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Und doch blieb Rand wie angewurzelt stehen. Feuerkugeln zogen ihre Bahn durch die dichtgedrängte schwarze Masse, und überall lagen brennende Trollocs. Das konnte doch nicht sein.

Er wagte kaum, zu hoffen oder überhaupt an etwas Bestimmtes zu denken, und so benutzte er erneut die Macht. Strahlen aus Baalsfeuer verließen seine Hände, so schnell er sie nur weben konnte, dünner als sein kleiner Finger, präzise, und sie brachen ab, sobald sie ihr Ziel getroffen hatten. Sie waren viel schwächer als diejenigen, die er am Ende gegen Rahvin eingesetzt hatte, schwächer als alle, die er bei diesem Kampf benutzt hatte, aber er konnte nicht riskieren, daß einer bis zu jenen durchdrang, die von dieser Trolloc-Horde eingeschlossen waren. Es schien aber ihrer Wirkung kaum Abbruch zu tun. Der erste getroffene Myrddraal wechselte die Farbe, wurde zu einer weißgekleideten Gestalt und dann waren da nur noch durch die Luft fliegende Staubteilchen, die vom Luftzug des wild fliehenden Pferdes davongewirbelt wurden. Dasselbe geschah mit allen Trollocs oder Myrddraal, die sich ihm zuwandten. Dann begann er in die Rücken jener hineinzufeuern, die noch immer kämpften. Ein nicht enden wollender Schleier funkelnder Staubkörnchen schien die Luft zu erfüllen und erhielt ständig Nachschub, noch während er sich verflüchtigte.

Dem konnten sie nicht widerstehen. Aus bestialischen Wutschreien wurde angsterfülltes Heulen, und sie flohen in alle Richtungen. Er beobachtete, wie ein Myrddraal versuchte, sie zum Umkehren zu bringen, doch er wurde mitsamt seinem Pferd niedergetrampelt. Die anderen Mydrdraal gaben ihren Pferden die Sporen und galoppierten davon.

Rand ließ sie ziehen. Er war damit beschäftigt, die verschleierten Aiel zu mustern, die mit Speeren und langen Messern bewaffnet aus dem Ring ihrer Belagerer ausbrachen. Einer von ihnen trug die Fahne. Normalerweise hatten die Aiel nichts mit Fahnen im Sinn, aber dieser, bei dem unter der Schufa ein Stückchen des roten Stirnbands hervorlugte, trug sie trotzdem. Auch in den Straßen, die von diesem Platz wegführten, gab es einige Kämpfe. Aiel gegen Trollocs. Stadtbewohner gegen Trollocs. Sogar Gerüstete in der Uniform der Königlichen Garde gegen Trollocs. Offensichtlich konnten einige von denen, die durchaus gewillt waren, eine Königin zu töten, Trollocs denn doch nicht ertragen. Rand bemerkte auch dies alles aber nur am Rande. Er suchte die Reihen der ausbrechenden Aiel ab.

Da. Eine Frau in einer weißen Bluse, die mit einer Hand ihren bauschigen Rock raffte und mit der anderen, in der sie ein kurzes Messer trug, nach einem fliehenden Trolloc stach. Einen Moment später hüllten Flammen die mächtige Gestalt mit der Bärenschnauze ein.

»Aviendha!« Rand wurde erst bewußt, daß er auf sie zustürzte, als er ihren Namen schrie. »Aviendha!«

Und da war auch Mat mit zerrissenem Mantel und Blut an der Schwertklinge seines Speers. Er stützte sich auf den schwarzen Schaft und blickte den fliehenden Trollocs nach, offensichtlich zufrieden, nun, da es möglich war, wieder anderen das Kämpfen zu überlassen. Und Asmodean, der ungeschickt sein Schwert hielt und versuchte, nach allen Seiten zugleich Ausschau zu halten, ob es irgendeinem Trolloc einfiel, noch einmal zurückzukommen. Rand spürte Saidin in ihm, wenn auch nur schwach, und er glaubte nicht, daß Asmodean viel mit diesem Schwert ausgerichtet habe.

Baalsfeuer. Baalsfeuer, das einen Faden mitten aus dem Muster herausbrennen konnte. Je stärker das Baalsfeuer war, desto weiter zurück verbrannte der Faden. Und was immer die betreffende Person getan hatte, war dann nicht mehr geschehen. Es war ihm gleich, ob sein Angriff auf Rahvin das halbe Muster zerstört hatte. Hauptsache, dies war das Ergebnis.

Ihm wurde bewußt, daß Tränen über seine Wangen rannen. Er ließ Saidin und das Nichts fahren. Das wollte er voll auskosten. »Aviendha!« Er schloß sie in seine Arme und wirbelte sie herum. Sie blickte mit großen Augen auf ihn herab, als sei er verrückt geworden. Am liebsten hätte er sie gar nicht mehr losgelassen, tat es dann aber doch. Damit er Mat umarmen konnte. Es wenigstens versuchen konnte.

Mat wehrte ihn ab. »Was ist denn mit dir los? Man könnte denken, du hättest uns für tot gehalten. Na ja, waren wir beinahe auch. Ein Generalsposten sollte eigentlich ein wenig sicherer sein!«

»Du lebst ja«, lachte Rand. Er strich Aviendhas Haar zurück. Sie hatte das Kopftuch verloren, und das Haar hing ihr zerzaust im Nacken. »Ich bin so froh darüber, daß ihr am Leben seid. Das ist alles.«

Er nahm den Zustand des großen Platzes nun wieder wahr, und seine Freude verflog. Nichts konnte ihm diese Freude ganz nehmen, aber die Leichenhaufen, dort, wo die Aiel sich zum letzten Gefecht gesammelt hatten, minderten sie doch erheblich. Zu viele davon waren zu klein und zierlich, um Männerleichen zu sein. Da lag Lamelle. Ihr Schleier fehlte, genau wie ihr halber Kehlkopf. Sie würde ihm niemals mehr Suppe kochen. Pevin hatte im Tod noch beide Hände um den armdicken Trolloc-Speer geklammert, der in seiner Brust steckte, und zum erstenmal, seit Rand ihn kannte, trug sein Gesicht einen erkennbaren Ausdruck: Überraschung. Das Baalsfeuer hatte dem Tod seine Freunde entrissen, andere aber nicht. Zu viele. Zu viele Töchter.

Nimm, was du bekommen kannst. Freue dich an dem, was du retten kannst, und traure deinen Verlusten nicht zu lange nach. Es war nicht sein eigener Gedanke, aber er akzeptierte ihn. Es schien eine gute Methode, ihn vor dem Wahnsinn zu bewahren, bis der Makel Saidins ihn doch dazu verdammte.

»Wo warst du eigentlich?« wollte Aviendha wissen. Nicht zornig. Sie schien sogar eher erleichtert. »In einer Sekunde warst du noch hier, und in der nächsten weg.«

»Ich mußte doch Rahvin töten«, sagte er leise. Sie öffnete den Mund, doch er legte einen Finger darauf, damit sie nichts sagte, und schob sie sanft von sich. »Laß es damit gut sein. Er ist tot.«

Bael humpelte herbei, die Schufa noch um den Kopf gewickelt, wenn auch der Schleier auf seiner Brust hing. An seinem Oberschenkel klebte Blut und genauso an der Spitze seines einzigen verbliebenen Speers. »Die Nachtläufer und Schattenverzerrten laufen weg, Car'a'carn. Einige der Feuchtländer haben sich dem Kampf gegen sie angeschlossen. Sogar ein paar der Gerüsteten, obwohl sie zu Beginn noch gegen uns kämpften.« Sulin kam hinter ihm heran, unverschleiert und mit einer böse aussehenden Schnittwunde auf der Wange.

»Jagt sie und bringt sie zur Strecke, gleich, wie lange es dauert«, sagte Rand. Er begann, weiterzugehen, obwohl er gar nicht wußte, wohin. Hauptsache, es führte ihn weg von Aviendha. »Ich will nicht, daß sie das Land unsicher machen. Gebt gut auf die Wache acht. Ich werde später herausbekommen, welche von ihnen Rahvins Männer waren, und welche...« Er ging weiter, redete und blickte nicht zurück. Nimm, was du bekommen kannst.

56

Die Glut schwelt

Die hohe Fensteröffnung ließ Rand mehr als genügend Platz, um aufrecht darin stehen zu können; sie schwang sich hoch über seinen Kopf, und zu beiden Seiten blieben jeweils gut zwei Fuß bis zur Einfassung. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt und blickte hinunter in einen der Gärten des Königspalastes. Aviendha hatte eine Hand im mit Sandstein eingefaßten Brunnenbecken, um das Wasser zwischen ihren Fingern zu spüren. Sie wunderte sich immer noch, daß man soviel Wasser verschwendete, nur um es anschauen zu können und ein paar Zierfische am Leben zu halten. Zuerst war sie ziemlich wütend gewesen, weil er ihr verboten hatte, auf die Straße zu gehen und Trollocs zu jagen. Er war sich auch jetzt nicht sicher, ob sie sich nicht vielleicht doch dort unten befinden würde, wären nicht ein paar unauffällige Töchter des Speers als Bewachung dagewesen, von denen Sulin wohl glaubte, er habe sie überhaupt nicht entdeckt. Er hätte wohl auch nicht hören sollen, wie die weißhaarige Tochter ihr in Erinnerung rief, daß sie keine Far Dareis Mai mehr sei, aber auch noch keine Weise Frau. Mat hatte sich ohne die Jacke, aber mit dem Hut als Sonnenschutz auf den Brunnenrand gesetzt und unterhielt sich mit ihr. Zweifellos wollte er sie aushorchen, ob sie etwas davon wisse, daß die Aiel die Menschen am Weggehen hinderten. Sollte Mat jemals sein Schicksal als gegeben hinnehmen, war es trotzdem unwahrscheinlich, daß er je aufhören würde, sich darüber zu beklagen. Asmodean saß auf einer Bank im Schatten eines roten Lorbeerbaums und spielte auf der Harfe. Rand fragte sich, ob der Mann eine Ahnung habe, was wirklich geschehen war, oder ob er es zumindest vermutete. Er sollte keine Erinnerung an das Geschehene haben, denn für ihn war es ja nie geschehen, aber wer wußte schon, was einer der Verlorenen wissen oder sich zusammenreimen konnte?