«Immerhin lebst du und bist in Sicherheit«, sagte Bolitho leise.
Starkie gähnte.»Ich könnte ein Jahr lang schlafen. «Und mit einem lächelnden Blick auf Grenfell fügte er noch hinzu:»Sir.»
Grenfell kam bis zum Niedergang mit.»Am besten schlaft ihr alle eine Weile. Ich habe das Gefühl, morgen wird es ziemlich heiß werden in mehr als einer Hinsicht.»
Mr. Turnbulls Wetterkenntnis hatte ihn nicht verlassen. Schon nach der Hundewache[8] kam ein Wind auf, der die Segel füllte, und beide Schiffe hatten wieder Fahrt. Eine Stunde später wehte ein frischer Nord, und als die Männer aus dem brutheißen, nach Schweiß stinkendem Schiffsraum kamen und auf dem Achterdeck antraten, fanden sie die Luft so erfrischend wie ein Tonikum.
Die Leutnants und die Offiziere der Marine-Infanterie standen an der Treppe zur Kampanje und blickten gespannt auf den Kapitän, der sich mit Verling und dem Segelmeister beriet.
Deckoffiziere liefen die Reihen der angetretenen Mannschaften entlang, hakten ihre Musterrollen ab und riefen Namen auf. Vom unteren Batteriedeck her vernahm Bolitho das Kreischen des Schleifsteins, an dem die Geschützführer die Entermesser und — beile schärften. Wie jedesmal erschauerte Bolitho bei dem bloßen Geräusch.
Ein Ruf vom Ausguck:»Deck ahoi! Fahrzeug vor Anker Backbord voraus!»
Dancer hatte zu den Segeln der Sandpiper hinübergeblickt. Gelblichweiß standen sie vor dem zunehmendem Licht; von Schußlöchern und Flicken war jetzt nichts zu sehen.
Dallas, der Zweite, hatte die Brigg für den Angriff übernommen.Ein Mann, von dem Bolitho so gut wie nichts wußte. Während seiner ganzen bisherigen Zeit an Bord hatte er allenfalls ein paar Kommandos von ihm vernommen. Aber sicher hatte der Kapitän Vertrauen zu Leutnant Dallas; sonst hätte er ihn nicht ausgesucht. Außerdem zeigte es, daß er mit Tergorrens Mitwirkung an der Sandpiper-Aktion nicht besonders zufrieden war.
Als Bolitho sich von Starkie verabschiedete, der zur Brigg hinübergerudert wurde, hatte der Steuermannsmaat mit verständnisinnigem Grinsen nach achtern geblickt, wo der Kapitän gemessenen Schrittes auf und ab ging.
«So wird man Fregattenkapitän,[9] junger Freund — man muß eben seine Leute kennen!»
Sie rannten den Decksgang hinunter. Verling wartete schon bei den Leenetzen und klopfte ungeduldig mit einem Fuß auf die Decksplanken.
«Drei Midshipmen werden für die Aktion benötigt. «Er runzelte die Stirn, als Marrack zum Sprechen ansetzte.»Nein — Sie nicht. Sie werden für die Signalgruppe gebraucht. «Seine kalten Augen blieben auf Bolitho haften.»Und Sie — Sie sind eben erst von einer Aktion zurück an Bord; Sie kann ich nicht einteilen. «Er wandte sich dem immer so mürrisch blickenden Midshipman vom unteren Batteriedeck zu.»Mr. Pearce und. .»
Bolitho warf Dancer einen raschen Blick zu — der nickte ganz kurz.»Mr. Dancer und ich möchten uns freiwillig melden, Sir«, rief er dazwischen.»Wir waren sehr dicht an der Insel. Das könnte von Nutzen sein.»
Verling lächelte frostig.»Jetzt, da Mr. Grenfell seinen Fuß auf die unterste Stufe der Promotionsleiter gesetzt hat, sind Sie drei, abgesehen von Mr. Marrack, die Dienstältesten. Da werde ich Ihnen wohl gestatten müssen, mitzumachen.»
Kühn trat Eden aus der Reihe der Midshipmen.»S-sir! Ich melde mich ebenfalls f-freiwillig!»
Verling musterte ihn von oben bis unten.»Stottern Sie mich gefälligst nicht an, Sie Würstchen! Treten Sie zurück ins Glied, und halten Sie den Mund!»
Geschlagen, bevor er überhaupt angetreten war, schlich sich Eden in die Reihe zurück.
Verling, anscheinend befriedigt, nickte.»Sowie wir beigedreht haben, werden die Boote ausgesetzt. Alle Seesoldaten und sechzig Matrosen gehen an Bord dieser schwimmenden Hölle da drüben.»
Dancer flüsterte:»Der Kapitän setzt jeden Mann ein, den er entbehren kann.»
«Mr. Dancer!«knurrte Verling.»Fünf Tage Extradienst nach Rückkehr — wenn Sie's erleben. Halten Sie gefälligst den Mund!»
Der Kapitän kam herbeigeschlendert, lässig wie bei einem Spaziergang an Land.»Alles klar, Mr. Verling?»
«Aye, Sir.»
Der Kapitän blickte flüchtig auf die drei Midshipmen, die noch vorgetreten dastanden.»Nehmen Sie sich zusammen«, sagte er. Dann, mit einem Blick auf den Ersten:»Mr. Verling hat den Oberbefehl; er erwartet das Äußerste von Ihnen — und ich auch. «Er beugte sich etwas vor und hielt nach dem kleinen Eden Ausschau.»Sie, äh, Mr. äh, werden vielleicht von Nutzen sein, wenn Sie dem Schiffsarzt mit Ihren neuentdeckten und, äh, überraschenden Kenntnissen assistieren.»
Weder bei ihm noch bei Verling war auch nur die Andeutung eines Lächelns zu sehen.
Als die Übernahme von Männern und Waffen beendet war, brach schon die Nacht an.
Bereits in einiger Entfernung von der großen Dhau roch Bolitho den Gestank der Sklaverei. Aber als die Matrosen und Seesoldaten an Bord waren und in den Schiffsraum hinabkletterten, sich vor den grob behauenen Decksbalken bückten und zwischen allerlei Unrat und zerschlagenen Handfesseln herumstolperten, warf er sie fast um.
Major Dewar hatte seine Unteroffiziere in gleichmäßigen Abständen längsseits postiert, um die Mannschaften durch Zurufe und Stöße an ihre richtigen Plätze zu dirigieren, wo sie bis zum eigentlichen Angriff zu bleiben hatten. Ganz gut, dachte Bolitho, daß Eden nicht mitgekommen war. Bei diesem Gestank und dieser Enge hätte er sich bestimmt während der ganzen Fahrt übergeben.
Mehrere Drehgeschütze wurden aus dem Kutter an Bord gehievt und am Schanzkleid unter dem hohen Heckaufbau festgemacht. Ein wenig roch es auch nach Rum. Vermutlich hatte es der Kapitän für zweckmäßig gehalten, den Männern vor dem Angriff eine Erfrischung zu bewilligen.
Bolitho und die beiden anderen Midshipmen meldeten auf dem Achterdeck, daß sich alle Matrosen und Seesoldaten unter Deck befanden, zusammengepreßt wie Schweinefleisch im Faß.
Die Marine-Infanteristen in ihren dunkelroten Röcken waren im Schiffsraum kaum zu erkennen; nur die Koppel und die gekreuzten Schulterriemen leuchteten weiß im Halbdunkel.
Hoggett, der Bootsmann der Gorgon (sein Spitzname war» Lederlunge«), hatte Segel und Ruder der Dhau unter sich. Bolitho hörte einen Matrosen gehässig murmeln:»Der Saukerl würde sich auf so 'nem verdammten Sklavenschiff richtig zu Hause fühlen!»
Verling kommandierte:»Anker auf und Fahrt aufnehmen, Mr. Hoggett! Vielleicht treibt der Wind den Gestank aus dem Schiff.»
Eine schattenhafte Gestalt erschien auf dem Achterdeck. Verling wandte sich um:»Alles klar, Mr. Tergorren?»
«Der kommt also auch mit, hol ihn der Teufel!«brummte Dancer.
«Anker ist auf, Sir!»
Die Dhau hatte weder Ruderpinne noch Rad; zwei Mann steuerten sie vom Heck aus mit einem langen Handruder. Knarrend und quietschend stiegen die seltsam geformten Lateiner-Segel am Mast empor, und die Männer fluchten, weil sie mit der ungewohnten und für ihre Begriffe primitiven Takelage nicht klarkamen. Verling hatte einen kleinen Bootskompaß mit, den er jetzt dem Bootsmann übergab.