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Dann war alles ganz anders gekommen. An einem finsteren Tag, an dem die Sonne nicht aufzugehen schien, hatten die Priesterinnen des alten Volkes Lursa eine Prüfung gesandt. Luovana wußte nicht genau, was draußen in den schwarzen Bergen geschehen war. Sie erinnerte sich nur an einen rotgoldenen Feuerball, der das graue Licht zerriß und leuchtend in den Himmel gefahren war. Sie hatte ihn von diesem Fenster aus gesehen, und dann waren die Priesterinnen zu ihr gekommen.

Luovana seufzte und ging zurück zum Kamin. Die Göttin bedachte die Frauen oft mit unerklärlichen Prüfungen. Sie schickte ihnen Aufgaben, deren Sinn sich nicht erklären ließ.

Die Gwenyar hatten ihr den Rubin gegeben und erklärt, daß Lursa nun nicht mehr in die Burg zurückkäme, daß ihr Weg ein anderer sei, den sie draußen in den Bergen allein gehen mußte. Luovana war bestürzt und traurig gewesen, so rasch nach dem Tod der Mutter auch ihre Schwester zu verlieren. Sie fühlte sich verlassen und hilflos. Doch die Priesterinnen blieben eine Weile bei ihr und brachten ihr bei, was sie als Hüterin des Feuers wissen mußte. Sie lehrten sie, der Göttin zu dienen, lehrten sie die alten Mythen und Riten von der Liebe, dem Glanz und des Feuers. Sie übten mit ihr Bogenschießen und versuchten auch, ihr die Kraft der Magie zu vermitteln. Aber Luovana war nicht wie Lursa, die schon als junges Mädchen Ewigkeiten damit zubrachte, kleine Gegenstände mittels ihrer Gedanken bewegen zu können. Magie war noch nie ihre Stärke gewesen. Sie hielt nichts davon, andere Menschen durch eine geheimnisvollen Macht zu beeinflussen. Es lag eine Verlockung darin, die sie fürchtete, weil sie sich eingestehen mußte, daß ihr selbst nicht gerade wohl bei dem Gedanken war, von einem anderen verzaubert zu werden.

Luovana griff wieder nach dem silbernen Kelch und betrachtete den dunklen Wein darin. Lursa hatte ihre Prüfung nicht bestanden. Luovana wußte, daß die Priesterinnen auch ihr eines Tages eine schwere Aufgabe stellen würden. Dann mußte sie beweisen, ob sie würdig war, den Rubin zu tragen.

Aber der Weg des Lichtes und der Weg der Dunkelheit waren nicht weiter voneinander entfernt, als eine Dolchklinge breit war, denn in beiden Wegen lebte dieselbe Macht.

»Darf ich eintreten?« Bruno schaute auf die Frau am Fenster. Sie stand dort, tief in Gedanken versunken in einem roten Samtkleid, das ihre schmale Gestalt unterstrich. An einem langen Lederriemen hing ein Rubin von der Größe eines Hühnereis, und in den Händen hielt sie einen silbernen Becher.

Luovana hob überrascht die Augen und nickte freundlich.

Bruno trat näher, ohne den Blick von ihr wenden zu können. Ihre roten Haare, die bisher sorgsam unter der großen Kapuze ihres Umhangs verborgen waren, fielen nun in wilden Locken über ihre Schultern, daß es ihm den Atem verschlug. Edle Frauen von Stand hatten ihre Haare zu bändigen und wenn nötig mit einem Schleier zu bedecken. Luovana verstieß gegen viele Sitten, wenn sie ihn allein mit einem Blick und einer wilden ungezähmten Lockenpracht aus der Fassung brachte. Sie ist so anders als Genovefa, dachte er. So voller Kraft und Tatendrang, wie er es nie zuvor bei einer Frau gesehen hatte. Es reizte ihn, in ihrer Nähe zu sein, und doch war sie ihm auch unheimlich.

»Das ist also die Flammenburg«, sagte Bruno. Ihr schweigend gegenüberzustehen verwirrte ihn. Er war aber auch kein Knappe mehr, der sich von seiner eigenen Unbeherrschtheit hinreißen ließ. »Und diese Burg ist wirklich ganz und gar von dem Lavastrom umgeben?«

»Ja, es ist ein Ringkrater. Das ganze Gebirge ist von dem Vulkan durchzogen. Er schützt uns vor...« Luovana hielt inne und fuhr dann zögernd fort. »Nun, wir haben gelernt, ihn zu lieben.«

Bruno nickte und nahm den silbernen Kelch, den sie ihm reichte. »Ihr trinkt roten Wein?« fragte er erstaunt, als er gekostet hatte. »Woher habt ihr ein solch edles Getränk?«

»Eines unserer Schiffe brachte drei Fässer von seiner letzten Fahrt mit.«

Bruno nickte und nahm noch einen tiefen Schluck. Der Wein war warm, er hatte einen vollen runden Geschmack, der schwer auf seiner Zunge lag. Lange hatte ihm niemand mehr eine solche Kostbarkeit gereicht.

»Verzeiht, aber werden wir die Ehre haben, die Hüterin des Feuers kennenzulernen? Eine Dienerin, die mich in mein Zimmer führte, sprach davon, daß die Herrin dieser Burg die Hüterin des Feuers genannt wird. Ich würde Ihr gerne meine Aufwartung machen und Ihr mein Schwert anbieten, auf daß sie darüber verfügen möge.«

»Ihr wollt die Hüterin des Feuers kennenlernen?« Luovana machte eine schwungvolle Verbeugung. »Ich bin die Hüterin und nehme Euer Angebot, über Euer Schwert zu verfügen, gerne an.«

Bruno hob erstaunt die Brauen.

»Was überrascht Euch daran?«

»Nun, ich hatte mir Euch nicht so vorgestellt. Verzeiht, ich dachte...« Bruno brach irritiert ab.

»Die Hüterin des Feuers regiert das Volk nicht, sondern sie lebt inmitten des Feuers, um der Göttin und den Menschen zu dienen.«

Bruno nippte wieder an dem silbernen Kelch. Der Wein war wirklich vorzüglich.

»Dann regiert Euer Gemahl, der König?«

»Nein, es gibt hier keinen Gemahl. Die Hüterin des Feuers erwählt sich einen Mann, der ihr gefällt. Aber ein Mann könnte niemals Wächter des Feuers werden.«

Bruno rang plötzlich nach Luft. Er spürte, wie der schwere Wein schon seine Sinne betäubte. »Dann ist das also Eure Burg?« keuchte er.

»Wenn Ihr so wollt, ist es meine Burg. Obwohl ich eher sagen würde, dieser Ort ist die Heimat des Feuers, und ich lebe in seiner Mitte.« Luovana lächelte.

Bruno fühlte ihren Blick auf sich. Insgeheim sehnte er sich nach den sittsamen Frauen seiner Heimat. Die Damen dort schlugen stets die Augen nieder, wenn ihnen ein Mann begegnete. Sie ließen sich verehren, sie lächelten sanft, aber sie brachten einen Mann nicht in solch eine Lage, indem sie ihn unentwegt anstarrten. Selbst Genovefa, die sich seiner Liebe stets sicher sein konnte, hätte niemals gewagt, ihn so furchtlos anzuschauen.

»Ist Euch nicht gut? Fehlt Euch etwas?«

»Nein.« Bruno räusperte sich. »Nein, es ist nur der Wein, ich vertrage einen so schweren Wein nicht mehr.«

Die Hüterin lächelte. Ihre Lippen waren wie zwei zarte rote Bänder.

Bruno straffte den Rücken. Er würde jetzt gehen. Es war klüger zu erkennen, wann man nicht mehr Herr der Lage war. Der Wein drohte ihm endgültig die Sinne zu verwirren. Alles um ihn herum begann sich zu drehen.

Worms und der Hof König Dankrats schienen so unendlich weit fort zu sein. Genovefa, seine Geliebte, wo war sie? Wo war die Liebe seines Lebens? Wie hatte sie ihn so grausam verlassen können? Er schluckte. Sie war tot. Ein Speer König Dankrats hatte sie versehentlich auf dem Turnierplatz getroffen. Ihr Gewand war voller Blut gewesen. Blut so rot wie der Wein. Bruno schaute in den Becher, er war fast leer.

Warum hörte Luovana nicht auf, ihn anzuschauen? Was wollte sie von ihm? Ihr Blick sank von seinen Augen hinab auf seine Lippen, glitt dann langsam, sehr langsam, tiefer bis zu seinen Stiefeln und wieder zurück. Er fühlte das Blut warm durch seine Adern kreisen und stürzte hastig den Rest Wein hinunter.

»Wie ich sehe, passen Euch die Kleider, die ich Euch bringen ließ«, sagte Luovana und kam zwei kleine Schritte näher. Bruno sah es und haßte sich für die Freude, die er darüber empfand. Warum quälte sie ihn so?

Sanft berührte ihre weiße warme Hand den Ärmel seines Hemdes, strich dann über seine Brust und blieb dort liegen, als habe sie ein Recht dazu.

Bruno schüttelte den Kopf. Sie stand nahe genug, daß er ihren süßen Duft einatmen konnte. Er fühlte plötzlich, wie eine zärtliche Sehnsucht ihm die Kehle zuschnürte. Eine Sehnsucht nach weichen Armen, die sich um seinen Hals schlangen, nach einem warmen Leib, der sich an seinen schmiegte.