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Riesige Energiemengen werden hier verschwendet, einfach vergeudet. Aber darauf lief es bei Challenge und Larteyn und dem ganzen Festival überhaupt hinaus.

Verschwendung, protzige Schau, um zu zeigen, daß der Rand reich ist und mächtig, Verschwendung im großen Maßstab, wie es auf Menschenwelten vorher noch nie der Fall gewesen ist. Ein ganzer Planet wurde jahrelang umgeformt, danach verließ man ihn einfach wieder.

Verstehst du? Was Challenge anbelangt, so ist das Leben dieser Stadt nur noch leere, automatische Bewegung.

Mittels Kernreaktoren hält sie sich selbst in Gang und verpulvert die Energie in Feuerwerken, die kein Mensch sieht. Jeden Tag erntet sie mit ihren riesigen landwirtschaftlichen Maschinen viele Tonnen Nahrungsmittel, viel zuviel für den Bedarf der wenigen Einsiedler, religiösen Kultisten, verlorengegangenen und verwilderten Kinder, eben derjenigen, die als Strandgut des Festivals in die Stadt gespült wurden. Noch immer schickt Challenge jeden Tag ein Boot nach Musquel, um Fisch aufzunehmen. Natürlich gibt es dort gar keine Fische mehr.« »Stellt die Stimme kein neues Programm auf?«

»Ach, das ist ja der Haken an der ganzen Sache. Die Stimme ist ein Idiot. In Wirklichkeit kann sie gar nicht denken oder sich selbst programmieren. Die Emereli wollten eben die Leute beeindrucken, deshalb hört sich die Stimme so gewaltig und omnipotent an. Verglichen mit den Computern der Akademie auf Avalon oder den Künstlichen Intelligenzen auf Alt-Erde ist sie ein Nichts.

Sie denkt nicht und kann sich demnach auch nicht ändern. Sie macht das, womit sie beauftragt wurde, nicht mehr. Und die Emereli befahlen ihr weiterzumachen, so lange wie möglich der Kälte zu widerstehen. Genau das tut sie.«

Sie sah Dirk an. »Sie hat Ähnlichkeit mit dir. Sie macht noch weiter, lange nachdem ihre Hartnäckigkeit Sinn und Bedeutung verloren hat. Sie läßt nicht locker, obwohl es nichts mehr zu gewinnen gibt. Sie wird auch dann nicht aufgeben, wenn alles gestorben ist.« »Aber bis alles tot ist, darf man nicht lockerlassen«, meinte Dirk. »Darauf kommt es an, Gwen. Gibt es denn eine andere Möglichkeit? Ich bewundere die Stadt, auch wenn es sich dabei um einen derart selbstgefälligen Idioten handelt, wie du sagst.« Sie schüttelte den Kopf. »Das sieht dir ähnlich.« »Da ist noch etwas«, sagte er. »Du trägst alles zu früh zu Grabe, Gwen. Worlorn wird sterben, aber noch ist diese Welt nicht tot. Und wir, nun, wir brauchen auch noch nicht tot zu sein. Was du im Restaurant über Jaan und mich gesagt hast, na ja, darüber solltest du einmal nachdenken. Wäge ab, wieviel für mich und für ihn übriggeblieben ist. Wie schwer der Reif an deinem Arm wiegt« — er zeigte dorthin —, »und welchen Namen du am liebsten tragen würdest, oder besser gesagt, wer dir am ehesten deinen eigenen Namen gibt. Verstehst du?

Dann kannst du mir sagen, was gestorben ist und was noch lebt!«

Diese kleine Ansprache machte ihn recht zufrieden.

Sicher sah sie ein, dachte er, daß er Jenny viel leichter aufgeben konnte und sie Gwen sein ließ, als daß Jaantony sie von einer betheyn zu seinem weiblichen teyn machen würde. Das lag auf der Hand. Aber sie sah ihn nur an und sagte nichts, bis sie die Schleuse erreichten, in welcher der Gleiter wartete. Sie stiegen aus dem kleinen Fahrzeug. »Als wir vier unseren Aufenthaltsort auf Worlorn festlegten, stimmten Garse und Jaan für Larteyn.

Arkin zog den Zwölften Traum vor. Ich habe mich für keine der beiden Städte entschieden. Auch Challenge mit ihrem elektronischen Trubel paßte mir nicht. Ich habe keine Lust, in einem Ameisenhaufen zu leben. Du willst also wissen, was gestorben ist und was noch lebt? Komm mit, dann zeige ich dir meine Stadt.«

Sie waren wieder draußen. Während die kalte Nachtluft sie erschaudern ließ und Challenges leuchtender Turm hinter ihnen entschwand, saß Gwen mit zusammengekniffenen Lippen hinter den Armaturen …

Nun breitete sich wieder tiefe Dunkelheit aus, wie in der Nacht, als die Schaudern der Vergessenen Feinde Dirk nach Worlorn gebracht hatte. Am Himmel zeigte sich nur ein Dutzend Sterne, von denen die meisten noch von sich voranwälzenden Wolken verdeckt wurden. Alle Sonnen waren untergegangen.

Die Stadt der Nacht war groß und sah verschachtelt aus.

Nur wenige Lichter durchbrachen die Dunkelheit, in die sie gebettet war wie ein bleicher Edelstein auf weichem, schwarzem Filz. Als einzige unter den Städten befand sie sich in der Wildnis jenseits der Bergkette, und dort gehörte sie auch hin, in die Wälder der Würger, Geisterbäume und Blauen Witwer. Aus der Schwärze des Waldes wuchsen ihre schlanken, weißen Türme gespenstisch den Sternen entgegen, durch graziös gewundene Brücken, die wie gefrorene Spinnennetze glitzerten, miteinander verbunden. Mitten im Netzwerk der Kanäle, in deren Wasser sich das Licht der Türme und das ferne Funkeln gelegentlich sichtbarer Sterne brach, hielten flache Kuppelbauten ihre einsame Nachtwache. Rings um die Stadt befand sich eine Anzahl seltsamer Gebäude, dürren, knochigen Händen gleich, die in ihrer Verzweiflung den Himmel zu fassen versuchten.

Die Bäume, die man hier erblickte, kamen ohne Ausnahme von den Außenwelten, Gras gab es überhaupt nicht, nur dicke Teppiche trübe fluoreszierenden Mooses.

Und die Stadt sang.

Nie hatte Dirk eine solche Musik gehört. Sie klang unheimlich, zügellos, beinahe unmenschlich und schwoll ständig an und ab. Es war eine düstere Symphonie des Nichts, von sternenlosen Nächten und abgründigen Träumen. Sie setzte sich zusammen aus Klagelauten, Flüstern, Heulen und einem eigentümlich tiefen Ton, der nur als Inbegriff der Traurigkeit gedeutet werden konnte.

Trotz alledem — es war Musik.

Verwundert blickte Dirk zu Gwen hinüber. »Wie ist das möglich?« Während Gwen flog, hatte sie hingebungsvoll den fremdartigen Tönen gelauscht, aber seine Frage riß sie aus ihren Gedanken, und sie lächelte schwach. »Dunkeldämmerung hat diese Stadt erbaut, und die Dunklinge sind seltsame Leute. In den Bergen gibt es einen tiefen Einschnitt, den ihre Wettermacher sich zunutze machten. Jetzt bläst der Wind genau hindurch. In der Stadt bauten sie Spiraltürme, an deren Spitzen sich Löcher befinden. Der Wind spielt die Stadt wie ein Instrument. Dasselbe Stück, immer wieder. Die Wetterkontrollmechanismen verändern die Windrichtung, und mit jeder Änderung beginnen einige Türme ihre| Töne zu pfeifen, während andere verstummen. Die Musik — diese Symphonie — wurde vor Jahrhunderten auf Dunkeldämmerung von einer Komponistin namens Lamiya-Bailis geschrieben. Ein Computer spielt sie, sagt man, indem er die Windmaschinen betreibt. Das seltsame daran ist, daß die Dunklinge eigentlich niemals Computer benutzen und von Technik nur sehr wenig verstehen. Während der Tage des Festivals war auch noch eine andere Geschichte in aller Munde. Eine Art Legende, kann man sagen.

Darin hieß es, daß Dunkeldämmerung eine Welt sei, deren Bewohner gefährlich nahe am Rande geistiger Gesundheit leben. Die Musik von Lamiya-Bailis, der größten Träumerin unter den Dunklingen, war es schließlich, welche die gesamte Kultur in Wahn und Verzweiflung stürzte. Als Strafe, so sagte man, wurde ihr Gehirn am Leben erhalten und tief unter den Bergen von Worlorn an die Windmaschinen angeschlossen, wo es immer und immer wieder sein eigenes Meisterwerk spielen muß.« Sie fröstelte. »Oder wenigstens so lange, bis die Atmosphäre gefriert. Diesen Vorgang können selbst die Wetterwächter von Dunkeldämmerung nicht aufhalten.«

»Die Musik ist…« Dirk fand keine Worte, so sehr war er in das schaurige Lied vertieft. »Sie trifft es genau«, sagte er nach einer Weile. »Worlorns Hymne!«

»Jetzt ist sie zur Musik des Planeten geworden«, sagte Gwen. »Das Lied handelt vom Zwielicht und der anbrechenden Nacht, nach der es kein Morgengrauen mehr gibt, niemals wieder. Ein Lied des Endes. Zur Glanzzeit des Planeten war das Lied fehl am Platze.