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Antana betrachtete es und erkannte den kleinen Raban, dessen winziges Gesichtchen aus den Tüchern hervorlugte. Er schlief ruhig.

»Der Kleine bleibt bei uns«, flüsterte Pyros und schob ihr eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wir werden für ihn sorgen und ihn aufziehen. Er wird einmal ein großer Magier werden.«

»Lursa?« flüsterte Antana. Mehr konnte sie nicht sagen. Sie wollte wissen, wo die Jägerin war? Pyros war doch Lursas Geliebter, Raban war Lursas Kind. Alles war furchtbar durcheinandergeraten, sie mußte endlich fort von hier! Die Jägerin würde zurückkommen, sie hatte ihr Rache geschworen. Lursa würde es wieder und wieder versuchen, bis es ihr gelingen würde, sie endlich zu töten.

Pyros schaute Antana an. Ein sanfter Glanz belebte seine Augen. »Ich bin bei dir,« sagte er leise und streichelte wieder ihr Gesicht. »Ich werde dich nicht mehr verlassen.«

»Lursa?« keuchte Antana heiser. Sie wollte wissen, wo die andere war, eher würde sie hier keine Ruhe finden. Warum überhaupt brachte Pyros sie nicht endlich fort?

»Lursa hat die Burg mit dem Feuerzauber der Gwenyar angezündet«, erwiderte der Magier und griff nach Antanas Hand.

Die Heilerin riß die Augen auf. Daher kam also das flackernde Licht, dachte sie, das für einen Augenblick die Höhle erhellt hatte, als Pyros die Decke am Eingang zur Seite geschoben hatte. Die Burg brannte.

»Warum?« Ihre Lippen formten unhörbar die Frage. Warum hatte Lursa das getan; es ergab keinen Sinn.

»Lursa wollte mir Raban nicht geben. Sie wollte lieber mit dem Kind in den Tod gehen, als es mir anzuvertrauen.« Pyros betrachtete seinen schlafenden Sohn und schaute dann Antana wieder in die Augen. »Sie war zu geschwächt für diesen Zauber. Die Magie hat ihr die letzten Kräfte geraubt. Nach der anstrengenden Geburt gestern hätte sie das Lied niemals singen dürfen. Vielleicht hätte ich den Zauber verhindern sollen. Ich habe geahnt, was sie vorhatte, aber ich habe nichts getan.« Er streichelte Antanas Hand. »Ich habe sie und das Kind aus der brennenden Burg gebracht, aber Lursa war schon tot, bevor ich noch den Hof erreicht hatte.«

Antana drehte den Kopf zur Seite und atmete tief ein. Sie war so entsetzlich müde. Sie schaute auf das kleine Bündel neben sich. Hoffentlich, dachte sie, fand Lursa dort, wo sie nun hinging, ihren Frieden. Das Schiff der Gwenyar war ihr verwehrt. Sie würde nicht wie Luovana zu den Gärten reisen. Auch Antana selbst würde nicht mehr dorthin gelangen, wenn sie starb. Der Magier hatte ihr Leben über den Tod hinaus verändert.

Sie betrachtete sein Gesicht. Arme Lursa, dachte sie. Die Jägerin hatte diesen Mann geliebt und war gestorben, weil er ihr das Kind abverlangte, genau wie sie selbst gestorben wäre, um sein Kind zu behalten.

Jetzt saß Pyros bei ihr, als wenn ihm das alles nichts bedeuten würde, und streichelte sie. Gestern nacht hatte er bei Lursa gesessen und sie gestreichelt.

Antana versuchte in seinem Gesicht zu lesen. Er sprach nicht von Liebe. Er sprach von Macht und von seinem Vater!

Würde Pyros sie eines Tages töten, um wieder frei zu sein?

»Worüber denkst du nach?« Seine sanfte Stimme berührte sie warm. Er machte ein besorgtes Gesicht. »Mach dir keine Sorgen«, flüsterte er, »es wird alles gut werden.« Langsam beugte er sich über sie und küßte zärtlich ihre Wangen.

Sie schüttelte unmerklich den Kopf.

Fragend schaute er sie an. Tränen liefen ihr über die Wange.

»Armes Mädchen«, sagte er. »Die Schmerzen werden bald nachlassen.«

Sie weinte nicht wegen der Schmerzen, aber das brauchte er nicht zu wissen. Sie weinte um ihr Leben. Nur ein Tag und eine Nacht, dachte sie, hatten ihr ganzes Dasein verändert. Gestern noch war sie die Heilerin der Flammenburg. Müde schloß sie die Augen. Es war zu spät, um nachzudenken.

13

»Hier, halte den Stein so, wie ich es dir gezeigt habe. Du darfst ihn nicht zu fest halten. Siehst du, so! Sonst geht deine Kraft nicht in den Stein über.«

Das kleine Mädchen mit den dunklen Augen betrachtete aufmerksam jede Bewegung, die ihr die blonde Kriegerin vormachte. Sie nahm den Stein achtsam entgegen und wog ihn in der Hand.

»Ja, genauso ist es richtig!« Arma schaute der kleinen Brunhild liebevoll zu.

Die Kleine schloß ihre Faust um den Stein und machte ein ernstes Gesicht.

»Stell dir vor, der Stein ist dein Freund, der für dich an einen anderen Ort fliegt. Er wird dich beschützen, wenn du kämpfen mußt. Deshalb achte ihn und wähle ihn mit Bedacht aus. Sei dir sicher, daß nur dieser der Richtige ist, sonst wähle einen anderen. Dein Herz muß bei der Sache sein. Verstehst du?«

Brunhild nickte. Ihre rotbraunen Locken wippten dabei auf und ab. Arma mußte lächeln. Es war eine Freude, die Kleine zu unterrichten. Alles, was sie ihr sagte, nahm das Kind mit großer Neugierde auf.

Arma wischte mit der Hand ein wenig über den Boden, suchte und wählte einen neuen Stein aus. »Versuche diesen und entscheide dich für den Besseren«, sagte sie.

Das Mädchen hielt die beiden Steine in ihren kleinen Händen, öffnete und schloß eine Faust darüber und neigte abwägend den Kopf.

»Ich glaube, dieser ist besser«, sagte sie und reichte der Kriegerin den ersten Stein. Das Kind warf den anderen Stein wieder auf den Boden und schaute die Kriegerin erwartungsvoll an. »Darf ich jetzt werfen?«

»Nicht so schnell.« Arma kniete sich nieder, damit sie dem Mädchen in die Augen sehen konnte. »Erinnerst du dich noch,« sagte sie, »was ich dir über das Ziel gesagt habe?«

Auf der Kinderstirn bildete sich eine schmale Falte. Voller Sorgen blickte Brunhild auf den Felsen, den Arma vorhin als Ziel auserwählt hatte. »Du hast gesagt, ich soll es mir zum Freund machen, genau wie den Stein.«

»Ja, richtig. Am besten stellst du dir vor, der Stein sei ein Vogel, und du mußt ihm sagen, wo er für dich landen soll. Siehst du, ich werde es dir vormachen.« Arma hob einen Stein vom Boden auf und drehte ihn in ihren Händen, dann schaute sie auf den Felsen, der gute dreißig Schritte entfernt war, und holte aus. Klirrend landete der Kiesel auf dem Felsen.

»Jetzt du«, sagte sie und lächelte die Kleine aufmunternd an.

Das Kind holte ebenfalls weit aus. Mit großen Augen schaute sie ihrem Kiesel hinterher. Er verfehlte nur knapp den Felsen.

»Das hast du gut gemacht«, lächelte Arma. »Wenn du erst die Zauberwörter der Gwenyar beherrschst, die dir die Priesterin beibringen wird, dann wirst du im Steinwerfen kaum noch zu schlagen sein.«

»Aber ich will diese dummen Wörter nicht lernen«, maulte Brunhild und legte wieder die Stirn in Falten. »Diese Worte sind so schwer, daß sie nicht in meinen Kopf wollen.«

Arma lachte. »Ich weiß, sie sind wirklich nicht leicht. Aber du wirst sie lernen müssen. Jedes einzelne der alten Zauberwörter und Zauberlieder der Gwenyar wirst du lernen.«

»Nein, ich will nicht!« Trotzig stampfte die Kleine mit dem Fuß auf.

Arma machte spielerisch ein besorgtes Gesicht. »Und wer soll dann die nächste Hüterin des Feuers werden?«

»Das ist mir egal.« Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Ich jedenfalls nicht.«

»Aber warum nicht?«

»Ich mag kein Feuer, es hat mir weh getan.« Sie hielt der Kriegerin ihren ausgestreckten Zeigefinger hin.

Arma küßte den kleinen Finger. Brunhild hatte wirklich eine Brandblase. »Wenn du die dummen Wörter der Gwenyar lernen würdest«, sagte sie. »Dann würde das Feuer dir nichts tun.«

»Dann tut es mir nicht mehr weh? Nie mehr?«