Das Fleisch hingegen kam ihm ziemlich trocken vor.
Die ganze Zeit über stellten ihm Janacek und Vikary Fragen, während Gwen zurückgelehnt lauschte, amüsiert dreinschaute und sehr wenig sprach. Die beiden Kavalaren waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht.
Jaan Vikary, noch immer mit freiem Oberkörper, gähnte sehr oft und kratzte sich geistesabwesend. Er beugte sich beim Sprechen vor, und sein Tonfall drückte ein allgemeines, freundliches Interesse aus. Er lächelte oft und schien weit ungezwungener als auf dem Dach.
Dennoch kam er Dirk gehemmt vor, wie ein Mann, der unter Zwang stand und um seine Freiheit kämpfte. Selbst seine Zwanglosigkeit, das Lächeln, das Kratzen, schien Dirk einstudiert und aufgesetzt zu sein. Garse Janacek, der aufrechter saß als Vikary, sich niemals kratzte und keine verschnörkelten kavalarischen Sprachmanierismen ausließ, war in Wirklichkeit viel entspannter. Er war ein Mann, der die Einschränkungen genoß, die ihm seine Gesellschaft auferlegt hatte und gar nicht daran dachte, aus ihnen ausbrechen zu wollen. Er sprach lebhaft und geschliffen, stieß Beleidigungen aus, wie ein Schleifstein Funken sprüht. Die meisten davon waren an Gwens Adresse gerichtet. Einige davon gab sie postwendend zurück, aber meistens war diese Gegenwehr nur schwach.
Bei diesem Spiel war Janacek eindeutig der Sieger.
Manches hatte den Anschein eines beiläufigen, ja freundschaftlichen Schlagabtausches, aber einige Male glaubte Dirk, einen Anflug echter Feindseligkeit erkannt zu haben. Bei jedem neuen Aufflackern dieser kleinen Boshaftigkeiten umwölkte sich Vikarys Gesicht.
Als Dirk zufällig seine Zeit auf Prometheus erwähnte, sprang Janacek sofort darauf an. »Sagen Sie, t’Larien«, begann er, »halten Sie die Veränderten Menschen noch für menschlich?«
»Natürlich«, sagte Dirk, »das sind sie ohne Zweifel.
Die modernen Promethaner sind nur Nachkommen des alten Korps für Ökologische Kriegführung, das während des Krieges von den Erdgeborenen dort angesiedelt wurde.«
»Ehrlich gesagt«, hielt Janacek dagegen, »würde ich mit Ihrem Urteil nicht übereinstimmen. Sie haben ihre eigenen Gene derart manipuliert, daß sie meiner Meinung nach das Recht verwirkt haben, sich Menschen nennen zu dürfen. Libellenmenschen, Tiefseemenschen, Menschen, die Gift atmen, Menschen, die wie Hruun im Dunkeln sehen, Menschen mit vier Armen, Hermaphroditen, Soldaten ohne eigenen Willen, Zuchtsäue ohne Gefühl — diese Kreaturen sind keine Menschen. Sie sind Nichtmenschen.«
»Nein«, widersprach Dirk. »Den Begriff Nichtmensch habe ich schon oft gehört. Auf vielen Welten ist er im allgemeinen Sprachgebrauch gang und gäbe, aber er bezeichnet menschliche Abkömmlinge, die so weit mutiert sind, daß sie mit der Ursprungsrasse keine Nachkommen mehr zeugen können. Die Promethaner haben das sorgfältig vermieden. Ihre Führer — und die sind fast normal, müssen Sie wissen, weisen nur kleinere Veränderungen wie Langlebigkeit auf — nun, diese Führer überfallen regelmäßig Rhiannon und Thisrock.
Um gewöhnliche, erdnormale Menschen …«
»In den letzten Jahrhunderten wich selbst die Erde vom Erdnormalen ab«, fuhr Janacek dazwischen. Dann zuckte er die Schultern. »Ich hätte Sie nicht unterbrechen sollen, nicht wahr? Alt-Erde ist viel zu weit entfernt, und wir hören nur jahrhundertealte Gerüchte. Fahren Sie bitte fort.«
»Ich habe meinen Standpunkt dargelegt«, sagte Dirk.
»Die Veränderten Menschen sind noch immer menschlich. Selbst die unteren Kasten, die groteskesten Menschen, Ergebnisse der von Ärzten verpfuschten Experimente — alle können sich untereinander fortpflanzen. Deshalb sterilisiert man sie. Aus Angst vor der Nachkommenschaft.« Janacek nahm einen großen Schluck Bier und beobachtete ihn mit seinen tiefblauen Augen. »Dann können sie also mit Menschen Nachkommen zeugen?« Er grinste. »Sagen Sie, t’Larien, haben Sie während Ihres Aufenthaltes auf dieser Welt die Gelegenheit gehabt, das persönlich herauszufinden?«
Dirk errötete und ertappte sich dabei, wie er zu Gwen hinüberschielte. »Ich habe die letzten sieben Jahre nicht im Zölibat gelebt, wenn Sie das meinen«, stieß er hervor.
Janacek belohnte seine Antwort mit einem Grinsen und sah auf Gwen. »Interessant«, sagte er zu ihr. »Da hat der Mann mehrere Jahre in deinem Bett verbracht — und plötzlich findet er Gefallen an Tieren.« Ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut. Dirk kannte sie noch immer gut genug, um das zu erkennen. Auch Jaan Vikary sah nicht gerade glücklich aus. »Garse!« sagte er warnend.
Janacek überging ihn. »Oh, Entschuldigung, Gwen«, sagte er. »Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Zweifellos hat t’Larien seine Vorliebe für Meerjungfrauen und Eintagsfliegenmädchen unabhängig von dir entwickelt. «
»Werden Sie in die Wildnis hinausgehen, t’Larien?« fragte Vikary laut und drängte damit den anderen Kavalaren absichtlich aus der Konversation.
»Ich weiß nicht«, sagte Dirk und nippte an seinem Bier.
»Sollte ich das?«
»Falls du es unterläßt, werde ich es dir nie vergeben«, sagte Gwen mit einem schwachen Lächeln. »Dann gehe ich. Was ist daran so interessant?«
»Das Ökosystem. Werden und Vergehen, alles nebeneinander. Lange Zeit war die Ökologie des Randes eine vergessene Wissenschaft. Selbst heute noch gibt es auf den Außenwelten weniger als ein Dutzend geschulte Ökotechniker. Als das Festival näher rückte, beglückte man Worlorn mit Lebensformen von vierzehn verschiedenen Welten, ohne sich deren Zusammenwirken vorher zu überlegen. In Wirklichkeit waren sogar mehr als vierzehn Welten im Spiel, wenn man die multiplen Transplantationen mitzählt — also Tiere, die von der Erde nach Newholme, von dort nach Avalen, weiter nach Wolfheim und schließlich nach Worlorn exportiert wurden. So ähnlich ging es zumindest zu. Arkin und ich arbeiten an einer Studie darüber, wie sich dies alles entwickelt hat. Wir sind schon ein paar Jahre damit beschäftigt, und es ist genügend Arbeit vorhanden, um uns noch ein weiteres Jahrzehnt in Atem zu halten. Die Ergebnisse sollten für die Ökonomen aller Außenwelten von besonderem Interesse sein. Sie werden daraus entnehmen können, welche Flora und Fauna des Randes ohne Risiko auf ihrer Heimatwelt eingeführt werden kann, unter welchen Bedingungen das zu geschehen hat, und welche einzelnen Arten Gift für bestimmte Ökosysteme sind.«
»Die Tiere von Kimdiss erwiesen sich als besonders giftig«, knurrte Janacek. »Genau wie die Manipulatoren selbst.«
Gwen schenkte ihm ein Zucken der Mundwinkel.
»Garse ist verärgert, weil es so aussieht, als würde der schwarze Banshee bald aussterben«, erzählte sie Dirk.
»Es ist wahrlich eine Schande. Auf Hoch Kavalaan hat man sie gejagt, bis sie dem Aussterben nahe waren. Man hatte gehofft, daß die hier ausgesetzten Exemplare sich vermehren würden, bevor die große Kälte wieder einsetzte, und man wollte sie dann nach Hoch Kavalaan zurückbringen. Es hat nicht geklappt. Der Banshee ist ein schreckliches Raubtier. Auf seiner Heimatwelt kann er sich mit dem Menschen messen, aber auf Worlorn wurde er in seinem eigenen Revier von kimdissianischen Baumgeistern bedroht.«
»Die meisten Kavalaren halten den Banshee nur für eine Plage und Bedrohung«, erklärte Jaan Vikary. »Dort, wo er in freier Natur vorkommt, tötet er oftmals Menschen, und die Jäger von Braith und Rotstahl und dem Shanagate-Trutz halten den Banshee für ein ideales Jagdwild. Es gibt nur eine Ausnahme. Eisenjade war schon immer anderer Meinung. Es gibt eine alte Legende aus der Zeit, wo Kay Eisen-Schmied und sein teyn Roland Wolf-Jade in den Bergen von Lameraan allein gegen eine Armee von Dämonen kämpften. Kay stürzte und Roland, der über ihm wachte, war einen Augenblick lang geschwächt, als aus den Bergen die Banshees herbei geflogen kamen. Sie tauchten in solch großer Zahl auf, daß ihre schwarzen Leiber die Sonne verdunkelten.