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Zwischen seinen Krallen erkannte Lursa ein kleines Tier. Pyros sorgte für sie und für die Göttin; er war ein würdiger Geliebter auch noch in der Gestalt eines Adlers.

Der Greif ließ den erlegten Schneehasen vor Lursas Füße fallen und stolzierte langsam und majestätisch an ihr vorbei ins Innere der Höhle. Erwartungsvoll sah er ihr entgegen, als sie den Hasen aufhob und zum Feuer ging.

»Die andern feiern heute nacht ein Fest«, sagte Lursa leise. »Sie frönen dem Licht und der Liebe.« Langsam ließ sie sich auf ein paar Fellen nieder und schnitt mit dem Dolch dem Hasen den Bauch auf, griff in den kleinen Körper hinein und hielt kurz darauf dem Adler das blutige Herz hin.

»Für die Liebe«, flüsterte sie und wartete, bis der große Vogel näher kam. Vorsichtig, um Lursa mit dem scharfen Schnabel nicht zu verletzen, pickte er das Hasenherz aus ihrer Hand und verschlang es gierig.

Lursa leckte sich das Blut von den Fingern und streichelte dann sanft über die Flügel des Adlers. Die weichen Federn schmeichelten ihren Händen und wärmten sie für einen Augenblick.

Aus einem kleinen ledernen Säckchen nahm sie ein paar getrocknete Kräuter und warf sie in die Glut. Weißer Rauch stieg auf und erfüllte die Höhle mit einem süßen schweren Duft. Lursa streichelte wieder über die Flügel des Adlers.

»Ich brauche den Mann, Pyros.« Lursa sah den Greif an, und auch der Vogel schaute zu ihr auf. Seine dunklen Adleraugen blickten ernst, und sein ganzer Körper verfiel in eine seltsame Art Ruhe, als gelte es, keine Silbe von dem, was gesprochen wurde, zu verpassen.

»Ich brauche einen Sohn!« Sie kniff die Augen zusammen und blinzelte durch den weißen Rauch. »Meine Schwester hat in der vergangenen Nacht ein Kind empfangen.« Sie lachte kurz auf. »Ein Kind von diesem nichtssagenden Schwertträger, aber so war Luovana schon immer. Wenn sie liebte, ließ sie sich von nichts abhalten. So weit wie diesmal ist sie jedoch noch nie gegangen!« Lursa schüttelte den Kopf und atmete den weißen Rauch tief ein. Nach einer Weile begann ihr Körper sich ruhelos hin und her zu wiegen.

»Sie wird ein Mädchen zur Welt bringen, Pyros, dessen Schicksal es sein wird, die Frau eines großen Königs zu werden. Am Tage ihrer Abreise werden zwei Kämpfer des alten Volkes in strahlendem Gewande neben ihr reiten, um sie von da an in der anderen Welt zu beschützen. Das alte Volk wird sie in kostbare Kleider hüllen, und die Hohepriesterin selbst wird ihr einen Umhang aus tiefblauem Samt schenken. Blaue Bänder werden ihr Haar schmücken, und all das werden die Fremden nehmen und nicht verstehen.« Sie zog eine Grimasse. »Welch eine Verschwendung, dieses Mädchen zu den Fremden reiten zu lassen. Niemand wird sie verstehen, niemand wird ihre Warnungen ernst nehmen. Sie wird alleine sein, und sie wird nichts verhindern können.« Lursa lachte wieder. »Das Königsgeschlecht, in das sie hineinheiratet, wird in einem rauschenden Kampf untergehen, und sie wird daran nicht unschuldig sein.«

Lursa atmete tief ein. »Pyros, wir sollten dem Mädchen ein anderes Schicksal schenken. Eines voller Liebesqual. Ich schwöre beim Feuer meines Herzens und beim Blut meines Kindes. Mein Sohn wird die Hüterin des Feuers vernichten und auch ihre Tochter durch die Begierde zerstören. Es wird seine magische Liebe sein, die sie auf einen schmerzensreichen Wege bringen wird. In einer stürmischen Nacht soll er kommen und sie umarmen, damit das Mädchen erfährt, wozu ein Magier fähig ist. Dann wird sie keinen anderen Mann mehr erhören und sich in ewiger Sehnsucht nach dieser Leidenschaft verzehren. Wie gefällt Euch mein Wunsch für das Kind meiner Schwester, Pyros?«

Gedankenverloren streichelte sie wieder den Adler, während ihr Blick in die rote Glut fiel. Der weiße Rauch hatte sich verzogen, und die Luft in der Höhle wurde wieder klarer. »Ja, seine Liebe wird ihr Tod sein.« Sie schaute auf den Vogel und nickte. »Es ist entschieden, Pyros, ich brauche einen Sohn.«

Nach einer Weile legte sie langsam ihren Umhang ab und zog schließlich auch ihr Gewand aus, bis sie nackt auf den Fellen kniete. Ihre vollen Brüste hoben und senkten sich sachte in einer stillen Erregung, und ihre Haut schimmerte im Widerschein der Flammen.

»Die Göttin will es so«, flüsterte sie wieder.

Lursa löste ihren Blick von dem Feuer und wickelte ihren Umhang schützend um den linken Arm. Als sie sich vergewissert hatte, daß alles seine Richtigkeit hatte, schloß sie die Augen und wartete. Der Adler kam langsam näher und setzte sich vorsichtig auf den Stoff, der ihren Arm schützte, um sie nicht mit den scharfen Krallen zu verletzen. Als Lursa das Gewicht des Vogels spürte, begann sie mit leiser Stimme eines der alten Lieder zu singen. Es war ein langes, trauriges Lied, und während der ganzen Zeit saß der Adler unbeweglich auf ihrem Arm und wartete. Als der Gesang jedoch endete und der letzte Ton durch die Höhle widerhallte, stieß der Greif pfeilschnell mit dem Schnabel zu und riß der Frau ein Stück Fleisch aus der linken Brust, das er sofort gierig verschlang. Lursa schrie schmerzerfüllt auf, doch sie zwang sich, bewegungslos knienzubleiben, bis der Vogel seine Schwingen ausbreitete und die Höhle mit einem heiseren Schrei verließ. Dann erst brach sie, eine Hand auf der blutenden Wunde, vor dem Feuer zusammen.

»Es heißt die Liebe des Feuers«, erklärte Luovana und warf einen Blick auf Bruno, der die Tänzerin am Ende des grünen Saales nicht aus den Augen ließ.

»Die roten Federn, mit denen Antana tanzt, symbolisieren das Erwachen des Feuers und damit die Kraft der Liebe.« Sie schaute zurück zu Antana, die zwischen den Feuerschalen auf dem Boden in ihrem roten Gewand wie eine lebendige Flamme wirkte. Selbst für sie war es immer wieder bezaubernd, diesem Mädchen bei ihren schlangenhaften Bewegungen zuzuschauen, auch wenn diese lebendige Anmut ihr heute einen leichten Stich versetzte. Irgend etwas war anders als sonst. Sie fühlte sich unglücklich. Vorsichtig schaute sie wieder auf Bruno, der nun schon seit Stunden unbeweglich neben ihr saß und fast gelangweilt diesem Fest beiwohnte, obwohl alle sich große Mühe gaben, ihn aufzuheitern. Die Menschen hier ringsum schienen ihn nicht zu interessieren. Als Mandu, der grazile schöne Tänzer, der Abend für Abend allein der Hüterin zu Ehren seinen Feuertanz aufführte, das Fest eröffnet hatte, mußte sie Bruno ihre Hand auf den Arm legen, damit er aufschaute. Mandu hatte trotz aller Geschicklichkeit nicht Brunos Aufmerksamkeit erregen können, selbst dann nicht, als er riesige Flammen durch den Raum warf, die wie Blitze hier und da über die Decke des Saales zuckten.

Luovana war sicher, daß Bruno nie zuvor einen solch eindrucksvollen Tanz gesehen hatte, aber wenn es ihm gefallen hatte, so hatte er sich nichts anmerken lassen. Brunos Gedanken und Gefühle waren wie zu Eis erstarrt. Selbst seine Augen, mit denen er sie kaum ansah, lagen wie unter einem dichten dunklen Schleier verborgen. Luovana konnte sich sein Verhalten nicht erklären, es konnte nicht an diesem Fest liegen. Hatte sie einen Fehler gemacht?

Luovana hatte einen furchtbaren Schrecken bekommen, als eine Dienerin ihr am frühen Abend ausrichtete, der edle Herr von Falkenstein wolle nicht zu diesem Fest erscheinen. Sie war sofort zu ihm geeilt in banger Furcht, eine Krankheit habe ihn ans Bett gefesselt, doch er war wohlauf. So hatte sie darauf bestanden, daß seine Anwesenheit vonnöten war. Sie hatte ihre Macht als Hüterin des Feuers zum erstenmal gebrauchen müssen, um ihn davon zu überzeugen, daß er nicht auf einem Fest fehlen könnte, welches ihm zu Ehren gefeiert wurde.

»Möchtet Ihr noch Wein?«

»Wie?« Sein Blick schien aus weiter Ferne zu kommen, als er sie ansah. Luovana versuchte in seinen Augen zu lesen, doch es gelang ihr nicht.