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Und doch lag ein zusätzliches Mißtrauen im Blick dieser dunklen Augen aus Cairhien, die ihn beobachteten, und dieses Mißtrauen spiegelte sich in den Blicken der Tairener. Es war schon vorhanden gewesen, bevor er hinausgegangen war. Vielleicht hatten sie bei dem Versuch, seine Gunst zu erwerben, einen Fehler begangen und hatten das erst jetzt bemerkt. Sie bemühten sich ja alle, zu ignorieren, wer er war, und statt dessen so zu tun, als sei er irgendein junger Lord, der ihr Land erobert hatte und mit dem man verhandeln, ja, den man manipulieren konnte. Doch dieser Sessel — dieser Thron — führte ihnen vor Augen, wer und was er wirklich war.

»Entsprechen die Truppenbewegungen meinem Zeitplan, Lord Dobraine?« Die Harfe verklang, sobald er den Mund öffnete. Asmodean war offensichtlich darauf bedacht, seine Ansprüche zu unterstreichen. Der Mann mit der gegerbten Haut lächelte grimmig. »Das tun sie, mein Lord Drache.« Nicht mehr als das. Rand machte sich keine Illusionen, daß Dobraine ihm auf irgendeine Weise mehr gewogen sei als die anderen oder daß er wenigstens nicht versuchen werde, seine Vorteile aus der Lage zu ziehen, aber immerhin schien Dobraine bereit, sich an den Eid zu halten, den er abgelegt hatte. Die bunten Schrägstreifen auf der Brust seines Kurzmantels waren abgewetzt, weil er meistens einen Brustharnisch darübergeschnallt trug.

Maringil beugte sich auf seinem Sessel vor. Er war gertenschlank und hochgewachsen für einen, der aus Cairhien stammte, und sein weißes Haar hing ihm fast bis auf die Schultern. Sein Kopf war nicht geschoren, und sein Mantel, dessen Farbstreifen beinahe bis zu den Knien reichten, wirkte wie neu. »Wir benötigen diese Männer hier, mein Lord Drache.« Seine Raubvogelaugen blinzelten im Widerschein des vergoldeten Throns, doch dann konzentrierte sich sein Blick wieder auf Rand. »Viele Banditen machen nach wie vor das Land unsicher.« Er drehte sich ein wenig zur Seite, damit er die Tairener nicht ansehen mußte. Meilan und die beiden anderen lächelten leicht.

»Ich habe Aiel abkommandiert, Banditen zu jagen«, sagte Rand. Sie hatten wirklich den Befehl erhalten, unterwegs alle in ihrer Nahe befindlichen Banditen und Briganten aufzugreifen. Aber sie sollten deshalb keine Umwege machen. Selbst die Aiel konnten das nicht, wenn sie schnell vorwärtskommen sollten. »Wie man mir berichtete, haben vor drei Tagen Steinhunde in der Nähe von Morelle fast zweihundert von ihnen getötet.« Das war in der Nähe der südlichsten Grenzlinie, die Cairhien in den letzten Jahren hatte beanspruchen können, auf halbem Weg zum Iralell-Fluß. Es war nicht notwendig, diese Leute hier wissen zu lassen, daß sich diese Aiel mittlerweile vielleicht schon in der Nähe des Flusses befanden. Sie konnten große Entfernungen schneller als zu Pferde zurücklegen.

Maringil blieb hartnäckig, wobei er nervös die Stirn runzelte: »Es gibt noch einen Grund. Die Hälfte unseres Landes westlich des Alguenya befindet sich in den Händen Andors.« Er zögerte. Sie wußten alle, daß Rand in Andor aufgewachsen war. Ein Dutzend Gerüchte machten ihn zum Sohn aus diesem oder jenem andoranischen Adelshaus, einige sogar zu Morgases Sohn, der entweder ausgestoßen worden war, weil er die Macht lenken konnte, oder der geflohen war, bevor man ihn einer Dämpfung unterziehen konnte. Der schlanke Mann fuhr fort, als gehe er auf Zehenspitzen und mit verbundenen Augen zwischen spitzen Dolchen hindurch. »Morgase scheint im Moment noch nicht weiter vorzurücken, aber das, was sie bereits in Händen hat, muß ihr wieder abgenommen werden. Ihre Herolde haben sogar schon ihr Recht auf den...« Er schwieg plötzlich. Niemand unter ihnen wußte, wem Rand den Sonnenthron zugedacht hatte. Vielleicht Morgase?

Der Blick aus Colavaeres dunklen Augen wirkte wieder abschätzend und berechnend. Sie hatte heute wenig gesagt. Das würde sie auch nicht, bis sie erfahren hatte, warum Selande so blaß war.

Mit einemmal war Rand all dessen so müde, diese feilschenden Adligen, diese ganzen Manöver im Spiel der Häuser, Daes Dae'mar. »Die Ansprüche Andors auf Cairhien werde ich dann abhandeln, wenn ich soweit bin. Diese Soldaten gehen jedenfalls nach Tear. Ihr werdet dem guten Beispiel Lord Meilans in Bezug auf Gehorsam folgen, und ich will nichts mehr davon hören.«

Damit wandte er sich den Tairenern zu. »Ihr liefert uns doch ein gutes Beispiel, Lord Meilan, nicht wahr? Und Ihr, Aracome? Wenn ich morgen ausreite, werde ich hoffentlich keine tausend Verteidiger des Steins in einem Lager zehn Meilen südlich von hier vorfinden, die bereits vor zwei Tagen zurück nach Tear in Marsch gesetzt werden sollten, oder? Oder zweitausend bewaffnete Gefolgsleute aus tairenischen Häusern?«

Dieses Lächeln bei den dreien verflog mit jedem Wort mehr. Meilan wurde ganz still. Seine dunklen Augen glitzerten. Aracomes schmales Gesicht wurde bleich; ob vor Zorn oder vor Angst, war nicht festzustellen. Torean tupfte sich das feiste Gesicht mit einem Seidentuch ab, das er aus einem Ärmel gezogen hatte. Rand herrschte in Tear und beabsichtigte keineswegs, diesen Anspruch aufzugeben. Das führte ihnen Callandor drinnen im Herzen des Steins vor Augen. Deshalb hatten sie auch nicht protestiert, als er Soldaten aus Cairhien nach Tear entsandt hatte. Sie dagegen wollten hier, weit weg von dem Ort, an dem er regierte, neue Güter, vielleicht sogar Königreiche, für sich gewinnen.

»Das werdet Ihr nicht, mein Lord Drache«, sagte Meilan schließlich. »Morgen werde ich mit Euch reiten, damit Ihr es selbst sehen könnt.«

Rand zweifelte nicht daran. Sobald der Mann dafür sorgen konnte, würde er einen Reiter nach Süden schicken, und morgen schon würden diese Soldaten sich ein gutes Stück auf dem Weg nach Tear befinden. Das reichte durchaus. Für den Moment. »Dann wäre ich soweit fertig. Ihr mögt nun gehen.«

Ein paar fuhren überrascht zusammen, verbargen diese Überraschung jedoch so schnell, daß er sie sich eingebildet haben konnte, und dann erhoben sie sich unter Verbeugungen und Knicksen. Selande und die jungen Lords schritten rückwärts davon. Sie hatten mehr erwartet. Eine Audienz beim Wiedergeborenen Drachen dauerte für gewöhnlich lang, und sie sahen sie wohl als eine Art Martyrium an. Immer zwang er sie auf den Weg, den er für sie bestimmt hatte, ob er nun erklärte, kein Tairener könne Land in Cairhien beanspruchen, wenn er nicht in ein Adelshaus dieses Landes einheiratete, oder ob er sich weigerte, die Menschen vom Vortor aus der Stadt weisen zu lassen, oder ob er Gesetze erließ, die plötzlich auch für den Adel gelten sollten, obwohl sie zuvor stets nur für die Gemeinen gegolten hatten.

Sein Blick folgte Selande einen Moment lang. Sie war nicht die erste gewesen, die innerhalb der letzten zehn Tage Ähnliches versucht hatte. Nicht einmal die Zehnte oder die Zwanzigste. Er war schon in Versuchung geraten, jedenfalls zu Beginn. Wenn er eine Schlanke zurückwies, folgte prompt eine Mollige, und eine Hochgewachsene, für die Verhältnisse Cairhiens jedenfalls, löste eine Kleine ab und eine Dunkelhaarige die Blonde davor. Sie suchten unablässig nach Frauen, die ihm zusagen mochten. Die Töchter des Speers wiesen jene ab, die versuchten, sich nachts in seine Räume einzuschleichen. Energisch, aber doch sanfter als Aviendha im Falle der einen, die sie selbst erwischt hatte. Aviendha nahm offensichtlich den Eigentumsanspruch Elaynes auf ihn beinahe tödlich ernst. Und doch schien ihr für die Aiel typischer Sinn für Humor es sehr befriedigend zu finden, ihn zu quälen. Er hatte jedenfalls die Zufriedenheit auf ihrer Miene bemerkt, als er stöhnte und sein Gesicht verbarg, weil sie begann, sich vor ihm zur Nacht auszukleiden. Eigentlich hatte ihn ja ihr tödlicher Ernst abgestoßen, hätte er nicht schnell gemerkt, was hinter diesem Zustrom hübscher junger Frauen steckte.