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Unten verließen zwei Reiter das Burgtor und galoppierten auf den steinernen Überweg zu. Das war ungewöhnlich. Sie ritten die grauen Pferde der Hüterin des Feuers und hatten es sehr eilig. Was war da geschehen? Mit flinken Schritten verließ Antana den kleinen Felsvorsprung vor Lursas Höhle und betrat den schmalen Pfad, der sie hinunter zum Burgweg brachte. Vielleicht wurde sie gebraucht.

7

Luovana schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Sie fühlte sich nach den Anstrengungen der Nacht noch ein wenig schwach. Die Geburt der kleinen Brunhild war anstrengend gewesen, doch Antana hatte ihr Bestes gegeben. Das Mädchen hatte begnadete Hände und verstand eine Menge von der Seele einer Frau. Luovana hielt ihre Finger über das Feuer im Kamin und genoß die wohlige Wärme. Antana hatte ihr alleine durch ein paar Worte, durch Blicke oder mit einer einzigen kleinen Geste immer wieder die Kraft gegeben, die sie gebraucht hatte.

Luovana zog sich einen leichten Umhang über die Schultern. Sie ging zu der Wiege, in der ihr Kind schlief. In diesem Bettchen hatten sie und ihre große Schwester auch gelegen. Die alte Mona, Lursas und ihre Amme, hatte das hölzerne Möbelstück in einem der oberen Kammern gefunden. Die Alte hatte es liebevoll abgestaubt und mit einem neuen Bezug aus weißem Leinen versehen.

Die Hüterin zog die kleine Decke fort und beugte sich über das Kind. Voller Stolz betrachtete sie das winzige Wesen. Sie mußte lächeln, als sie sah, wie der kleine Mund im Schlaf hin und her nuckelte, als würde er das Saugen üben. Bald, dachte sie, bald meine Kleine, wenn du aufwachst, wirst du auch trinken können, bis du satt bist.

Das kleine Mädchen hatte ein rundes Gesichtchen, und ihre Händchen waren zart und schmal. Die Kleine würde einmal eine würdige Hüterin des Feuers werden.

Ein kühler Lufthauch veranlaßte Luovana, den kleinen Körper wieder zuzudecken.

»Luovana, verzeiht, wenn ich Euch störe, aber...« Eine Dienerin war leise eingetreten. Luovana schaute auf, und für einen Augenblick glaubte sie einen traurigen Zug in dem Gesicht der anderen zu lesen. Sie lächelte. Das Mädchen war noch sehr jung.

»Komm, Elena«, sagte sie. »Schau dir meine Tochter an, dann wird das, was du auf dem Herzen hast, vielleicht ein wenig leichter.« Der traurige Ausdruck verschwand für einen Augenblick. Die Dienerin lächelte freundlich und trat näher.

»Darf ich wirklich?«

Luovana nickte freundlich.

Elena zog die Decke ein wenig herab, um das kleine Gesicht des Kindes genau zu sehen.

»Sie ist so schön wir Ihr, Hüterin des Feuers. Sie wird Euch gewiß viel Freude bereiten«, sagte sie, senkte jedoch rasch den Blick. Luovana sah wieder den traurigen Ausdruck in ihrem Gesicht.

»Warum bist du gekommen?« fragte sie.

»Es ist...« Elena schaute auf. Nackte Verzweiflung lag in ihrem Blick.

»Nun, was ist geschehen?« drängte Luovana. Sie mochte es nicht, wenn jemand zauderte, ihr schlechte Nachrichten zu überbringen, als wäre sie ein altersschwaches Weib. »Was es auch ist, ich werde es schon verkraften. Ich bin die Hüterin des Feuers. Also sprich.«

Das Mädchen schluckte, und Luovana spürte, was es Elena für eine Anstrengung kostete.

»Die beiden Ritter sind fort. Sie sind geflohen! Sie haben zwei Eurer Pferde aus dem Stall genommen und...« Sie hielt inne.

»Und? Warum hat man sie nicht gehindert?« Luovana packte das Mädchen ungeduldig bei den Schultern. »Lursa wird ihnen auflauern und sie töten, wenn sie ohne Schutz versuchen, an den Paß zu gelangen.«

»Inmee hat es ja versucht.«

»Inmee? Das Mädchen aus dem alten Volk, das vor ein paar Tagen vom schwarzen Wasserfall kam?«

»Ja, Hüterin, das Mädchen war zufällig im Stall. Sie war tapfer und wollte die Männer nicht gehen lassen, aber Faramund hat sein Schwert gezogen...«

Luovana ließ das Mädchen los und schaute sie fassungslos an. »Er hat sein Schwert gezogen?«

Elena hielt sich die Hände vor das Gesicht. »Ich glaube, sie stirbt. Als wir sie fanden, war sie über und über mit Blut bedeckt.«

»Und die Männer?«

»Sie sind Richtung Burgweg davongaloppiert.«

»Wohin sollten sie auch sonst reiten«, sagte Luovana und warf einen Blick auf ihr Kind, das immer noch friedlich schlief. Dann schaute sie wieder auf die Dienerin. »Elena, hat eine von euch gesehen, ob die Pferde das Blut aufgeleckt haben?«

»Nein, es war ja niemand von uns da.«

Luovana wickelte sich fester in den Umhang und ging zur Tür. »Du bleibst bei der kleinen Brunhild. Ich werde Antana suchen, sie muß das Mädchen retten. Wir werden sie in den Raum des Lichtes bringen.«

»Aber...«, Elena schluchzte auf. »Antana ist nicht hier, sie kann Inmee nicht helfen.«

Luovana blieb wie versteinert stehen. »Was soll das heißen, Antana ist nicht hier? Sie hat die ganze Nacht bei mir gewacht und hat mir geholfen, Brunhild zur Welt zu bringen. Vielleicht schläft sie irgendwo. Wir werden sie suchen.«

Elena schüttelte den Kopf. »Wir haben die ganze Burg nach ihr abgesucht. Wenn wir Antana gefunden hätten, wäre ich deswegen nicht zu Euch gekommen, nicht jetzt.« Sie wischte sich mit dem Handrücken wieder eine Träne von den Wangen. »Die Heilerin ist nicht in der Burg.«

Luovana überlegte einen Augenblick. »Gut, dann werde ich es selber tun müssen. Inmee darf nicht sterben. Du, Elena, achte mir auf das Kind. Wenn es wach wird, dann bringe es mir.« Die Hüterin eilte den Flur entlang. Hinter sich hörte sie das leise Weinen der Dienerin. Ich werde mich später um sie kümmern, dachte Luovana und bog in den Säulengang ein, der zur Treppe führte.

Das große Tor, das in den Hof hinausführte, ließ sich nur schwer öffnen, daher nahm sie den kleineren Nebeneingang, der auch näher bei den Ställen lag. Der Nordwind fuhr ihr kühl ins Gesicht, als sie nach draußen trat. Luovana dachte an ihren warmen Umhang, den sie hätte nehmen sollen, doch dafür war nun keine Zeit mehr. Sie rannte so schnell sie konnte über den Hof zu den Pferden.

Wenigstens war es im Stall nicht so kalt. Luovana schaute sich flüchtig um. Ein paar Frauen standen ratlos bei den Tieren. Aus den Augenwinkel sah die Hüterin, daß einige von ihnen Waffen trugen, Schwerter, aber auch Langbögen waren darunter. Auf dem Boden lag inmitten einer roten Blutlache das Mädchen Inmee.

»Laßt mich zu ihr«, rief Luovana aufgebracht. Sie kniete sich neben dem zerschundenen Körper nieder. Elena hatte die Wahrheit gesagt. Faramund hatte tatsächlich das Schwert gezogen und Inmee damit lebensbedrohlich verletzt. Ihr Herz schlug kaum noch. Luovana schaute auf. Ihr Blick fiel geradewegs auf eine blonde Kriegerin.

»Arma«, flüsterte sie. Tränen stiegen in ihr auf. »Du bist hier? Wieso weiß ich das nicht?« Ungläubig schaute sie sich um. Sie sah jede einzelne der Frauen an, die bewaffnet und zum Kampf bereit dastanden. Kriegerinnen aus dem alten Volk.

»Wir sind bereit zur Jagd, Hüterin. Wenn Ihr wollt, holen wir Eure Pferde und die Männer zurück«, sagte Arma.

»Der Göttin sei Dank, daß du hier bist,« entgegnete die Hüterin und griff voller Freude nach dem Arm der Frau, die den Druck freundlich erwiderte.

Das kurze blonde Haar betonte Armas schmale Gesichtszüge und unterstrich das leuchtende Grün ihrer Augen. Unentwegt schaute sie auf Luovana, seit sie den Stall betreten hatte.

»Wann bist du gekommen?« flüsterte die Hüterin.

Arma strich ihr zärtlich über das Gesicht. »Vergangene Nacht sind wir gekommen, die drei Frauen und ich.« Sie zeigte auf ihre Gefährtinnen.

»Reist du nicht mehr alleine?«

»Ich war lange in der Gegend bei den schwarzen Wasserfällen.« Sie lächelte. »Du weißt, ich liebe den Frühling.«