden war, wieder in die Kathedrale zurückzukehren, würden doch fehlende Augenblicke entstehen, Augenblicke, in denen der Kirchendiener, von der Katze geleitet, des Bischofs Vogeltränke gefunden und sie aus Sicherheitsgründen seinem Schwager zur Verwahrung gegeben haben könnte, von wo aus sie dann für immer und ewig aus der Weltgeschichte entschwunden wäre.

»Es ist äußerst dringend, daß ich zu der Ruine zurückkehre«, sagte ich. »Des Bischofs Vogeltränke…«

»Übermäßige Beschäftigung mit Irrelevantem«, diktierte die Schwester in ihren kleinen Handcomputer. »Äußeres schmutzig und verwahrlost.«

»Ich habe in einer ausgebrannten Kathedrale gearbeitet«, protestierte ich. »Und ich muß sofort dahin zurück. Des…«

Sie schob mir ein Thermometer in den Mund und befestigte einen Minimonitor an meinem Handgelenk.

»Wie viele Sprünge haben Sie innerhalb der letzten zwei Wochen gemacht?«

Ich beobachtete, wie sie meine Temperatur in ihr Gerät eingab, und versuchte mich zu entsinnen, was als offizielles Limit für Sprünge galt. Acht? Fünf?

»Vier«, sagte ich. »Sie sollten besser Carruthers untersuchen. Er ist noch schmutziger als ich, und Sie hätten ihn mal hören sollen, als er über die Sterne und den hohen Herold der Hoffnung salbaderte.«

»Unter welchen Symptomen leiden Sie? Desorientiertheit?«

»Nein.«

»Schläfrigkeit?«

Das war schon schwieriger zu beantworten. Wer unter Lady Schrapnells Knute stand, litt automatisch an Schlafentzug, aber ich bezweifelte, daß die Schwester das in Betracht ziehen würde, und eigentlich war es auch keine Schläfrigkeit, sondern mehr eine Art zombiehafter Betäubung, wie sie oft Menschen befiel, die während des Blitzkrieges Nacht für Nacht unter Bombenangriffen zu leiden hatten.

»Nein«, entgegnete ich schließlich.

»Zögerlich beim Antworten«, sagte sie in ihren Handcomputer. »Wann haben Sie das letzte Mal geschlafen?«

»1940«, erwiderte ich prompt, woran man erkannte, daß auch zügiges Antworten Probleme aufwerfen kann.

Sie tippte eifrig. »Hatten Sie Schwierigkeiten, Töne voneinander zu unterscheiden?«

»Nein«, sagte ich und lächelte sie an. Krankenschwestern ähneln immer irgendwie Gestalten aus der Spanischen Inquisition, aber diese hier hatte ein beinahe freundliches Gesicht, ein Gesicht, wie es auch ein Hilfsfolterknecht, der einem auf der Streckbank festschnallt oder die Tür der Eisernen Jungfrau offenhält, haben könnte.