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Daneben hustete dumpf ein Gebäude und fiel in einer riesigen Staub- und Glutwolke in sich zusammen.

Dreihundert Meter von dem Bergrücken entfernt, an dem sie standen, ragte eine kalkweiße Turmhand hoch über die Würgerwälder hinaus. Bislang war sie von der Feuersbrunst verschont geblieben, aber angestrahlt von der schrecklichen Helligkeit, schien sie sich wie ein lebendiges Wesen zu bewegen, sich im Schmerz zu winden und zu drehen. Durch das Brüllen des Feuers hindurch konnte Dirk die schwache Musik von Lamiya-Bailis vernehmen. Dunkeldämmerungs Symphonie wirkte zerbrochen und entstellt. Türme waren verschwunden, Töne fehlten, und so war das Musikstück voller grauenhafter Pausen. Das Prasseln der Flammen stellte einen donnernden Gegensatz zu dem Heulen, Stöhnen und Pfeifen dar. Der Wind der Dunklinge, der ohne Unterlaß von den Bergen herabwehte, um die Sirenenstadt zum Singen zu bringen, dieser Wind fachte das riesige Feuer, das Kryne Lamiya nun verschlang, nur noch mehr an. Er schwärzte ihre Totenmaske mit Asche und Ruß und brachte sie endgültig zum Schweigen.

Jaan Vikary nahm sein Lasergewehr von der Schulter.

Sein Gesicht war merkwürdig ausdruckslos, leergewaschen vom Widerschein des großen Brandes.

»Wie konnte …« »Der Wolfsgleiter«, sagte Gwen.

Sie stand nur wenige Meter unter ihnen am Berghang.

Ohne überrascht zu sein, sahen die beiden Männer sie an.

Hinter ihr, im Schatten eines überhängenden Blauen Witwers am Fuße des Berges, erkannte Dirk Ruarks kleinen gelben Gleiter. »Bretan Braith!« sagte Vikary.

Gwen trat zu ihnen vor den Eingang der Höhle. »Ja.

Sein Gleiter flog mehrere Male über der Stadt hin und her und feuerte dabei aus den Bordlasern.«

»Chell ist tot«, bemerkte Vikary.

»Aber ihr lebt«, gab Gwen zurück. »Mir waren schon Zweifel gekommen.«

»Wir leben«, stellte er fest und ließ das Gewehr aus den kraftlosen Fingern gleiten. »Gwen«, sagte er »ich habe meinen teyn umgebracht.«

»Garse?« sagte sie erschrocken. Ihr Gesicht wurde zu einer Maske. »Er hatte mich gefangen und an die Braiths ausgeliefert«, fuhr Dirk schnell dazwischen. Seine Augen suchten die von Gwen. »Und er machte an Lorimaars Seite Jagd auf Jaan. Es blieb keine andere Wahl.« Sie ließ den Blick von Dirk zu Jaan wandern. »Ist das wirklich wahr? Arkin hat mir etwas Ähnliches berichtet, aber ich habe ihm nicht geglaubt.«

»Es ist die Wahrheit«, sagte Vikary. »Arkin ist hier?« bemerkte Dirk.

Gwen nickte. »Im Gleiter. Er kam von Larteyn hergeflogen. Du mußt ihm gesagt haben, wo ich zu finden bin. Er versuchte wieder einmal, mir ein paar Lügen aufzutischen. Ich habe ihn bewußtlos geschlagen.

Jetzt bedeutet er keine Gefahr mehr.«

»Gwen«, sagte Dirk. »Wir haben uns in Arkin getäuscht.« Bei diesen Worten überkam ihn ein gallebitteres Gefühl. »Hörst du, Gwen? Arkin warnte Jaan vor Garses Verrat. Ohne diese Warnung hätte Jaan nie etwas davon erfahren. Er hätte Janacek vertraut und wäre von ihm erschossen worden. Er hätte ihn gefangengenommen und dann umgebracht.« Seine Stimme klang heiser und recht überzeugend. »Hörst du?

Arkin …« Während sie Dirk beobachtete, spiegelte sich das Feuer in ihren kalten Augen. »Ich habe es gehört«, sagte sie in ersticktem, schwankendem Tonfall. Dann wandte sie sich wieder Vikary zu. »Oh, Jaan«, rief sie und streckte die Arme aus.

Er ging auf sie zu, legte ihr den Kopf auf die Schulter und schlang die Arme um sie. Dann begann er zu weinen.

Dirk ließ sie allein und ging zum Gleiter hinunter. Arkin Ruark war eng an einen der Sitze gefesselt. Er trug schwere Geländekleidung, und sein Kopf hing nach vorn, so daß sein Kinn auf der Brust ruhte. Als Dirk einstieg, sah er mit einiger Anstrengung auf. Die ganze rechte Gesichtshälfte war dunkelrot angeschwollen. »Dirk«, hauchte er schwach.

Dirk nahm den lästigen Rucksack ab und setzte ihn auf dem Boden ab. Dann lehnte er sich gegen das Armaturenbrett. »Arkin«, sagte er beherrscht.

»Helfen Sie mir«, flüsterte Ruark.

»Janacek ist tot«, berichtete Dirk. »Jaan laserte ihn vom Himmel. Er fiel in ein Baumgeisternest.«

»Garsey?« sagte Ruark unter Schwierigkeiten. Seine Lippen waren geschwollen und blutig, seine Stimme zitterte. »Er hätte euch alle getötet, das ist die vollständige Wahrheit, die völlige Wahrheit. Ich warnte Jaan, wirklich, ich warnte ihn. Glauben Sie mir, Dirk!«

»Oh ja, ich glaube Ihnen«, antwortete Dirk nickend. »Ich wollte nur helfen, ja, aber Gwen wurde wütend. Ich sah, wie die Braiths Jaan umstellten. Ich wollte ihm beistehen.

Sie waren schneller. Hatte Angst um Gwen, eilte ihr zu Hilfe. Sie schlug mich, sagte, ich sei ein Lügner, fesselte mich und flog mich her. Sie ist außer sich, Dirk, Freund Dirk, ganz tollwütig, kavalarwütig. Fast wie Garse, überhaupt nicht wie die süße Gwen. Ich glaube, sie will mich umbringen. Und Sie vielleicht auch. Ich weiß es nicht. Sie wird zu Jaan zurückkehren, das ist sicher.

Helfen Sie mir, Sie müssen mir helfen! Halten Sie sie auf!« Er wimmerte.

»Sie wird niemanden umbringen«, sagte Dirk. »Jetzt sind Jaan und ich hier. Sie sind sicher, Arkin, machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden alles in Ordnung bringen.

Wir sind Ihnen Dank schuldig, nicht wahr? Besonders Jaan. Ohne Ihre Warnung … nicht auszumalen, was passiert wäre.«

»Ja«, sagte Ruark. Er lächelte. »Ja, das ist wahr, völlig wahr.« Plötzlich erschien Gwen in der Tür. »Dirk«, sagte sie, dabei Ruark ignorierend.

Er wandte sich ihr zu. »Ja?«

»Ich habe Jaan dazu gebracht, daß er sich eine Weile hinlegt. Er ist sehr müde. Komm nach draußen, wo wir sprechen können.«

»Wartet!« sagte Ruark. »Bindet mich zuerst los, ja?

Macht schon! Meine Arme, Dirk, meine Arme …«

Dirk ging nach draußen. In der Nähe lag Jaan. Er hatte den Kopf gegen einen Baum gelehnt und starrte blind auf das Feuer in der Ferne. Sie entfernten sich von ihm und hielten auf die Dunkelheit der Würger zu, die sich vor ihnen ausbreitete. Schließlich hielt Gwen an und drehte sich zu ihm um. »Jaan darf es niemals erfahren«, sagte sie. Mit der rechten Hand wischte sie sich eine lose Haarsträhne aus der Stirn. Dirk erstarrte. »Dein Arm«, stammelte er.

Um ihren rechten Unterarm trug Gwen schwarzes, leeres Eisen. Bei Dirks Worten hielt sie mitten in der Bewegung inne. »Ja«, sagte sie. »Die Glühsteine folgen später.«

»Ich verstehe«, sagte Dirk. »Teyn und betheyn. Beides in einer Person.«

Gwen nickte. Sie nahm Dirks Hände in ihre eigenen.

Ihre Haut war kalt und trocken. »Sei für mich glücklich, Dirk«, sagte sie mit leiser, trauriger Stimme. »Bitte.«

Er drückte ihre Hände und versuchte dabei einen sicheren Eindruck zu machen. »Das bin ich«, sagte er ohne Überzeugung. Schweigen herrschte zwischen ihnen, Schweigen und große Bitterkeit. »Wie du aussiehst!« sagte Gwen schließlich und zwang sich zu einem Grinsen. »Das ganze Gesicht zerkratzt. Wie du deinen Arm hältst! Wie du gehst! Ist alles in Ordnung mit dir?«

Er zuckte die Achseln. »Die Braiths sind keine sanften Spielkameraden«, sagte er. »Aber ich werde es überstehen.« Er ließ ihre Hände los und griff in die Tasche. »Gwen, ich habe etwas für dich.« In seiner Faust: zwei Edelsteine. Der Glühstein, rund und ungenau facettiert, von innen schwach leuchtend, funkelte in seiner hohlen Hand. Der Flüsterjuwel, kleiner und dunkler, tot und kalt. Gwen nahm die Steine wortlos entgegen. Stirnrunzelnd rollte sie beide einen Moment auf der Hand. Dann steckte sie den Glühstein ein und gab das Flüsterjuwel zurück.

Er nahm es an. »Das letzte, was ich von Jenny besitze«, sagte er, als seine Hand sich um den Eistropfen schloß und wieder in seiner Kleidung verschwand.

»Ich weiß«, sagte sie. »Vielen Dank für dein Angebot.