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Er hatte ja wirklich nicht erwarten können, daß sie allein war. Am Raumhafen hatte er sogar einen Augenblick geglaubt, daß vielleicht dieser Ruark … Und es hatte ihm nicht viel ausgemacht.

Weil er allzulange geschwiegen hatte, wandte sich ihm Gwen erneut zu.

»Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Wirklich, Dirk. Du hättest niemals kommen sollen.«

Und er dachte, wie recht sie doch hatte.

Die drei flogen dahin, ohne miteinander zu sprechen.

Worte waren gesagt worden, aber nicht jene Worte, die Dirk gern gehört hätte, sondern Worte, die nichts verändert hatten. Er war hier auf Worlorn, und Gwen war immer noch neben ihm, obwohl sie plötzlich eine Fremde für ihn war. Sie waren sich beide fremd. Mit seinen Gedanken allein gelassen, saß er in seinem Sitz versunken, während ihm ein kalter Wind über das Gesicht strich.

Auf Braque hatte er dummerweise geglaubt, das Flüsterjuwel sei ein Zeichen ihrer Sehnsucht nach ihm und das Signal für einen neuen Beginn. Ihn hatte nur eine einzige Frage bewegt: Würde er dem Ruf folgen und zu ihr zurückkehren, konnte Dirk t’Larien überhaupt noch lieben oder geliebt werden? Aber darauf kam es überhaupt nicht an, wie er nun wußte.

Sende dieses Andenken. Ich werde kommen, und es wird keine Fragen geben. Dies war das Versprechen, das einzige Versprechen. Nichts weiter.

Er wurde ärgerlich. Warum tat sie ihm das an? Sie hatte das Juwel gehalten und seine Gefühle gespürt. Sie hätte es sich doch denken können. Es konnte für sie keinen zwingenden Grund geben, der den Preis dieser Erinnerung wert war.

Dann beruhigte sich Dirk t’Larien wieder. Er hielt die Augen fest geschlossen und konnte den Kanal auf Braque sehen, den einsamen schwarzen Kahn, der einen Moment lang wichtig zu sein schien. Und er dachte zurück an seinen Entschluß, es noch einmal zu versuchen. Zu sein, wie er einst gewesen war. Zu ihr zu kommen und zu geben, was er zu geben vermochte, was immer sie benötigen würde — für sie und für sich selbst.

Mit einem Ruck nahm er die Arme auseinander, öffnete die Augen und setzte sich aufrecht in den schneidenden Wind. Dann sah er Gwen voll ins Gesicht und lächelte sein altes, scheues Lächeln. »Ach, Jenny«, sagte er. »Mir tut es auch leid. Aber das macht nichts. Ich wußte nicht Bescheid, aber nun ist es egal. Ich bin froh, daß ich gekommen bin, und du solltest es auch sein. Sieben Jahre sind eine zu lange Zeit, nicht, wahr?«

Sie sah ihn an, blickte dann wieder auf die Instrumente und leckte nervös ihre Lippen. »Ja. Sieben Jahre sind zu lang, Dirk.« »Werde ich Jaan begegnen?« Sie nickte.

»Und auch Garse, seinem teyn.«

Irgendwo unter ihnen hörte er das Rauschen von Wasser, wohl ein Fluß, verloren in der Dunkelheit. Ein flüchtiger Eindruck nur, denn sie flogen sehr schnell.

Dirk blickte prüfend über die Seitenwand des Gleiters, den Flügel entlang, hinunter in die ätzende Schwärze, dann wieder hoch. »Ihr braucht mehr Sterne«, sagte er nachdenklich. »Ich fühle mich, als würde ich erblinden.«

»Ich weiß, was du meinst«, sagte Gwen. Sie lächelte, und ganz plötzlich fühlte sich Dirk weit besser als die ganze Zeit zuvor. »Erinnerst du dich an den Himmel auf Avalon?« fragte er. »Ja, natürlich.«

»Die vielen Sterne dort! Es war eine schöne Welt.«

»Auch Worlorn hat seine Schönheiten«, sagte sie. »Was weißt du von dieser Welt hier?«

»Wenig«, erwiderte Dirk, der sie unverwandt ansah.

»Ich habe von dem Festival gehört, und daß der Planet ein Einzelgänger ist — aber nicht viel mehr. Eine Frau auf dem Schiff erzählte mir, daß Tomo und Walberg ihn auf ihrer Reise ans Ende der Galaxis entdeckten.« »Das stimmt wohl nicht so ganz«, sagte Gwen. »Aber die Geschichte besitzt einen gewissen Reiz. Auf irgendeine Art hat alles, was du sehen wirst, mit dem Festival zu tun. Das gilt für den ganzen Planeten. Alle Randwelten nahmen teil, und jede Stadt hier spiegelt eine ihrer Kulturen wider. Es gibt vierzehn Städte, stellvertretend für die vierzehn Welten des Randes. Dazwischen findest du den Raumhafen und das Freigelände, das zu einem Park ausgebaut wurde. Wir überfliegen es gerade. Es ist nicht sehr interessant, auch nicht am Tage. Aber während des Festivals wurden dort Jahrmärkte und Spiele veranstaltet.« »Wo ist dein Arbeitsgebiet?«

»In der Wildnis«, antwortete Ruark an ihrer Stelle.

»Hinter den Städten, jenseits der Gebirgskette.« »Dort hinten«, rief Gwen. Dirk sah auf und konnte am Horizont vage eine Reihe von Bergen ausmachen, eine schroffe, schwarze Barriere, die dem Freigelände entwuchs und die tiefer gelegenen Sterne verdeckte. Ein Funke blutroten Lichts glimmte an einem der Gipfel. Während sie sich ihm näherten, schien er immer größer, mächtiger und höher zu werden, die Leuchtkraft des Lichtes veränderte sich jedoch nicht. Es blieb bei einem trüben, drohenden Rot, das Dirk irgendwie an das Flüsterjuwel erinnerte. »Meine Heimat«, verkündete Gwen, als das Licht anschwoll. »Die Stadt Larteyn. Lar bedeutet auf altkavalarisch Himmel. Es ist die Stadt Hoch Kavalaans.

Manche Leute nennen sie auch die Feuerfeste.« Mit einem Blick erkannte er den Grund dafür. In den Bergrücken hineingebaut, auf allen Seiten von Fels umgeben, stellte die Stadt mit ihrem massigen, quaderförmigen Äußeren, ihren dicken Mauern und den schießschartenähnlichen Fenstern tatsächlich so etwas wie eine Festung dar. Selbst die Türme, die sich hinter den Stadtmauern erhoben, schienen wuchtig und solide.

Direkt hinter ihnen erhob sich drohend der Berg, sein dunkles Gestein wie blutbefleckt vom reflektierten Licht.

Aber was auf den Mauern und Straßen von Larteyn glühte, war kein Lichtreflex, sondern ein Feuer, das von innen heraus strahlte. »Glühstein«, beantwortete Gwen seine unausgesprochene Frage. »Am Tage absorbiert er Licht, das nachts wieder abgestrahlt wird. Auf Hoch Kavalaan wird er fast ausschließlich zur Schmuckherstellung verwendet, aber aus Anlaß des Festivals baute man ihn tonnenweise ab und verschiffte ihn nach Worlorn.«

»Eindrucksvoll barock«, bemerkte Ruark.

»Eindrucksvoll kavalarisch.« Dirk nickte nur.

»Du hättest die Stadt in früheren Zeiten erleben müssen«, sagte Gwen. »Am Tage trank Larteyn von den sieben Sonnen, und bei Nacht erleuchtete sie die Berge wie ein Feuerdolch. Jetzt verblassen die Steine — denn mit jeder Stunde entfernen wir uns weiter vom Rad. In zehn Jahren wird die Stadt so dunkel wie ein verkohltes Holzscheit sein.« »Sie kommt mir nicht sehr groß vor.

Wieviel Menschen lebten in ihr?«

»Eine Million waren es damals. Man sieht nur die Spitze eines Eisberges. Die Stadt wurde in den Fels hineingebaut.«

»Echt kavalarisch«, sagte Ruark. »Ein sicherer Schlupfwinkel, eine Feste im Stein. Aber jetzt ist sie verlassen. Nach der letzten Zählung wird sie noch von zwanzig Leuten bewohnt, uns eingeschlossen.« Der Luftwagen ließ den Steilhang am Rande des breiten Felsplateaus hinter sich, überflog die äußere Mauer und senkte sich in flachem Winkel auf die Stadt hinab, vorbei an Felsen und Glühstein. Unter sich bemerkte Dirk breite Gehwege, ganze Reihen von im Wind schaukelnden Wimpeln und große, gemeißelte Wasserspeier mit brennenden Glühsteinaugen. Die Gebäude waren aus weißem Stein und schwarzem Ebenholz. An ihren Fronten reflektierten sich die Felsfeuer in langen roten Streifen, wie Wunden im Fell einer unförmigen Bestie.

Sie flogen über Türme, Kuppeln und Straßen hinweg, über sich windende Gassen und großzügige Boulevards, offene Höfe und ein riesiges Freilufttheater mit einem Meer von Sitzplätzen.

Leer, alles leer. Nicht eine Gestalt bewegte sich auf den rotgetränkten Wegen Larteyns.

Gwen flog in einer Spirale zum Dach eines vierkantigen schwarzen Turmes hinab. Während sie kurz ohne Bewegung verharrten, als Gwen die Antischwerkraft für die Landung drosselte, bemerkte Dirk zwei andere Gleiter auf dem Landeplatz unter ihnen: eine schnittige gelbe Träne und einen martialisch anmutenden, sehr alten Militärgleiter, dem die Jahrhunderte harten Einsatzes anzumerken waren. Er war olivgrün, klobig und stark gepanzert. Aus dem vorderen Verdeck ragte eine Laserkanone, und aus dem Heck stachen Impulsröhren hervor. Sie landeten ihren metallenen Flugrochen zwischen den beiden Luftwagen und stiegen alle drei aus. Als sie bei den Aufzügen anlangten, drehte sich Gwen um und sah Dirk mit einem im brütenden Rotlicht fremdartig brennenden Gesicht an.