Выбрать главу

Er würdigte Moghedien kaum eines Blickes. »Ich dachte mir bei diesen Flammen, die von hier oben kamen... Ich glaubte, du könntest das gewesen sein, oder... Wo sind wir hier? Triffst du hier immer Egwene?«

Nynaeve blickte zu ihm auf und bemühte sich, nicht schuldbewußt zu schlucken. So kalt, dieses Gesicht. »Rand, die Weisen Frauen sagen, was du getan hast und was du tust sei gefährlich, vielleicht sogar böse. Sie meinen, wenn du körperlich hierherkommst, verlierst du etwas von dir selbst, etwas von dem, was dich menschlich sein läßt«

»Wissen die Weisen Frauen eigentlich alles?« Er ging an ihr vorbei und blickte das an, was von der Arkade noch übrig war. »Ich glaubte einmal, die Aes Sedai wüßten alles. Es spielt keine Rolle. Ich weiß nicht, wieviel Menschlichkeit sich der Wiedergeborene Drache erlauben kann.«

»Rand, ich...« Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.

»Komm, laß mich dich wenigstens heilen.«

Er hielt still, so daß sie sein Gesicht in ihre Hände nehmen konnte. Diesmal mußte sie ein Zusammenzucken unterdrücken. Seine offenen Wunden waren nicht ernsthafter Natur. Es waren eben nur viele. Was hatte ihn nur so gebissen? Sie war sicher, daß es sich um Bißwunden handelte. Aber die alte Wunde, diese halbverheilte, niemals heilende Wunde an seiner Seite war wie eine Öffnung in die Dunkelheit, wie ein Brunnen, der mit etwas gefüllt war, was sie für den Makel, die Verderbnis Saidins hielt. Sie webte ihre komplizierten Stränge aus Luft und Wasser, Geist und sogar Feuer und Erde, wenn auch nur in geringem Ausmaß, um ihn zu heilen. Er schrie nicht und schlug nicht um sich. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er schauderte lediglich kurz. Das war alles. Dann packte er sanft ihre Handgelenke und zog ihre Hände von seinem Gesicht weg. Sie sträubte sich nicht. Seine neuen Verletzungen waren verschwunden jeder Biß, jede Abschürfung oder Schwellung, doch die alte Wunde nicht. Nichts hatte sich daran geändert. Alles bis auf den Tod sollte doch heilbar sein, selbst das. Alles!

»Ist er tot?« fragte er leise. »Hast du ihn sterben sehen?«

»Er ist tot, Rand. Ich habe es gesehen.«

Er nickte. »Aber es gibt noch andere, oder? Andere ... Auserwählte.«

Nynaeve spürte, wie die Angst Moghedien wie ein Dolch durchfuhr, aber sie wandte ihren Blick nicht um. »Rand, du mußt gehen. Rahvin ist tot, und dieser Ort ist gefährlich für dich in diesem körperlichen Zustand. Du mußt gehen und darfst körperlich nie wieder herkommen.«

»Ich gehe schon.«

Er machte nichts, was sie hätte sehen oder spüren können — natürlich, das ging ja auch nicht —, aber einen Augenblick lang war ihr, als habe sich der Gang hinter ihm ... irgendwie gedreht. Er sah aber nicht anders aus als zuvor. Außer... Halt. Sie blinzelte erstaunt. In der Arkade hinter ihm war keine einzige halb zerstörte Säule mehr zu sehen, und auch die Steinbrüstung wies kein Loch mehr auf.

Er fuhr fort, als sei nichts geschehen: »Sag Elayne... Bitte sie, mich nicht zu hassen. Bitte sie...« Der Schmerz verzerrte sein Gesicht. Einen Augenblick lang sah sie den Jungen von einst, der wirkte, als entreiße man ihm etwas sehr Kostbares. Sie streckte die Hand aus, um ihn zu trösten, doch er trat mit steinernem Gesicht und düsterer Miene vor ihr zurück. »Lan hatte recht. Sag Elayne, sie soll mich vergessen, Nynaeve. Sag ihr, ich habe eine andere Liebe gefunden und für sie sei kein Platz mehr. Er wollte, daß ich dir das selbe ausrichte. Auch Lan hat jemanden anders gefunden. Er läßt dir ausrichten, du solltest ihn vergessen. Es ist besser, nie geboren zu werden, als einen von uns zu lieben.« Er trat drei weitere lange Schritte zurück; der Flur, oder jedenfalls ein Teil davon, schien sich mit ihm in der Mitte auf schwindelerregende Weise zu drehen, und dann war er weg.

Nynaeve starrte den Fleck an, an dem er sich befunden hatte, und beachtete das verschwommene Wiederaufflackern der Zerstörungen in ihrer Nähe gar nicht. Lan hatte ihn das ausrichten lassen?

»Ein ... bemerkenswerter Mann«, sagte Moghedien leise. »Ein sehr, sehr gefährlicher Mann.«

Nynaeve blickte sie an. Etwas Neues kam durch das Armband zu ihr herüber. Die Angst war immer noch vorhanden, doch gedämpft durch ... mit erwartungsvoll konnte man das wohl am ehesten umschreiben.

»Ich habe doch gut mitgeholfen, nicht wahr?« sagte Moghedien. »Rahvin tot und Rand al'Thor gerettet. Nichts davon wäre ohne mich möglich gewesen.«

Nynaeve verstand sie jetzt. Es war mehr Hoffnung gewesen als Erwartung. Früher oder später mußte Nynaeve ja aufwachen. Dann würde der A'dam verschwinden. Moghedien bemühte sich, sie an ihre Hilfe zu erinnern — als habe sie ihr nicht alles mühsam entreißen müssen —, für den Fall, daß Nynaeve sich darauf vorbereitete, sie vorher noch zu töten.

»Es wird auch für mich Zeit, zu gehen«, sagte Nynaeve. Moghediens Gesichtsausdruck änderte sich nicht, wohl aber wurde ihre Angst wieder stärker —und auch ihre Hoffnung verstärkte sich. Ein großer Silberbecher erschien in Nynaeves Händen. Er war anscheinend mit Tee gefüllt. »Trinkt das.«

Moghedien zuckte zurück. »Was...?«

»Kein Gift. Ich könnte Euch auch so leicht töten, falls das in meiner Absicht läge. Doch schließlich ist das, was hier mit Euch geschieht, auch in der wachenden Welt Wirklichkeit.« Die Hoffnung kam nun viel stärker als die Angst herüber. »Ich werde Euch in Schlaf versetzen. In einen tiefen, tiefen Schlaf; zu tief, um Tel'aran'rhiod zu berühren. Man nennt dies Spaltwurzeltee.«

Moghedien nahm langsam den Becher entgegen. »Damit ich Euch nicht folgen kann? Ich kann nichts dagegen sagen.« Sie legte den Kopf in den Nacken und trank, bis der Becher leer war.

Nynaeve beobachtete sie. Dies sollte sie augenblicklich zum Einschlafen bringen. Und doch besaß auch sie eine grausame Ader, und die ließ sie weitersprechen. Sie wußte sogar, daß sie jetzt gemein war, aber das war ihr gleich. Moghedien sollte auch im Schlaf keine Ruhe finden. »Ihr wußtet, daß Birgitte nicht tot war.« Moghedien zog leicht die Augen zusammen. »Ihr wußtet, wer Faolain ist.« Die andere wollte jetzt die Augen aufreißen, doch sie schaffte es nicht mehr ganz, weil sie schon so schläfrig war. Nynaeve spürte durch den A'dam, wie sich die Wirkung der Spaltwurzel in Moghediens Körper ausbreitete. Sie konzentrierte sich auf eine Moghedien, die in Tel'aran'rhiod festgehalten wurde. Keine Ruhe für den Schlaf der Verlorenen. »Und Ihr wußtet, wer Siuan ist und daß sie einst die Amyrlin war. Ich habe das in Tel'aran'rhiod kein einziges Mal erwähnt. Nie. Wir werden, uns sehr bald wieder sprechen. In Salidar.«

Moghediens Pupillen kippten. Nynaeve war nicht klar, ob das auf die Spaltwurzel zurückzuführen war oder auf eine Ohnmacht aber das spielte keine Rolle. Sie ließ die andere Frau los und Moghedien verschwand. Das silbrige Halsband fiel mit einem hellen Klang auf die Fliesen. Elayne würde das gefallen — wenigstens dies eine.

Nynaeve trat aus dem Traum heraus.

Rand schlich durch die Korridore des Palastes. Es schien weniger Schäden zu geben, als er in Erinnerung hatte, aber das nahm er nur am Rande wahr. Er schritt hinaus auf den großen Vorhof des Palastes. Windstöße, durch die Macht gewebt, rissen die großen Torflügel fast aus den Angeln. Dahinter lag ein riesiger, ovaler Platz und das, was er gesucht hatte. Trollocs und Myrddraal. Rahvin war tot, und die anderen Verlorenen befanden sich sonstwo, aber es gab in Caemlyn trotzdem noch Trollocs und Myrddraal, die man töten mußte.

Dort wurde gekämpft. Es war eine quirlende Menge von Hunderten, vielleicht sogar Tausenden; was ihre schwarz gepanzerten mächtigen Körper, jeder so groß wie ein Myrddraal mitsamt Pferd, verbargen, war nicht auszumachen. Gerade so eben konnte er mittendrin seine rote Flagge erkennen. Einige wandten sich dem Palast zu, als die Torflügel so gewaltsam aufgerissen wurden.