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Faramund sprang wie zum Kampf gefordert vom Kissen auf. »Hütet Eure Zunge, heidnisches Weib! Was maßt Ihr Euch an über Gerechtigkeit zu wissen? Diese Frau in den Bergen ist vom Teufel besessen, sie muß vernichtet werden.« Faramund hielt inne. Luovana hatte die Augen geschlossen. Das Licht im Saal war plötzlich deutlich heller und strahlender geworden, und der See verlor schillernd seine Klarheit. Er wurde leuchtend rot, wie die dampfende Quelle in den Bergen, als Luovana den Giftpfeil darin vernichtete. Leichte Wellen schwappten über den Rand des Teiches, und von den bunten Fischen war nicht einer mehr zu sehen. Ein süßer schwerer Duft zog durch den Raum. Faramund wandte sich um, er wollte diesen Ort verlassen, doch er konnte nicht. Dann plötzlich war der ganze Spuk genauso rasch vorüber, wie er gekommen war.

Schaudernd blickte Faramund sich um. Die Wellen in dem Teich beruhigten sich, das Wasser verlor seinen blutigen Glanz und wurde wieder klarer, die Kerzen leuchteten wie vorher, nur die Frau ihm gegenüber auf dem Kissen erschien ihm deutlich blasser als vorhin. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, und sie sah aus, als wäre sie einer Ohnmacht nahe. Langsam schlug sie die Augen auf.

»Wenn ihr Lursa wirklich strafen wollt, dann liebt sie mit der ganzen Kraft Eures Herzens«, flüsterte sie.

»Diesen Teufel soll ich lieben?« flüsterte Faramund.

»Lehrt Euer Gott nicht auch die Liebe. Verzeiht er nicht denen, die gefehlt haben, und liebt er nicht auch die, die ihn verrieten?« Wieder schaute Luovana ihn an.

»Mit einem Weib über Fragen des Glaubens zu reden ist sinnlos. Jeder Mann weiß, daß eine Frau es war, die den Apfel von der Schlange nahm. Eine Frau, edle Hüterin des Feuers, ist Schuld am Sündenfall!«

»Weil sie nach Erkenntnis suchte?«

»Was versteht Ihr schon davon? Ihr kennt Christus nicht wirklich, sonst würdet ihr nicht an diesem Zauber hängen, sondern der wahren Liebe huldigen.«

»Ihr habt Recht, den Sinn Eures Glaubens werde ich wohl niemals verstehen.« Zögernd hielt sie inne und schaute auf die silberweißen Seerosen. »Noch eines, bevor Ihr geht, Faramund.« Sie stand auf. »Sprecht niemals mehr einen Fluch in diesem Saal aus. Hier lebt der Frieden, und die Göttin wird nicht zulassen, daß ihr ihn zerstört. Ob ich Euch ein zweites Mal vor ihrem Zorn werde schützen können, wage ich zu bezweifeln.«

Faramund schaute sich schweigend um und nickte. Eigentlich war es gleich, welche Gauklereien diese Frau noch beherrschte, aber er wollte lieber nichts riskieren.

»Geht jetzt.« Luovana schritt auf die schwere hölzerne Türe zu. »Lursa ist eine von uns, sie ist ein Mensch, Faramund, wie Ihr und ich. Ihr werdet sie nicht töten, solange ich lebe. Es ist nicht Eure Aufgabe.« Sie berührte flüchtig seinen Arm. »War es nicht Euer Jesus, der sagte: Liebt Euren Nächsten wie Euch selbst?« Damit wandte sie sich um und verließ den Raum.

Faramund schaute ihr nach. Er wurde das Gefühl nicht los, soeben ein Gefecht verloren zu haben.

Lursa erhob sich von der Feuerstelle im Inneren ihrer Höhle und trat hinaus auf den schmalen Felsenvorsprung, von dem aus sie weit hinunter auf den Feuerring und auf die Flammenburg blicken konnte. Der Himmel über ihr verdunkelte sich langsam, das dämmrige Grau ging an manchen Stellen bereits in tiefes Schwarz über. Es würde eine kalte Nacht werden. Lursa wickelte sich in ihren roten Umhang und warf einen düsteren Blick auf die Basaltburg zu ihren Füßen. Aus einigen Fenstern schimmerte ein weißliches Licht zu ihr herauf. Luovana wird in dieser Nacht nicht frieren, dachte sie bitter. Wahrscheinlich wird man drüben ein Fest zu Ehren der Fremdlinge geben mit Musik und Tanz, mit rotem Wein, edlen Speisen und einem Freudenfeuer für die Göttin.

Lursas Gedanken verfinsterten sich. Sie überlegte einen Augenblick, ob sie dieses Fest besuchen sollte. Sie malte sich das Entsetzen auf den Gesichtern aus, doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Wahrscheinlich würde sie den grünen Festsaal gar nicht erreichen. Der Feuerring würde ihr einen Teil ihrer Kraft rauben, und Pyros, der Adler, würde sie töten, wenn sie den Burgweg überquerte. Er würde sie in die Flammen treiben, er konnte sie nicht hinüberlassen.

Die Lichter in den Burgfenstern wurden heller und leuchteten. Lursa lächelte böse. Wenn sie zu diesem Fest schon nicht geladen war, so konnte sie doch wenigstens dafür sorgen, daß auch Luovana keine Freude daran fand. Diese Fremdlinge wußten nichts von den geheimen Kräften der Magie, sie waren so leicht in die Irre zu führen. Lursa wußte, womit sie ihrer Schwester das Fest gründlich verderben konnte. In der vergangenen Nacht hatte sie gespürt, daß Luovana den älteren Ritter verführte. Es wäre ein leichtes, seine Sehnsucht nach Luovana auszulöschen. Es würde keine Mühe kosten, dachte sie, seine Angst vor Luovanas Leidenschaft konnte sie bis hier herauf spüren. Er fürchtete, sich selbst zu verlieren. Luovana würde unter seiner Kälte tausend Liebesqualen leiden. Wenn die Hüterin des Feuers eines nur schwer ertrug, dann war es, daß man ihre Liebe ablehnte.

Lursa konzentrierte sich und malte mit der Linken ein geheimnisvolles Zeichen in den kalten Abendwind. Sie sprach den Vers der Liebe langsam rückwärts und schleuderte die Worte mit einer Kußhand hinüber in Richtung Burg.

Sie lächelte wieder. »Das wird seine Angst vor dem Verlangen ins Unendliche steigern, es wird ihn lähmen und ihn in seinem Herzen erstarren lassen«, flüsterte sie.

Sie konnte Luovana ohnehin nicht verstehen. Was fand die Hüterin nur an diesem Ritter? Meist sprachen diese Herren aus dem Süden in einem fort von sich selbst, oder sie redeten von ihren Heldentaten, mit all dem Blut, das ungeopfert in die Erde floß. Am schlimmsten war es jedoch, wenn sie über ihren gekreuzigten Gott sprachen, als ob es eine Wonne sei, einem hingemordeten Gott dienen zu dürfen. Doch von der Liebe zwischen Mann und Frau verstanden sie alle nichts. Sie hatten keine Ahnung von der Magie, die dafür nötig war.

Lursa ließ ihren Blick entlang des Lavastromes gleiten. Diese Sorte kämpfender Männer, die mit den großen weißen Segelschiffen und stolzen Pferden hierher in den Norden kamen, blieben meist nicht lange. Entweder raffte sie der Winter dahin, was natürlich war, wenn man seine Tücken nicht kannte, oder sie wurden Opfer der Göttin, was zwar weniger natürlich war, aber dennoch genauso oft eintrat. Manche von diesen Kriegern waren eben viel zu ritterlich, um die Waffe gegen eine Frau zu heben. Sie waren zu dumm, den Tod zu sehen, wenn er ihnen in Gestalt einer Frau entgegentrat. Ihre einzige Chance, mit dem Leben davonzukommen, war Luovana, wenn sie etwa zufällig, wie gestern, in ihrer Nähe war, um sie zu retten.

Wie anders war da doch ein Magier. Lursa schaute hinauf in den dunklen Himmel. Ein Magier liebte und begehrte mit Wonne den Leib einer Frau. Er dachte dabei nicht an Gebete und Krieg, er hatte keine Angst, sich bei der Hingabe selbst zu verlieren. Diese Macht des Mannes war es, die Lursa schätzte, die sie selbst erst zur Hingabe fähig machte.

Sie schaute noch einmal zur Burg und straffte den Rücken. Nein, sie beneidete Luovana nicht um diese dummen Schwertträger, die wahrscheinlich mit all der Leidenschaft einer Hüterin des Feuers nichts anderes anzufangen wußten, als davor fortzulaufen.

Lursa horchte. Sie hatte in der Ferne einen heiseren Schrei gehört, der ihr sehr vertraut war, und suchte mit den Augen die Gipfel ab, bis sie den kleinen dunklen Punkt entdeckte, der sich rasch näherte. Pyros kehrte von der Jagd zurück. Ihr Herz klopfte ein wenig schneller, wie immer, wenn sie den großen Vogel durch die Lüfte schweben sah.