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«Und ich Sie«, herrschte Bolitho ihn an,»wenn Sie nicht sofort mit Ihrem Geschwafel aufhören!»

Der Mann verschwand, und Dancer machte große Augen.»Die Sorte kenn' ich, Martyn«, sagte Bolitho.»Als nächstes soll ich ihm dann erlauben, daß er rasch mal einen Rum trinken geht. «Er grinste.»Und das würde dem Leutnant hier kaum recht sein, ganz zu schweigen von dem gewaltigen Mr. Verling.»

Da erschien auch schon der Leutnant an der Mauer, mit leicht glasigen Augen.»Marsch, ins Boot! Beeilt euch!»

Leise sagte Dancer:»Mein Vater hatte vielleicht doch recht.»

Bolitho wartete, bis die letzten über die steile Leiter in die stampfende Barkasse geklettert waren.

«Mir tut's nicht leid, daß ich wieder an Bord komme«, sagte er. Und zu seiner eigenen Überraschung stimmte das sogar.

Die Fahrt vom Bootshafen bis zu dem vor Anker liegenden Zweidecker dauerte fast eine Stunde. Dabei hatten diejenigen Midshipmen, die nicht zu heftig brechen mußten, ausreichend Zeit, sich ihre neue Heimat anzusehen, die beim Näherkommen immer höher und mächtiger hinter den unbarmherzigen Regenschauern aufragte.

Bolitho hatte sich bemüht, etwas über sein neues Bordkommando zu erfahren. Die Vierundsiebziger, wie diese massigen Zweidecker bei den Seeleuten hießen, bildeten den Kern der Flotte. In jeder großen Seeschlacht dominierten sie dort, wo am heftigsten gekämpft wurde. Aber er wußte aus Erfahrung, und hatte es auch von alten Seeleuten gehört, daß diese Schiffe untereinander so verschieden waren wie Salz und Sirup.

Während die Bootsgasten die Barkasse über die kabbelige See pullten, behielt er das Schiff im Auge. Er sah die himmelhohen Masten mit den dwars stehenden Rahen, den glänzend schwarzen, braun abgesetzten Rumpf mit der Doppelreihe geschlossener Stückpforten; die rote Nationalflagge am hohen Stern und die kleinere Bugflagge, zwei bunte Farbflecke auf dem grauen Hintergrund von See und Himmel. Die Männer an den Riemen wurden allmählich müde von ihrer schweren Arbeit, immer häufiger mußte der Maat den Takt angeben, um sie im Gleichschlag zu halten, und ständig brüllte und schimpfte der rotgesichtige Leutnant.

Jetzt zogen sie unter dem langen Bugspriet und dem Klüverbaum hindurch, von dem die hellvergoldete Galionsfigur fast bösartig auf die stumm dahockenden Midshipmen herabstarrte. Die Galion der Gorgon war ein großartiges, wenn auch erschreckendes Stück Holz-schnitzerei: eine verschlungene Masse von Schlangenleibern, und darunter ein schönes, finsteres Frauenantlitz mit übergroßen Augen; rote Striche in den Lidwinkeln verstärkten noch den drohenden Ausdruck.

Und dann wurden sie alle zusammen, ein keuchender, strampelnder Haufen, ganz unzeremoniell an der Bordwand hochgeschoben und — gehievt, so daß ihnen das breite Achterdeck, auf dem sie schließlich landeten, vergleichsweise wie ein geschützter, ruhevoller Zufluchtsort vorkam.

«Sie sieht ganz ordentlich aus, Martyn«, sagte Bolitho. Geschwind überflogen seine Blicke die sauber ausgerichtete Reihe der Achterdeck-Neunpfünder, deren schwarze Rohre im Regen glitzerten; die Flaggenknöpfe waren frisch gestrichen, jedes Ende Tauwerk sorgfältig aufgeschossen und verstaut.

Oben in den Rahen und an den beiden Decksgängen, welche das Achterdeck mit dem Vorschiff verbanden, arbeiteten Matrosen. Unter den Decksgängen, in gleichmäßigen Abständen, standen die Achtzehnpfünder der Oberdeck-batterie, während auf dem nächstunteren Deck die stärkste Kampfkraft des Schiffes armiert war: die Batterie der mächtigen Zweiunddreißigpfünder. Wenn es nötig war, konnte die Gorgon laut und nachdrücklich mitreden.

«Her zu mir!«brüllte der Leutnant. Die Midshipmen gehorchten eilig. Manche hatten jetzt schon Angst und fühlten sich völlig verloren. Andere paßten auf und bemühten sich, zu erfassen, was von ihnen verlangt wurde.

«Anschließend rücken Sie in Ihre Quartiere. «Der Leutnant mußte sich anstrengen, um das Rauschen des Regens, das ständige Sausen des Windes in der Takelung und den gerefften Segeln zu übertönen.»Vorher will ich Ihnen noch sagen, daß Sie jetzt an Bord eines der besten Schiffe in Seiner Majestät Flotte Dienst tun, ein Schiff mit hohen Anforderungen, das keine Schlappschwänze duldet. An Bord der Gorgon sind insgesamt zwölf Midshipmen — mit Ihnen, heißt das; und falls Muttersöhnchen dabei sind, tun sie gut daran, doppelt hart an sich zu arbeiten, sonst kriegen sie schweren Ärger. Sie werden auf den Geschützdecks und anderswo eingesetzt, bis Sie imstande sind, mit den Leuten zu arbeiten, ohne sich zu blamieren.»

Eben rannten einige Matrosen unter der Aufsicht eines Bootsmannsmaaten von recht hartgesottenem Aussehen vorbei, und Bolitho wandte sich nach ihnen um. Frisch vom Land, allem Anschein nach, dachte er. Aus dem Schuldturm, oder dem Gerichtsgefängnis, wo man sie, wenn die Flotte nicht so dringend Männer gebraucht hätte, bis zu ihrer Deportation in die neuen amerikanischen Kolonien hätte schmoren lassen. Der Menschenhunger der Kriegsmarine war unstillbar, und jetzt im Frieden war es sogar noch schwieriger, die Schiffe ausreichend zu bemannen. Was der Leutnant da gesagt hatte, stimmte eigentlich nicht, dachte Bolitho. Nicht nur die Midshipmen waren neu und ungeübt. Ein erheblicher Teil der Mannschaft war kaum besser.

Er kniff die Augen zusammen, in die der Regen sprühte, und hatte genügend Zeit, darüber zu staunen, was für eine Menge Menschen ein solches Schiff verschlingen konnte. Seines Wissens beherbergte die Gorgon eine Besatzung von über sechshundert Mann — Offiziere, Matrosen und Marine-Infanteristen — in ihrem dicken Siebzehnhunderttonnenbauch; und dabei sah man an Deck immer nur etwa dreißig Mann.

«He, Sie!»

Bolitho fuhr herum, als die Stimme des Leutnants in seine Gedanken schnitt.

«Hoffentlich langweile ich Sie nicht!»

«Entschuldigung, Sir!«antwortete Bolitho.

«Ich werde Sie im Auge behalten!»

Der Leutnant nahm Haltung an, denn von der Kampanje her näherte sich ein anderer Offizier. Das mußte, dachte Bolitho, der Erste Leutnant sein. Mr. Verling war groß und mager, und sein Gesicht war so verkniffen, daß er eher einem Richter beim Verkünden des Todesurteils glich als einem Offizier, der neue Offiziere an Bord begrüßen sollte. Seine schnabelartige Hakennase stach unter dem Dreispitz hervor, als spähe sie nach irgendwelchen Vergehen gegen die Bordroutine aus, und seine Blicke verrieten, als sie über die schwankende Reihe der wartenden Midshipmen glitten, weder Wärme noch Mitgefühl für die Neulinge.

Er sagte:»Ich bin der Dienstälteste an Bord. «Sogar sein Ton war scharf und abgehackt, jedes menschliche Gefühl wie weggehobelt.»Solange Sie an Bord sind«, fuhr er fort,»haben Sie Ihre diversen Pflichten jederzeit zu erfüllen. Ihre Ausbildung und die Vorbereitung auf das Leutnantsexamen werden Sie so in Anspruch nehmen, daß beides schließlich völlig im Vordergrund steht und jeder Müßiggang Ihnen egoistisch und sinnlos vorkommen wird. «Er machte eine Kopfbewegung zu dem anderen Offizier hin.»Mr. Hope ist Fünfter Leutnant und wird sich um Sie kümmern, bis Sie sich in der Wache eingewöhnt haben, der Sie zugeteilt sind. Mr. Turnbull, der Segelmeister,[5] erwartet selbstverständlich erstklassige Leistungen in Navigation und allgemeiner Seemannschaft. «Seine bohrenden Augen machten bei dem Kleinsten in der Reihe halt, jenem, dem in der Barkasse so schlecht geworden war, und der jetzt aussah, als würde es bei ihm gleich wieder losgehen.

«Und wie heißen Sie?»

«Eden, S-sir.»

«Alter?«Das Wort schnitt wie ein Messer.

«Z-zwölf, Sir.»

«Er stottert ein bißchen, Sir«, sagte Hope. In Gegenwart seines Vorgesetzten schien sich seine Schroffheit etwas gemildert zu haben.

«In der Tat. Ich hoffe, der Bootsmann wird ihm das abgewöhnen, bevor er dreizehn ist — wenn er so alt wird.»

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5

Der für die Navigation des Schiffes verantwortliche Deckoffizier (d. Übs.).