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Sie kamen voller Lügen zurück, behaupteten, daß wir uns auf diese oder jene Weise zu verändern hätten und daß so vieles von unserem alten Kodex schändlich sei — wo er uns doch so lange zum Stolz gereichte. Sagt mir, Eisenjade, habe ich unrecht?«

Garse sagte nichts. Er verschränkte die Arme eng vor der Brust. »Jaan Vikary, einst Hoch-Eisenjade, war der größte Veränderer, dieser Lügner. Ihr kamt nicht weit hinter ihm«, sagte Lorimaar. »Ich war niemals auf Avalon«, gab Janacek einfach zurück. »Antwortet mir«, schaltete sich Pyr wieder ein. »Habt Ihr und Vikary nicht danach getrachtet, die alten Wege zu verändern? Habt ihr nicht jene Teile des Kodexes verlacht, die von Euch abgelehnt wurden?« »Ich habe niemals den Kodex gebrochen«, sagte Janacek. »Jaan allerdings … Jaan hatte manchmal …« Er brach ab. »Er gibt alles zu«, sagte der dicke Saanel.

»Wir haben uns abgesprochen«, sagte Roseph mit ruhiger Stimme. »Wenn Hochleibeigene außerhalb des Kodexes töten dürfen, wenn die Dinge, die wir als wahr ansehen, verändert und mißachtet werden, dann können auch wir uns ändern, um die falschen Weisheiten zu vermeiden. Wir sind nicht mehr an Braith gebunden, Eisenjade. Braith ist der beste unter den vier Festhalten, aber das reicht nicht aus. Unsere alten kethi haben sich zu viele der zuckrigen Lügen zu Herzen genommen. Wir werden uns nicht länger davon verwirren lassen. Wir werden zu jenen alten, wahren Grundsätzen zurückkehren, die Bestand hatten, bevor Bronzefaust fiel.

Die in die Tage zurückreichen, da Eisenjade und Taal und der Tiefkohlenhort in den Lameraanbergen gemeinsam gegen die Dämonen kämpften.«

»Ihr seht, Eisenjade«, sagte Pyr, »Ihr habt uns beim falschen Namen genannt.«

»Das wußte ich nicht«, gab Janacek langsam zu.

»Redet uns richtig an. Wir sind keine Braiths.«

Die Augen des Eisenjade schienen dunkel und überschattet. Er hielt die Arme noch immer verschränkt.

Dann sah er Lorimaar direkt ins Gesicht. »Ihr habt also einen neuen Festhalt gegründet«, platzte er heraus. »Das ist nichts Neues«, sagte Roseph. »Rotstahl wurde von den Abspaltern des Glühsteinberges geboren, und Braith selbst entwuchs Bronzefaust.«

»Ich bin Lorimaar Rein Winterfuchs Hoch-Lorfeyn Arkellor«, sagte Lorimaar mit seiner harten, schmerzerfüllten Stimme. »Ehre Eurem Festhalt«, antwortete Janacek geflissentlich, »Ehre Eurem teyn.«

»Wir alle sind Larteyns«, stellte Roseph fest.

Pyr lachte. »Wir sind der Hochleibeigenenrat von Larteyn, und wir halten am alten Kodex fest.«

In der Stille, die nun folgte, wanderten Janaceks Augen von einem Gesicht zum anderen. Dirk, der noch immer hilflos im Sand kniete, sah, wie sein Kopf sich langsam bewegte. »Ihr habt Euch selbst Larteyns genannt«, sagte Janacek endlich, »also seid Ihr auch Larteyns. Das steht nicht im Widerspruch zu den alten Weisheiten. Dennoch muß ich Euch daran erinnern, daß die Dinge, von denen Ihr sprecht, die Männer und Lehren, die Ihr zitiert, längst tot sind. Die Festhalte, denen Ihr nacheifert, gibt es nicht mehr. Bronzefaust und Taal wurden in Hochkriegen zerstört, bevor Ihr geboren wurdet, und den Tiefkohlenhort flutete man gar schon zu der Zeit des Feuers und der Dämonen.« »Ihre Weisheiten leben in Larteyn weiter«, sagte Saanel. »Ihr seid nur sechs«, bemerkte Janacek, »und Worlorn ist eine sterbende Welt.«

»Unter uns wird sie wieder aufblühen«, sagte Roseph.

»Die Neuigkeit wird sich auf Hoch Kavalaan herumsprechen, und andere werden kommen. Unsere Söhne werden hier geboren werden und in den Würgerwäldern jagen.«

»Ganz wie Ihr wollt«, sagte Janacek. »Das geht mich nichts an. Eisenjade liegt mit Larteyn nicht in Fehde. Ich komme offen zu Euch und bitte Euch, an der Jagd teilnehmen zu dürfen.« Seine Handfläche klatschte auf Dirks Schulter. »Und ich bringe Euch ein Blutgeschenk.«

»Wahr«, sagte Pyr und war für einen Moment still. Dann wandte er sich an die anderen. »Nehmt ihn auf, sage ich.«

»Nein«, widersprach Lorimaar. »Ich traue ihm nicht. Er ist zu begierig.«

»Aus gutem Grund, Lorimaar Hoch-Larteyn«, sagte Janacek. »Große Schande ist über mich und meinen Festhalt gekommen. Ich möchte mich von ihr säubern.«

»Ein Mann muß seinen Stolz bewahren, ganz gleich, wie groß der Schmerz ist«, sagte Roseph nickend. »Das trifft auf jeden zu.« »Laßt ihn jagen«, sagte nun auch Rosephs teyn. »Wir sind zu sechst, und er ist allein. Wie kann er uns etwas anhaben?« »Er ist ein Lügner!«

Lorimaar blieb unbeirrt. »Wie hat er uns hier gefunden?

Fragt Euch das! Und seht nur!« Er deutete auf Janaceks rechten Arm, an dem die Glühsteine wie rote Augen aus ihren Fassungen leuchteten. Nur wenige fehlten.

Mit der Linken fuhr Janacek an sein Messer und zog es aus der Scheide. Dann hielt er Pyr seinen rechten Arm hin. »Helft mir, ihn ruhig zu halten«, sagte er, »und ich werde Jaan Vikarys falsches Feuer herausbrechen. «

Pyr tat wie ihm geheißen. Niemand sprach. Janaceks Hand arbeitete schnell und sicher. Als er fertig war, lagen die Glühsteine im Sand verstreut und glimmten wie Kohlen eines ausgetretenen Feuers. Er bückte sich, hob einen auf, warf ihn leicht hoch und fing ihn wieder, als wollte er sein Gewicht prüfen. Dabei lächelte er die ganze Zeit. Dann riß er den Arm nach hinten und warf kraftvoll. Der Stein wurde weit und hoch hinaufgetragen, bevor er wieder fiel. Am Ende seines Bogens, beim Fallen, sah er beinahe wie eine Sternschnuppe aus. Dirk erwartete beinahe, daß es zischte, wenn der Stein die Wasseroberfläche berührte. Auf diese Entfernung war jedoch nichts zu hören, nicht einmal ein Aufklatschen.

Janacek nahm alle Glühsteine auf, einen nach dem anderen, rollte sie kurz in seiner Handfläche und übergab sie dem See. Als der letzte verschwunden war, wandte er sich wieder den Jägern zu und hielt ihnen den rechten Arm hin. »Leeres Eisen«, sagte er. »Seht her, mein teyn ist tot.« Danach gab es keinen Ärger mehr.

»Die Dämmerung zieht herauf«, sagte Pyr. »Laßt meine Beute frei.« Die Jäger wandten ihre Aufmerksamkeit Dirk zu, und alles lief genauso ab, wie man es ihm erzählt hatte. Sie schnitten ihm die Fesseln durch und gestatteten ihm, sich Hand- und Fußgelenke zu massieren, um das Blut wieder in Bewegung zu setzen.

Dann wurde er gegen einen Gleiter gedrückt, und Roseph und der dicke Saanel hielten ihn fest, während Pyr selbst ihm die Kleider aufschlitzte. Der kahle Jäger ging mit seinem kleinen Messer genauso geschickt um wie mit dem Stock, aber er nahm keine Rücksicht. An der Innenseite von Dirks Schenkel hinterließ er einen langen Schnitt und auf der Brust einen kürzeren, aber dafür tieferen.

Als Pyr ihn verletzte, begann Dirk zu wimmern, raffte sich jedoch nicht zum Widerstand auf. Auch sein Rücken, den die gnadenlosen Braiths zu fest an die kalte Metallflanke des Gleiters preßten, begann zu schmerzen.

Dann war er endlich nackt und zitterte im kühlen Wind.

Plötzlich fiel Pyr etwas auf. »Was ist das?« fragte er und umfaßte das Flüsterjuwel auf Dirks Brust mit seiner kleinen weißen Hand. »Nein«, sagte Dirk.