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Vikary verschränkte die Arme, wie Janacek es schon vor ihm getan hatte. »Dies ist meine Behausung, Lorimaar Hoch-Braith. Ihr habt kein Recht, einem Mann gegenüber ruppig aufzutreten, der meiner Einladung gefolgt ist.«

»Eine Einladung, die Ihr selbst nicht aufzuweisen habt, Braith«, fügte Janacek mit giftigem Lächeln hinzu.

Vikary sah zu seinem teyn hinüber und schüttelte abrupt und kräftig den Kopf. »Nein.«

Was mochte hier nur vorgehen? fragte sich Dirk. »Ich komme zu Euch, um mich zu beschweren, Jaantony Hoch-Eisenjade, und wir haben ernste Gespräche zu führen«, brummte der weißgekleidete Kavalare. »Müssen wir vor einem Innenweltler verhandeln?« Er warf Dirk erneut einen bitterbösen Blick zu. »Einem Spottmenschen, wenn ich es mir recht überlege.«

Vikarys Stimme klang ruhig, aber bestimmt, als er antwortete. »Wir haben schon verhandelt, mein Freund.

Ich gab Euch meine Antwort bereits. Meine betheyn steht unter meinem Schutz, ebenso der Kimdissi und jener Mann.« Mit einer raschen Handbewegung zeigte er auf Dirk, dann verschränkte er die Arme wieder. »Und solltet Ihr die Absicht haben, unter ihnen jemand auswählen zu wollen, dann könnt Ihr auch gleich mich nehmen.«

Janacek grinste. »Er ist ebensowenig ein Sportmensch wie die anderen«, sagte der hagere, rotbärtige Kavalare.

»Das ist Dirk t’Larien, korariel von Eisenjade, ob Euch dies gefällt oder nicht.« Janacek wandte den Kopf ganz leicht in Dirks Richtung und deutete auf den Fremden in Weiß. »T’Larien, das ist Lorimaar Rein Winterfuchs Hoch-Braith Arkellor.« »Ein Nachbar von uns«, meldete sich Gwen von der Couch zum ersten Mal zu Wort. »Er wohnt ebenfalls in Larteyn.«

»Weit von Euch fort, Ihr von Eisenjade«, fuhr der andere Kavalare dazwischen. Der Ärger hatte sich tief in sein Gesicht gegraben, und voll kalter Wut bewegten sich seine schwarzen Augen von einem zum anderen, bis sie auf Vikarys Antlitz zur Ruhe kamen. »Ihr seid jünger als ich, Jaantony Hoch-Eisenjade, und Euer teyn ist noch jünger. Freiwillig würde ich mich Euch im Duell nicht stellen. Trotzdem verlangt der Kodex die Einhaltung bestimmter Regeln, wie wohl jeder von uns weiß, und keiner von uns sollte zu weit gehen. Ihr jungen Hochleibeigenen kommt dieser Grenze aber oft gefährlich nahe und, wie ich glaube, die Hochleibeigenen von Eisenjade am häufigsten. Und …« Und ich von allen Hochleibeigenen Eisenjades am allerhäufigsten«, vollendete Vikary die Aussage des anderen.

Arkellor schüttelte den Kopf. »Damals, als ich noch ein verwöhntes Kind in den Festhalten von Braith war, duellierte man sich schon, wenn jemand beim Reden unterbrochen wurde — wie Ihr es gerade bei mir machtet.

Wahrlich, man denkt heute nicht mehr so wie früher. Die Männer von Hoch Kavalaan sind in meinen Augen weich geworden.« Haltet Ihr mich für weich?« fragte Janacek ruhig. Ja und nein, Hoch-Eisenjade. Ihr seid merkwürdig.

Ihr besitzt eine Härte, die Euch niemand bestreiten wird, und das ist gut so. Aber Avalon hat den Gestank der Spottmenschen über Euch gebracht, Euch mit Schwäche und Torheit berührt. Eure betheyn-Schlampe gefällt mir nicht, und Eure sogenannten Freunde gefallen mir auch nicht. Ich wünschte, ich wäre jünger. Dann würde ich im Zorn über Euch kommen und Euch die alte Weisheit des Festhalts wieder lehren, all jene Dinge, die Ihr so leicht vergeßt.«

»Fordert Ihr uns zum Duell heraus?« fragte Janacek.

»Ihr sprecht starke Worte.«

Vikary machte eine beiläufige, abweisende Handbewegung. »Nein, Garse. Lorimaar Hoch-Braith fordert uns nicht zum Duell. Nicht wahr, Freund Hochleibeigener?« Arkellor wartete einige Herzschläge zu lang, bevor seine Antwort kam.

»Nein«, sagte er. »Nein, Jaantony Hoch-Eisenjade, eine Beleidigung war nicht beabsichtigt.«

»Und es wurde keine zur Kenntnis genommen«, sagte Vikary lächelnd.

Der Hochleibeigene von Braith lächelte nicht.

»Glückliches Geschick«, wünschte er mißgelaunt. Mit mächtigen Schritten ging er auf die Tür zu und hielt nur so lange inne, bis Dirk eiligst zur Seite getreten war.

Dann war er hinaus und stieg die Treppe zum Dach hinauf. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloß.

Dirk ging auf die anderen zu, aber die kleine Versammlung war schon in Auflösung begriffen.

Kopfschüttelnd und mit finsterer Miene wandte sich Janacek um und ging in ein anderes Zimmer. Gwen erhob sich bleich und sichtlich mitgenommen, und Vikary ging auf Dirk zu. »Es war nicht gut für Sie, dieser Szene beizuwohnen«, sagte der Kavalare. »Aber vielleicht war es für Sie auch erheiternd. Dennoch bedauere ich Ihre Anwesenheit. Ich würde es nicht gern sehen, wenn Sie wie die Kimdissi über Hoch Kavalaan dächten.«

»Ich habe nichts verstanden«, sagte Dirk. Vikary legte ihm den Arm um die Schulter und führte ihn zum Eßzimmer. Gwen folgte den beiden auf dem Fuße.

»Wovon hat er geredet?«

»Ach, über so manches. Ich werde Ihnen alles erklären.

Aber vorher muß ich noch ein zweites Bedauern zum Ausdruck bringen. Das versprochene Frühstück ist noch nicht zubereitet und für Sie angerichtet.« Er lächelte.

»Ich kann warten.« Sie betraten das Eßzimmer und setzten sich. Gwen war noch immer schweigsam und sah aus, als hätte sie Sorgen. »Wie hat mich Garse genannt?« fragte Dirk. »Kora… was? Was bedeutet das?« Vikary schien zu zögern. »Das Wort heißt korariel. Es ist ein altkavalarisches Wort. Seine Bedeutung hat sich im Lauf der Jahrhunderte verändert. Heute, von Garse oder mir an diesem Ort benutzt, bedeutet es soviel wie ›beschützt‹.

Von uns beschützt, von Eisenjade beschützt.« »Diese Bedeutung wünschst du dir vielleicht, Jaan«, sagte Gwen mit spitzem, aggressivem Unterton in der Stimme. »Sag ihm ruhig, was es wirklich heißt!«

Dirk wartete überrascht. Vikary verschränkte die Arme, seine Augen wanderten von einem zum anderen. »Nun gut, Gwen, wenn du es so wünschst.« Er wandte sich an Dirk. »Die ältere, vollständigere Bedeutung dieses Wortes ist geschütztes Eigentums Ich kann nur hoffen, Sie fassen das nicht als Beleidigung auf. Denn das ist nicht beabsichtigt. Korariel ist ein Begriff, der Leute bezeichnet, die keinem Festhalt angehören und dennoch bewacht und wertgeschätzt werden.« Dirk erinnerte sich an die Dinge, die ihm Ruark in der vergangenen Nacht erzählt hatte, an Worte, die durch den Dunst des grünen Weines nur undeutlich bei ihm angekommen waren. Er fühlte, wie die Wut sich gleich einer roten Flut in seinem Nacken staute, und kämpfte, um sie niederzuhalten. »Ich bin es nicht gewohnt, Eigentum zu sein«, sagte er bissig, »ganz egal, wie sehr man mich schätzt. Und wovor haben Sie die Güte, mich zu beschützen?«

»Vor Lorimaar und seinem teyn Saanel«, sagte Vikary.

Er lehnte sich über den Tisch nach vorn und umfaßte eisern Dirks Arm. »Vielleicht hat Garse das Wort zu voreilig gebraucht, t’Larien. Trotzdem glaubte er, in diesem Moment das Richtige zu tun. Ein überkommenes Wort gegen eine überkommene Auffassung. Falsch — ja, ich sehe ein, was falsch daran ist — ist dieses Wort insofern, weil Sie ein Mensch sind, eine Person, die nur sich selbst gehört. Und doch war es bei einem Mann wie Lorimaar Hoch-Braith angebracht, denn er versteht nur seine eigene Sprache. Wenn Sie dieses Wort so sehr stört, wie ich es auch von Gwen kenne, dann tut es mir schrecklich leid, daß mein teyn diesen Begriff benutzt hat.«