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Reine Neugier ließ Dirk die Stadt auf einer Karte Worlorns suchen. Er hatte natürlich keine Möglichkeit, dorthin zu kommen. Er löschte den Wandschirm und ging in die Küche, um sich ein Getränk zu mixen. Als er das Glas absetzte — es enthielt die dicke weiße Milch eines Kimdissitieres, sehr kalt, bitter, aber erfrischend —, trommelte er nervös mit den Fingern auf den Tisch. Seine Rastlosigkeit, der Drang, etwas zu tun, wuchs. Er war hier gefangen und mußte darauf warten, bis einer der anderen zurückkam. Wer das sein würde oder was dann geschah, wußte er nicht. Es war, als hätten ihn die anderen aus Lust und Laune hin und her geschoben seit dem Tag, an welchem er auf der Schaudern der Vergessenen Feinde angekommen war. Er war nicht einmal aus eigenem Willen gekommen, Gwen hatte ihn mit ihrem Flüsterjuwel gerufen, obgleich sie nicht begeistert schien, als er eintraf. Wenigstens das begann er langsam zu verstehen. Sie war in einem äußerst komplizierten Netz gefangen, einem politischen und gleichzeitig emotionalen Netz und anscheinend hatte er sich ebenfalls darin verstrickt und war hilflos jenen Stürmen psychosexueller und kultureller Spannungen ausgesetzt, die sie beide umtobten. Langsam hatte er davon die Nase voll. Plötzlich mußte er an Kryne Lamiya denken. Auf einem sturmgepeitschten Landedeck standen zwei verlassene Gleiter. Bedächtig stellte Dirk sein Glas ab, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und lief zum Wandschirm zurück.

Es war keine schwierige Aufgabe, die Positionen aller Gleiterlandeplätze in Larteyn abzurufen. Auf allen größeren Wohn türmen befanden sich solche Plätze, und tief im Berg unter der Stadt gab es eine öffentliche Garage. Die Stadtdirektion informierte ihn, daß diese Garage durch zwölf unterirdische Aufzüge erreicht werden konnte, die gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt waren. Der verborgene Garagenausgang befand sich inmitten der Felswand, die aus dem Freigelände hochragte. Falls die Kavalaren überhaupt Gleiter in ihrer Stadt zurückgelassen hatten, würde er sie dort finden.

Vom Aufzug ließ er sich ins Erdgeschoß und damit zur Straße bringen. Der Fette Satan hatte den Zenit überschritten und sank dem Horizont entgegen. Wohin der rote Schein fiel, wirkten die Glühsteinstraßen verwaschen schwarz, aber als sich Dirk durch die Schatten zwischen den ebenholzfarbenen Quadertürmen bewegte, konnte er noch das kalte Feuer der Stadt bemerken, jenes sanftrote Glühen des Gesteins, das noch immer nicht ganz erloschen war. Im Sonnenlicht warf er selbst Schatten, zarte, dunkle Geister, die sich linkisch übereinanderlegten — wobei sie sich fast, aber nicht vollständig deckten — und ihm zu schnell auf den Fersen folgten, als daß sie den schlafenden Glühstein zum Leben erweckt hätten. Die ganze Zeit über sah er keinen Menschen, obwohl er dauernd an die Braiths denken mußte und einmal an einem offenbar bewohnten Gebäude vorbeikam. Es handelte sich um ein würfelförmiges Gebäude mit gewölbtem Dach und zwei Eisenpfeilern neben dem Toreingang. An einem der Eisenpfeiler war ein Hund angebunden, der aufgerichtet Dirk glatt überragt hätte. Er hatte leuchtendrote Augen und eine lange, haarlose Schnauze, die Dirk irgendwie an die einer Ratte erinnerte. Das Tier kaute auf einem Knochen herum, aber als Dirk an ihm vorüberging, erhob es sich und knurrte tief und kehlig. Wer auch in dem Gebäude wohnen mochte, der Gedanke an Besucher schien ihm nicht zu behagen.

Die Fahrstühle nach unten funktionierten noch. Es ging abwärts, und das Tageslicht verschwand. In den unteren Gewölbegängen stieg er aus. Hier besaß Larteyn die größte Ähnlichkeit mit den Festhalten auf Hoch Kavalaan. Widerhallende Steingänge mit Wandverkleidungen aus gehämmertem Eisen, Metalltüren, wohin man sah, Zimmer innerhalb von Zimmern. Ein Bollwerk im Fels, hatte Ruark einst gesagt.

Eine Festung, von der kein Teil leicht genommen werden konnte. Aber jetzt war sie verlassen. Die Garage mit ihren zehn Ebenen glich einem matt beleuchteten Parkhaus. Jede Ebene bot tausend Gleitern Platz. Dirk mußte jedoch eine halbe Stunde durch den Staub gehen, bevor er das erste Fahrzeug fand. Er war für ihn nutzlos.

Auch dies war ein Tier-Wagen, und seine groteske Ähnlichkeit mit einer blauschwarzen Riesenfledermaus ließ ihn noch realistischer und furchteinflößender als Jaan Vikarys doch recht stilisierten Manta-Banshee erscheinen. Eine der modischen Fledermausschwingen war verbogen und halb abgeschmolzen, vom Gleiter selbst war nur mehr der Rumpf intakt. Die Armaturen, das Triebwerk und die Bordwaffen waren verschwunden.

Dirk nahm an, daß auch der Antischwerkraftgenerator nicht mehr vorhanden war, obwohl er das Wrack nicht von unten inspizieren konnte. Er ging einmal prüfend herum, das reichte.

Der zweite Gleiter war in noch schlimmerem Zustand.

Ihn konnte man kaum noch als Luftwagen erkennen.

Außer einem blanken Metallrahmen und vier verrotteten Sitzen inmitten von wirrem Röhrengestänge war nichts geblieben — ein Metallskelett, selbst seiner Haut beraubt.

Auch an ihm ging Dirk vorbei. Die beiden nächsten Wracks waren intakt, aber leider ebenfalls nicht zu gebrauchen. Er konnte nur vermuten, daß ihre Besitzer hier auf Worlorn gestorben waren, während die Gleiter mit eingeschalteten Maschinen, in der Tiefe der Stadt völlig vergessen, summten, bis ihre Energiereserven aufgebraucht waren. Beide versuchte er zu starten, aber keiner sprach auf seine Bemühungen an.

Der fünfte Wagen hingegen — nun war eine volle Stunde vergangen - sprang schnell an.

Der bullige Zweisitzer war durch und durch kavalarisch. Seine kurzen Deltaflügel sahen sogar noch nutzloser aus als die Flügel anderer Luftwagen aus Hoch Kavalaans Industriewerken. Er war in Weiß und Silber gehalten, und das Metallverdeck besaß die Form eines Wolfskopfes. An beiden Seiten des Rumpfes waren Laserkanonen angebracht. Der Gleiter war nicht abgeschlossen. Dirk drückte gegen das Verdeck und schwenkte es nach hinten auf. Er stieg hinein, ließ es wieder einrasten und blickte mit gequältem Lächeln aus den großen Wolfsaugen. Dann bediente er die Armaturen. Der Gleiter sprang sofort an.

Stirnrunzelnd schaltete er den Antrieb wieder ab und lehnte sich zurück, um nachzudenken. Er hatte das Transportmittel gefunden, das er suchte — falls er wagte, es zu nehmen. Aber er durfte sich nichts vormachen.

Dieser Wagen war kein verlassener Schrotthaufen wie die anderen. Dafür war sein Zustand viel zu gut.

Zweifellos gehörte er einem der anderen Kavalaren, die sich noch immer in Larteyn befanden. Falls die Farben eine Bedeutung hatten — er war sich darüber nicht ganz im klaren —, gehörte er wahrscheinlich Lorimaar oder einem anderen Braith. Ihn an sich zu nehmen, war auf längere Zeit sicher nicht das gesündeste. Dirk erkannte die Gefahr und wog die Vor- und Nachteile ab. Die Aussicht, noch länger warten zu müssen, stimmte ihn mißmutig, aber die drohende Gefahr behagte ihm noch weniger. Jaan Vikary hin, Jaan Vikary her, den Diebstahl ihres Gleiters würden die Braiths nicht tatenlos hinnehmen.

Widerwillig schob er das Verdeck zurück und stieg aus.

Einen Augenblick später hörte er die Stimmen. Als er das Verdeck wieder schloß, rastete es mit leisem, aber deutlich vernehmbarem Klicken ein. Dirk bückte sich und huschte um den Wolfsgleiter herum auf eine Sicherheit versprechende düstere Ecke zu.

Lange bevor er sie sah, konnte er die Kavalaren reden und ihre Fußtritte hallen hören. Es waren nur zwei, aber sie machten einen Lärm wie zehn. Als sie die beleuchtete Stelle erreichten, wo der Gleiter stand, hatte sich Dirk längst in eine Mauernische gedrückt, eine schmale Aussparung in der Garagenwand, die voller Haken war, an denen einst Werkzeuge gehangen haben mußten. Er wußte nicht recht, warum er sich versteckte, aber er war sehr froh darüber. Was ihm Gwen und Jaan von den anderen Bewohnern Larteyns erzählt hatten, konnte ihn nicht gerade dazu bringen, sich sicher zu fühlen.

»Weißt du das genau, Bretan?« sagte der Größere gerade, als die beiden Männer in Sicht kamen. Es war nicht Lorimaar, aber die Ähnlichkeit war frappierend.