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Es war eine urwüchsige Gegend. Steiniger als das Land ringsherum, mit einigen welligen Hügeln und hochaufragenden schwarzen Felsen, die an manchen Stellen wie mit Gold und Silber durchwirkt zu sein schienen. Überall wuchsen Würger, Würger und nochmals Würger. Vergeblich hielt Dirk nach einer alleinstehenden, hohen Silbertanne, einem blauen Witwer oder einem schlanken dunklen Geisterbaum Ausschau.

Ein gelbes Labyrinth erstreckte sich ununterbrochen von Horizont zu Horizont. Dirk hörte das aufgeregte Gezwitscher der Baumgeister und sah sie unter sich mit ihren winzigen Flügeln kurze Luftsprünge ausführen. Die Luft vibrierte unter dem Schrei eines Banshee, und Dirk lief es eiskalt über den Rücken, obwohl er nicht sagen konnte, warum das so war. Er hob schnell den Kopf und sah in großer Entfernung Licht aufblitzen.

Dieser Lichtfinger gehörte nicht in diese graue Welt der Dämmerung. Er leuchtete zu kurz, viel zu intensiv und stach ihm in die müden Augen. Er gehörte nicht in diese Welt, aber er war trotzdem da. Von unten schoß es hoch, ein dünnes, grausames Feuer, das der Himmel sofort wieder verschluckte.

Janacek war eine kleine Stoffpuppe vor ihm, dicht bei dem Licht. Der nadeldünne, scharlachrote Strahl bestrich ihn, erfaßte den Silberschlitten, auf dem er stand, berührte ihn ganz leicht und ganz schnell. Die Szene grub sich tief in Dirks Verstand. Janacek begann plötzlich zu taumeln und wild mit den Armen um sich zu schlagen.

Ein schwarzer Stock entfiel seinem Griff. Dann krachte der Flieger durch die ineinandergreifenden Äste und verschwand zwischen den Würgern. Geräusche. Dirk hörte Geräusche. Musik auf diesem endlosen Winter-wind. Krachendes Holz, gefolgt von Wut- und Schmerzensschreien. Menschliche und tierische Schreie, tierische und menschliche, beides und keines von beiden.

Über dem Horizont schimmerten die Türme von Kryne Lamiya, rauchig, durchsichtig, und sangen ihm ein Lied vom Ende.

Das Schreien hörte plötzlich auf, die weißen Türme zerbröckelten, und die steife Brise, die ihn trug, blies die Scherben fort. Dirk glitt nach unten und hob den Laser.

Im oberen, dünnen Astwerk gähnte ein dunkles Loch.

Abgebrochene und nach unten gebogene Zweige zeugten davon, daß Janacek an dieser Stelle abgestürzt war. Das Loch war groß genug für einen menschlichen Körper.

Und dunkel. Ohne Fahrt schwebte Dirk darüber, konnte Janaceks Körper aber nicht auf dem Waldboden ausmachen, denn nur wenig Licht drang durch das dichte Gewirr. Aber am obersten Ast sah er einen Stoff streifen im Winde flattern und die Farbe wechseln. Darüber hielt ein kleiner Geist traurig Wache.

»Garse!« rief er, ohne Rücksicht auf den Feind unter ihm, den Mann mit dem Laser, zu nehmen. Die Baumgeister antworteten in zwitscherndem Chor.

Unten, zwischen den Bäumen, knackte es, erneut flammte das Laserlicht gleißendhell auf. Diesmal war der Strahl dieser unwirklichen Sonne nicht nach oben gerichtet, sondern horizontal und erhellte die Finsternis unter ihm. Dirk blieb unentschlossen in der Schwebe. Ein Baumgeist erschien auf dem Ast direkt unter ihm und starrte mit glänzenden Augen seltsam furchtlos zu ihm hoch. Die kleinen Flügel waren weit abgespreizt und trommelten gegen den Wind. Dirk zielte mit dem Laser und feuerte, bis das kleine Tier nur noch ein rußiger Fleck auf der gelben Rinde war. Dann setzte er sich wieder in Bewegung. Spiralförmig überflog er die Stelle, bis er an einer Böschung eine Lücke zwischen den Würgern entdeckte, die groß genug war, um ihm eine Landung zu erlauben. Der Waldboden war düster, die sich über ihm vereinigenden Würger absorbierten neun Zehntel vom spärlichen Licht des Höllenauges. Drohend ragten riesige Stämme vor ihm auf, und knorrige, gelbe Finger, die sich in jede erdenkliche Richtung bogen, stachen steif und verkrüppelt hervor. Er bückte sich — das Moos am Boden war in Zersetzung übergegangen — und löste die Stiefel von der silbernen Platte. Das Metall er-schlaffte. Dann gaben die Schatten zwischen den Würgern eine Gestalt frei. Sie trat näher und stand über ihm. Dirk blickte auf. Jaans Gesicht wirkte leer und gezeichnet. Er war mit Blut besudelt und hielt auf den Armen ein verstümmeltes, rotes Etwas. Er trug es, wie eine Mutter ihr krankes Kind tragen würde. Garse hielt das eine Auge geschlossen, das andere fehlte. Es war ihm aus dem Gesicht gerissen worden. Überhaupt war von seinem Gesicht nur noch die Hälfte vorhanden. Sein Kopf lag sanft an Jaans Brust. »Jaan …«

Vikary wich zurück. »Ich habe ihn getötet«, sagte er.

Zitternd ließ er den Körper sinken.

14

Außer Vikarys schwerem Atem und dem Gezwitscher der Baumgeister im Hintergrund war kein Geräusch in der Wildnis zu hören. Dirk ging auf Janacek zu und rollte seinen Körper herum. Moosballen hafteten daran und saugten das Blut wie Schwämme auf. Die Baumgeister hatten seinen Hals halb weggefressen, so daß Garses Kopf schauerlich hin und her baumelte, als Dirk die Leiche bewegte. Seine schwere Kleidung hatte ihm nicht zum Schutz gereicht. Überall war sie durchbissen worden, und der Chamäleonstoff hing in naßroten Fetzen herab. Janaceks Beine, die noch immer von dem nutzlosen Silbermetallquadrat des Himmelsflitzers festgehalten wurden, waren beim Absturz gebrochen.

Zersplitterte Knochenstücke traten an den Waden hervor.

Beide Brüche waren kompliziert und fast identisch. Am schlimmsten sah das Gesicht aus — es war zerfressen. Das rechte Auge fehlte. Die Augenhöhle hatte sich mit Blut gefüllt, das langsam in einem schmalen Rinnsal über die Wange lief und zu Boden tröpfelte.

Es war nichts mehr zu machen. Hilflos sah Dirk auf den Leichnam. Verstohlen griff er in Janaceks zerschlissene Jacke und schloß den Glühstein in die Faust. Dann erhob er sich und sah Vikary ins Gesicht.

»Sie sagten …«

»Daß ich niemals auf ihn schießen könnte«, schloß Vikary. »Ich weiß, was ich gesagt habe, Dirk t’Larien.

Und ich weiß, was ich getan habe.« Er sprach sehr langsam, jedes Wort fiel wie ein bleiernes Gewicht von seinen Lippen. »Das habe ich nicht gewollt! Niemals! Ich versuchte nur, ihn aufzuhalten, den Himmelsflitzer außer Gefecht zu setzen. Aber er fiel in ein Baumgeisternest.

Ein Baumgeisternest!« Dirks Faust hatte sich um den Glühstein verkrampft. Er sagte nichts. Vikary bebte.

Seine Stimme wurde lebendiger, und eine verzweifelte Schärfe trat in seinen Tonfall. »Er jagte mich. Arkin Ruark hat mich vor ihm gewarnt, als ich in Larteyn über Sichtschirm mit ihm sprach. Er sagte, Garse hätte sich den Braiths angeschlossen und geschworen, mich zur Strecke zu bringen. Ich glaubte es nicht.« Er zitterte. »Ich glaubte es nicht! Aber es stimmte. Er verfolgte mich, jagte mich zusammen mit ihnen — genau wie Ruark gesagt hatte. Ruark … Ruark ist nicht bei mir … wir haben uns nicht… statt dessen kamen die Braiths. Ich weiß nicht, ob er … Ruark … vielleicht haben sie ihn erschlagen. Ich weiß nicht.« Er schien müde und verwirrt. »Ich mußte Garse aufhalten, t’Larien. Er wußte von der Höhle. Und an Gwen mußte ich auch denken.

Ruark erzählte, Garse hätte in seinem Wahn versprochen, sie an Lorimaar auszuhändigen. Ich habe ihn für einen Lügner gehalten, bis ich Garse hinter mir auftauchen sah.

Gwen ist meine betheyn, und Sie sind korariel. Ich trage die Verantwortung. Ich mußte überleben. Verstehen Sie?

Ich wollte nicht, daß es so endet. Ich ging zu ihm, brannte mir meinen Weg mit dem Laser … Die Jungen aus dem Nest waren schon über ihm, weiße Dinger, die Alten auch… Ich verbrannte sie, löschte sie aus, holte ihn heraus.«

Vikary schluchzte, und sein Körper schüttelte sich.

Aber es kamen keine Tränen, er erlaubte es nicht. »Sehen Sie. Er trug leeres Eisen. Er war auf der Jagd nach mir.

Ich liebte ihn — und er jagte mich!« Der Glühstein war ein harter Klumpen der Unentschlossenheit in Dirks Faust. Er sah wieder auf Garse Janacek hinab, dessen Kleider die Farbe alten Blutes und verfaulenden Mooses angenommen hatten. Dann blickte er Jaan Vikary ins Gesicht, der mit abwesenden Augen und zitternden Schultern kurz vor dem Zusammenbruch stand. Gib einem Ding einen Namen, dachte Dirk, und jetzt mußte er Jaantony Hoch-Eisenjade einen Namen geben.