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Als sie sich Lursa wieder zuwandte, sah die Frau ihr geradewegs in die Augen. Sie schien aus ihren Fieberträumen erwacht zu sein. Antana konnte deutlich lesen, daß Lursa alles wußte. Die Jägerin war Frau genug, auch in ihrem Zustand noch zu spüren, was zwischen Pyros und Antana vorgefallen war, welche magische Bindung sie eingegangen waren.

Antana senkte den Blick und griff nach den Tüchern. »Es wird eine schwere Geburt. Du wirst alle Kräfte dazu brauchen«, sagte sie.

»Das Kind liegt falsch, nicht wahr?« Lursas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Antana nickte. Es würde schwer werden, Mutter und Kind zu retten. Sie sah Lursa an. Diese Frau hatte alles, was ihr Leben war, wegen Pyros geopfert. Sie würde demnach nicht sehr freundlich mit ihr umgehen, wenn sie wieder bei Kräften war. Die Heilerin wandte ihr Gesicht ab. Was würde Pyros tun, wenn Lursa starb?

»Er wird dir nichts tun, wenn ich sterbe«, sagte Lursa, als hätte sie Antanas Gedanken erraten. »Er braucht dich, um seinen Vater zu befreien. Ich besitze nicht genug Kraft, um ihm zu helfen.«

»Beruhige dich. Du wirst nicht sterben.« Antana strich der anderen über die feuchte Stirn. Irgendwie konnte sie Lursa verstehen. Dieser Mann war es wert, für ihn zu sterben.

Antana holte aus ihrem Korb einen kleinen Tiegel mit Salbe und massierte die grüne, übelriechende Masse auf den Bauch der Frau, um die Schmerzen für sie erträglicher zu machen.

»Du wirst es schaffen«, flüsterte sie und wußte nicht recht, ob sie es mehr zu sich selber sagte als zu Lursa.

Die Jägerin griff nach ihrer Hand. »Er wird dir nichts tun«, wiederholte sie, »aber ich, wenn ich kann.« Ihre Augen waren voller Haß. »Du wirst ihn mir nicht nehmen. Er sollte dich nur hierherbringen, nichts weiter!« Erschöpft ließ sie die Hand wieder los und sank zurück. »Es ist sein Sohn, er wird mich nicht verlassen.«

Antana nickte nur. Wenn Lursa sich in diesem Zustand weiter aufregte, würde sie nicht einmal mehr das Kind retten können.

»Ich muß deinen Sohn drehen, sonst schafft ihr es beide nicht«, sagte sie.

»Tu, was du tun mußt!« zischte Lursa.

Antana rollte ein Stück Stoff zusammen und reichte ihn der anderen. »Hier, beiß darauf, damit du dich nicht verletzt, und dann schließe die Augen.«

Lursa tat, was die Heilerin ihr riet. Offensichtlich sah sie ein, daß sie derzeit wirklich machtlos war. Einer solch schweren Geburt entgegenzusehen war auch für sie nicht einfach. Antana griff nach ihrem Korb und schaute dabei auf ihren Arm. Er sah fast wieder normal aus. Nur noch eine blaßrote Färbung ließ sich am Rande der Wunden erkenne: Pyros hatte also auch heilenden Kräfte in sich.

»Pyros?« rief Antana.

Der Mann steckte den Kopf in die Höhle. »Ja?«

»Komm her, halt sie fest. Ich werde das Kind drehen müssen, sonst wird sie sterben.«

Der Magier kam mit langen Schritten auf sie zu und kniete sich neben Lursa. »Ist es so gut?« Er umfaßte den unförmigen Leib mit beiden Armen.

Antana nickte. »Ja, aber gib acht, daß sie ihre Beine nicht zusammenschlägt und...« Sie hielt einen Moment lang inne, »... und hilf ihr, wenn du kannst, sonst schafft sie es nicht.«

Der Mann richtete sich ein Stück zu ihr auf. »Meinst du das ehrlich? Ich soll ihr helfen? Du weißt, was das bedeutet.«

Die Heilerin rollte die Ärmel ihres Gewandes nach oben. »Ja, ich weiß, was es bedeutet!« Sie streute ein paar wohlduftende Kräuter in das warme Wasser und wusch sich mit einem Tuch sorgfältig die Hände. »Tu es, wenn du kannst!«

Der Magier nickte.

»Können wir anfangen?«

»Wenn du willst.«

Lursa schlug die Augen noch einmal auf und schaute Pyros an. Er lächelte. Zärtlich beugte er sich über sie. Seine Zunge berührte ihre aufgesprungenen Lippen.

»Meine schöne Priesterin der Nacht, ich bin hier«, flüsterte er, während seine Finger sanft über ihre Wangen streichelten.

»Du wolltest einen Sohn von mir, dann mußt du auch leben. Du darfst nicht aufgeben. Kämpfe! Versprich es mir!« Er küßte wieder ihren Mund, diesmal leidenschaftlicher als zuvor. Antana spürte einen leisen Stich in ihrer Brust, als sie sah, daß er von den winzigen Rissen auf Lursas Lippen das Blut ableckte und trank. Seine Zunge fuhr immer schneller über die winzigen Wunden, genau wie er es bei ihrem Arm gemacht hatte. Wenn es Lursa die gleiche Kraft gibt wie mir, dachte sie, dann hat die Jägerin eine gute Chance zu überleben. Sie schaute auf das Paar vor sich. War es wirklich ihr Wunsch, daß Lursa lebte? Antana wollte fortschauen, doch ihr Blick wurde von der unendlichen Liebe angezogen, die sie in Lursas Augen lesen konnte. Sie sah die Hingabe, die sie kurz zuvor noch selbst für diesen Mann in sich gespürt hatte.

Pyros wandte sich zu ihr um. »Fang an, Schwester, du wolltest, daß sie es schafft. Nun hat sie die Kraft dazu.«

Das leise Weinen eines Kindes veranlaßte Arma schneller zu gehen. Auf dem letzten Stück Weg zu Luovanas Zimmer zog sie vorsichtshalber ihren Dolch. Es war ihr unheimlich, daß niemand sich rührte. Die Burg schien wie ausgestorben zu sein. Keine einzige Frau war ihr in den langen Gängen begegnet. Ihre ledernen Stiefel hallten einsam auf dem steinernen Fußboden wider, wie ein unheilvolles Zeichen. Voller düsterer Ahnung öffnete sie langsam die Holztür zu Luovanas Zimmer und erstarrte bei dem Anblick, der sich ihr bot. In dem dämmrigen Licht der verlöschenden Glut wirkte dieses Zimmer wie ein finsterer Alptraum auf sie. Das große Bett, das sie mit Luovana geteilt hatte, war blutverschmiert. Davor lag, seltsam in eine Decke geschlungen, die Leiche von Elena. Ihre Augen waren weit aufgerissen, als hätte sie einen Dämon gesehen. Neben Elena lagen die beiden Kriegerinnen aus dem alten Volk. Sie mußten auf ähnliche Weise gestorben sein wie die Dienerin, denn ihre Körper waren genauso zugerichtet worden. Tiefe Wunden hatten ihre Leiber verunstaltet. Arma würgte. Nur langsam trat sie näher und zog das Ende der Decke über das tote Gesicht von Elena. Auch die Kriegerinnen deckte sie mit einem der Laken sorgfältig zu. Dann wandte sie sich von dem Bild des Grauens ab.

Der kleinen Brunhild war nichts geschehen. Arma atmete erleichtert auf.

Die Kriegerin ging um das große Bett herum. Blutige Stoffetzen von Elenas zerrissenem Gewand lagen vor dem Kamin. Nahe der Glut fand sie eine Adlerfeder. Arma hob sie auf und entdeckte unter der Feder einen kleinen schwarzen Stein. Vorsichtig fuhr sie mit den Fingern darüber, doch sobald sie die glatte glänzende Fläche berührte, begann ihr Blut schneller zu kreisen. Ihre Händen wurden wärmer, und diese Wärme begann sich allmählich auszubreiten. Der Stein war einer der dunklen Feuersteine, wie sie die Magier des Feuers verwendeten, um ihre magischen Kräfte zu verstärken. Solch ein Artefakt zu besitzen hieß, dem dunklen Zauber zu verfallen.

Arma schauderte und wandte sich ab. Diesen Stein würde sie nicht noch einmal berühren.

Brunhild weinte immer noch. Es war ein verzweifeltes leises Wimmern, das der Kriegerin ins Herz schnitt. Sie nahm das winzige Bündel hoch und schaukelte es in ihren Armen. Das kleine Gesicht war gerötet und naß von den vielen Tränen. Das Kind mußte schon Ewigkeiten alleine daliegen. Das beste war, sie brachte die Kleine in den Raum des Lichtes. Arma überlegte, Luovana war zu schwach, um das Kind zu stillen. Sie brauchte eine Amme.

Die Kriegerin machte einen Schritt und stieß mit dem Fuß an einen Dolch. Sie bückte sich. Die Waffe war mit ihrer Obsidianklinge unverwechselbar. Sie gehörte Antana. Oft genug hatte sie die Heilerin damit gesehen. Arma runzelte die Stirn. Nur schwer konnte sie sich erklären, was genau in diesem Raum geschehen war. Wenn es hier zu einem Kampf gekommen war, wo war dann Antanas Leiche? Wieso hatte der Adler die Heilerin nicht auch getötet? Warum hatte er die kleine Brunhild zurückgelassen? Hatte Antana sich vielleicht für das Kind geopfert?