Dirk bewegte sich unruhig auf seinem Sitz. »Und Sie meinen, daß Ruark …«
»Ich meine gar nichts«, unterbrach ihn Janacek.
»Ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse. Meine brauchen Sie nicht zu übernehmen. Gwen Delvano habe ich das früher auch alles gesagt. Weil sie meine cro-betheyn war und ich mich um sie sorgte. Sie war ziemlich erheitert. Die Geschichte, meinte sie, besage überhaupt nichts. Arkin Ruark stünde nur für sich selbst und nicht für einen Archetypus der Außenweltgeschichte. Dann weihte sie mich ein. Er war ihr Freund, mußte ich hören, und dieser Bund, diese Freundschaft« — seine Stimme ätzte wie Säure, als er dieses Wort aussprach — »wog irgendwie mehr als die Tatsache, daß er ein Lügner und Kimdissi war. Gwen empfahl mir, die Geschichte meines eigenen Volkes anzusehen. Falls die bloße Tatsache, als Kimdissi geboren zu werden, aus Arkin Ruark einen Manipulator mache, dann sei ich ein Sammler von Spottmenschenköpfen, weil ich ein Kavalare bin.« Dirk überlegte kurz. »Da hatte sie nicht ganz unrecht«, sagte er leise. »Oh? Tatsächlich?«
»Ihr Argument war richtig«, sagte Dirk. »Wie es scheint, täuschte sie sich in Ruark, aber im allgemeinen …«
»Im allgemeinen ist es besser, allen Kimdissi zu mißtrauen«, sagte Janacek selbstsicher. »Man hat Sie betrogen und ausgenutzt, t’Larien, und Sie ziehen keine Lehren daraus. Sie gleichen Gwen aufs Haar. Genug davon jetzt.«
Mit dem Knöchel seines Zeigefingers pochte er auf einen der Sichtschirme. »Die Berge liegen direkt vor uns.
Nun dauert es nicht mehr lange.«
Dirk hielt sein Lasergewehr krampfhaft umfaßt. Er begann zu schwitzen und mußte die Handflächen an der Hose abwischen. »Haben Sie einen Plan?«
»Ja«, sagte Janacek grinsend. Und damit lehnte er sich zu Dirk hinüber und schnappte sich den Laser von Dirks Beinen. »Es ist in Wirklichkeit ein ganz einfacher Plan«, fuhr er fort und setzte die Waffe außer Reichweite vorsichtig ab. »Ich werde Sie Lorimaar übergeben.«
12
Dirk war kaum überrascht. Unter seinen Kleidern schmiegte sich das Flüsterjuwel kalt an seine Haut und erinnerte ihn an vergangene Versprechen und vergangene Treuebrüche. Nun waren sie ihm fast gleichgültig. Er verschränkte die Arme und wartete.
Janacek sah enttäuscht aus. »Es scheint Sie nicht schwer zu treffen«, sagte er.
»Es spielt keine Rolle, Garse«, antwortete Dirk. »Ich habe den Tod erwartet, als ich Kryne Lamiya verließ.« Er seufzte. Janacek antwortete nicht gleich, seine blauen Augen schätzten Dirk vorsichtig ab. »Sie verändern sich, t’Larien«, sagte er schließlich. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. »Kümmert Sie Jaan Vikarys Schicksal tatsächlich mehr als Ihr eigenes?«
»Wie soll ich das wissen?« sagte Dirk. »Wie geht Ihr Plan weiter?« Janacek zog die Stirn in Falten.
»Ursprünglich erwog ich, eine Landung mitten im Lager der Braiths, eine direkte Konfrontation. Das schien mir aber nicht gut genug zu sein. Meine Todessehnsucht ist noch nicht so weit gediehen wie die Ihre. Theoretisch hätte ich einen oder mehrere der Jäger zum Duell fordern können, aber das wäre als Unterstützung eines Kriminellen ausgelegt worden, der außerhalb aller Bünde steht. Sie hätten sich mir niemals zum Kampf gestellt. Im Augenblick ist mein eigener Status unbedeutend. Nach meinem Reden und Handeln in Challenge stufen mich die Braiths als menschlich, aber ehrlos ein. In ihren Augen würde ich mich selbst verdammen, wenn ich offen danach trachtete, Jaan zu helfen. Die Höflichkeiten des Kodexes hätten nicht länger Gültigkeit. Ich würde selbst zum Kriminellen, zum potentiellen Spottmenschen werden.
Als zweite Alternative kam ein plötzlicher Überfall auf sie in Betracht. Ohne Warnung zuzuschlagen und so viele wie möglich zu töten. Bis jetzt bin ich aber noch nicht so verdorben, diese Möglichkeit ernsthaft zu erwägen.
Gegen ein solches Verbrechen würde selbst das, was Jaan mit Myrik gemacht hat, sauber aussehen.
Das beste wäre natürlich, wenn wir Jaan ausfindig machen und ihn heimlich und sicher abtransportieren könnten. Dafür sehe ich aber wenig Hoffnung. Die Braiths haben Hunde, wir haben keine. Sie sind erfahrene Jäger und Fährtenleser, besonders Pyr Braith Oryan und Lorimaar Hoch-Braith. Ich bin auf diesem Gebiet weniger geübt, und Sie sind nutzlos. Alles spricht dafür, daß sie Jaan vor uns finden würden.« »Also?« sagte Dirk.
»Indem ich Jaan überhaupt helfe, erweise ich mich schon als falscher Kavalare«, bemerkte Janacek in leicht besorgtem Tonfall. »Deshalb werde ich auch noch ein bißchen falscher sein. Darin liegt unsere beste Chance.
Wir fliegen ganz unverblümt zu ihnen, und ich werde Sie ausliefern, wie ich gesagt habe. Dieser Akt sollte mich in ihrer Gunst wieder steigen lassen. Dann werde ich mich an der Jagd beteiligen und nach Kräften versuchen, dem Morden Einhalt zu gebieten. Vielleicht kann ich einen Streit provozieren oder auf eine andere Art und Weise einige Braiths zum Duell fordern, ohne daß sofort meine Absicht enthüllt wird, Jaan Vikary zu beschützen.« »Sie könnten den kürzeren ziehen«, warnte Dirk. Janacek nickte. »Das ist richtig. Ich könnte verlieren. Aber ich glaube nicht daran. Im Zweikampf stellt nur Bretan Braith Lantry einen gefährlichen Gegner dar. Er und sein teyn befinden sich jedoch nicht unter den Jägern, falls Sie alle Gleiter gesehen und richtig erkannt haben. Lorimaar ist ein fähiger Mann, aber Jaan hat ihn in Challenge verwundet. Pyr ist schnell und mit seinem kleinen Stock recht talentiert, aber Klingen oder Handfeuerwaffen liegen ihm nicht. Sonst gibt es nur noch alte Männer oder Schwächlinge. Ich würde nicht verlieren.« »Und falls Sie die Braiths nicht zu Duellen bewegen können?« »Dann kann ich in der Nähe sein, wenn sie Jaan hetzen.«
»Und dann?«
»Ich weiß nicht. Aber sie werden ihn nicht erwischen.
Das kann ich Ihnen versprechen, t’Larien. Sie werden ihn nicht erwischen!« »Und was wird in der Zwischenzeit aus mir?«
Janacek sah zu ihm herüber, und wieder betrachteten ihn die blauen Augen gedankenvoll. »Sie werden in großer Gefahr sein«, sagte der Kavalare, »aber ich glaube nicht, daß Sie auf der Stelle umgebracht werden, ganz besonders dann nicht, wenn ich sie gebunden und hilflos abliefere. Sie wollen bestimmt eine Jagd mit Ihnen veranstalten. Wahrscheinlich wird Pyr Besitz auf Sie anmelden. Ich hoffe, man nimmt Ihnen die Fesseln ab, zieht Sie nackt aus und läßt Sie in den Wald rennen.
Wenn einige Jagd auf Sie machen, sind es schon weniger, die hinter Jaan herhetzen. Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit. In Challenge gerieten Pyr und Bretan über Sie beinahe in Streit. Sollte sich Bretan jemals den Jägern anschließen, dann stehen die Chancen gut, daß dieser Konflikt wieder auflebt. Davon können wir nur profitieren.« Dirk lächelte. »Dein Feind hat seinerseits einen Feind«, sagte er sardonisch.
Janacek verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich bin kein Arkin Ruark«, sagte er. »Ich helfe Ihnen, so gut ich kann. Bevor wir das Lager der Braiths anfliegen, werden wir — ungesehen, wenn es geht — eine Zwischenlandung machen. Der abgestürzte, ausgebrannte Gleiter, den Sie sahen, wird unser Ziel sein. Wir verstecken Ihren Laser im Wrack. Dann, nachdem man Sie freigelassen hat und Sie nackt durch den Wald rennen, müssen Sie versuchen, die Waffe zu erreichen und Ihre Verfolger zu überraschen.« Er zuckte die Achseln. »Ihr Leben kann davon abhängen, wie schnell und in welche Richtung Sie laufen, und ob Sie mit Ihrem Gewehr im entscheidenden Augenblick treffen.« »Und ob ich töten kann«, fügte Dirk hinzu.