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Sie kletterte hinein. Ruark folgte ihr etwas verlegen und sprang über den gepanzerten Flügel nach hinten.

Dirk rührte sich nicht. »Aber der Wagen ist mit Lasern ausgerüstet!« beharrte er. Gwen seufzte. »Sie sind nicht geladen, und waren es auch noch nie. Jedes Fahrzeug, das auf Hoch Kavalaan gebaut wird, trägt Waffen ir-gendwelcher Art. Es ist so üblich in dieser Kultur. Und es betrifft nicht nur Eisenjade. Rotstahl, Braith und der Shanagate-Trutz sind sich in dieser Beziehung alle gleich.«

Dirk ging um den Gleiter herum und stieg neben Gwen ein, aber sein Gesichtsausdruck zeigte Verblüffung.

»Was waren das für Namen?« »Das sind die vier kavalarischen Festhaltkoalitionen«, erklärte sie.

»Betrachte sie als kleine Nationen oder als große Familien. Sie haben von beidem etwas.« »Aber warum die Laser?«

»Hoch Kavalaan ist ein Planet mit einer gewalttätigen Tradition und Praxis«, erwiderte Gwen.

Ruark ließ ein schnaubendes Gelächter verlauten. »Oh, Gwen«, sagte er. »Das ist völlig falsch, völlig!«

»Falsch?« fragte sie.

»Genau«, antwortete Ruark. »Total falsch, obwohl du der Wahrheit ganz nahe bist. Aber die halbe Wahrheit ist die schlimmste Lüge, die es gibt.«

Dirk wandte sich in seinem Sitz um und sah den rundlichen, blonden Kimdissi an. »Was?«

»Hoch Kavalaan war ein gewalttätiger Planet, in der Tat. Aber Tatsache ist, daß heute die Gewalttätigkeit allein bei den Kavalaren liegt. Feindselige Leute, einer wie der andere. Oft sind es Feinde allen Lebens.

Rassisten, stolz und eifersüchtig. Sie führen Luftkriege und leben für ihre Duellrituale. Ja, und deshalb haben kavalarische Gleiter Waffen. Um damit zu kämpfen, in der Luft, überall. Ich warne Sie, t’Larien …« »Arkin!«

Gwen stieß das Wort zwischen den Zähnen hervor, und Dirk stutzte über die Schärfe in ihrem Ton. Sie warf unvermittelt den Schwerkraftneutralisator an und berührte das Steuer. Der Luftgleiter ruckte vorwärts und hob mit protestierendem Heulen schnell steigend vom Boden ab. Der Hafen unter ihnen war dort hell erleuchtet, wo die Schaudern der Vergessenen Feinde zwischen kleineren Sternschiffen stand, lag ansonsten aber im Schatten. Ringsum war es dunkel, bis hin zum unsichtbaren Horizont, wo sich schwarzer Boden und noch schwärzerer Himmel trafen. Nur dünner Sternenstaub legte einen schwachen Leuchtfilm über das Himmelsgewölbe. Das war der Rand, darunter erstreckte sich der intergalaktische Raum, darüber der düstere Vorhang von Tempters Schleier. Und die Einsamkeit dieser Welt war stärker als alles, was Dirk je an Einsamkeit erfahren hatte.

Beklemmende Stille lag lange Minuten über dem Gleiter. Ruark hatte sich zurückgelehnt.

»Arkin stammt eben von Kimdiss«, sagte Gwen schließlich und rang sich ein Lächeln ab. Dirk kannte sie jedoch zu gut, um sich hierdurch täuschen zu lassen. Sie war keinen Deut weniger erregt als zuvor bei dem Ausbruch.

»Ich verstehe das nicht«, sagte Dirk, der sich ziemlich dumm vorkam, zumal man Verständnis von ihm zu erwarten schien. »Sie sind kein Außenweltler«, sagte Ruark. »Avalon, Baidur — es spielt keine Rolle, von welcher Welt Sie kommen. Wer im Schleier lebt, kennt die Kavalaren nicht.«

»Wie die Kimdissi«, sagte Gwen, jetzt schon etwas ruhiger. Ruark grunzte. »Sarkasmus«, erklärte er Dirk.

»Kimdissi und Kavalaren sind … Nun, wir kommen nicht gut miteinander aus, wissen Sie? Deshalb erzählt Ihnen Gwen, ich sei voller Vorurteile und man könne mir nicht glauben.«

»Ja, Arkin«, sagte sie. »Dirk, er kennt Hoch Kavalaan nicht, versteht weder die Kultur noch die Leute. Wie alle Kimdissi wird er dir nur das Schlimmste erzählen. Aber alles ist weitaus komplexer, als er zugeben würde. Denke bitte daran, wenn dieser glattzüngige Halunke damit beginnt, dich zu bearbeiten. Er macht es sich zu leicht.

Hast du mir in alten Zeiten nicht klargemacht, daß jedes Problem mindestens dreißig Seiten hat?«

Dirk lachte. »Recht ordentlich«, sagte er, »und wahr.

Obwohl ich in den letzten paar Jahren zu der Auffassung gekommen bin, daß die Zahl dreißig ein bißchen tief gegriffen ist. Aber ich verstehe immer noch nicht, was hier eigentlich gespielt wird. Zuerst der Gleiter — hängt er mit deinem Job zusammen? Oder mußt du so etwas fliegen, nur weil du für die Eisenjadeversammlung arbeitest?« »Irrtum«, rief Ruark aus. »Man arbeitet nicht für die Eisenjadeversammlung, Dirk. Nein, entweder ist man einer von ihnen — oder man ist es nicht. Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten. Gehört man nicht zu Eisenjade, arbeitet man auch nicht für Eisenjade!« »Ja«, sagte Gwen, und die Schärfe kehrte in ihre Stimme zurück. »Und ich gehöre zu Eisenjade. Ich wünschte, du würdest dich daran erinnern, Arkin. Langsam gehst du mir auf die Nerven.«

»Gwen, Gwen«, sagte Ruark, und es klang sehr verstört. »Du bist doch eine Freundin, eine verwandte Seele. Wir haben große Probleme bewältigt, wir beide zusammen. Ich würde dich niemals beleidigen, würde nicht einmal im Traum daran denken. Dennoch bist du keine Kavalarin, wirst es nie sein. Dafür bist du viel zu sehr Frau, eine echte Frau — und weder eine eyn-kethi noch eine betheyn.«

»Nein? Bin ich das nicht? Trage ich nicht den Jade-und-Silber-Bund?« Sie blickte Dirk an und senkte die Stimme. »Für Jaan«, sagte sie. »In Wirklichkeit ist dies sein Gleiter. Und deshalb fliege ich damit — um deine frühere Frage zu beantworten. Für Jaan.«

Schweigen. Die einzigen Geräusche verursachte der Wind, der sie bei ihrer rasenden Fahrt hinauf in die Dunkelheit heulend begleitete und dabei an Gwens langem, glatten Haar und Dirks Locken zerrte. Er schnitt durch die dünne Braquekleidung. Dirk wunderte sich flüchtig, warum der Luftwagen kein Kabinendach besaß.

Die dünne Windschutzscheibe nützte fast überhaupt nichts. Dann verschränkte er die Arme fest vor seiner Brust und ließ sich auf seinem Sitz nach vorn gleiten.

»Jaan?« fragte er leise. Nur eine Frage. Er wußte, daß die Antwort kommen würde, und er fürchtete sich davor. Der Grund war die Art, wie Gwen den Namen ausgesprochen hatte, diese Mischung aus Zärtlichkeit und Herausforderung. »Er weiß es nicht«, sagte Ruark.

Gwen seufzte, und Dirk spürte ihre Erregung. »Es tut mir leid, Dirk. Ich glaubte, du seist im Bilde. Es ist schon so lange her. Ich dachte … Nun, ich dachte, einer von den Leuten, die wir beide damals auf Avalen kannten, einer von ihnen hätte es dir sicherlich erzählt.« »Ich sehe keinen mehr von denen, die wir gemeinsam kannten.

Weißt du, ich reise sehr viel. Braque, Prometheus, Jamisons Welt.« Seine Stimme klang ihm selbst hohl und albern in den Ohren. Er hielt inne und schluckte. »Wer ist Jaan?«

»Jaantony Riv Wolf Hoch-Eisenjade Vikary«, sagte Ruark. »Jaan ist mein …« Sie zögerte. »Es läßt sich nicht so leicht erklären. Ich bin betheyn von Jaan und cro-betheyn von seinem teyn Garse.« Sie sah ihn an, richtete den Blick dann aber wieder rasch auf die Instrumente des Gleiters. Dirks Gesicht spiegelte kein Verständnis.

»Ehemann«, sagte sie dann, achselzuckend. »Tut mir leid, Dirk. Das stimmt nicht so ganz, aber ich kann es mit einem anderen Wort nicht treffender ausdrücken. Jaan ist mein Ehemann.«

Dirk, der mit gekreuzten Armen tief in seinem Sitz kauerte, sagte nichts. Ihm war kalt, er fühlte sich verletzt, und er fragte sich, wieso er überhaupt hier war. Dann fiel ihm das Flüsterjuwel wieder ein, und er wunderte sich noch mehr. Sie hatte sicher ihre Gründe, nach ihm zu schicken, und würde zu gegebener Zeit sicherlich ihr Herz ausschütten.