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Innerhalb einer halben Stunde war die ganze Gruppe mit Steinbeilen, Bambusschaftäxten, Lanzen, Steindolchen und Faustkeilen bewaffnet.

Frigates Hand ging es bereits etwas besser. Der Schmerz ließ nach, und auch die Blutung hatte aufgehört. Burton fragte ihn neugierig, wieso er sich so gut in der Bearbeitung von Steinen auskenne.

»Ich war einmal Amateuranthropologe«, erwiderte Frigate. »Eine ganze Menge von Leuten — relativ gesehen — lernten zu meiner Zeit, wie man aus Steinen Werkzeuge und Waffen herstellte. Es war ein Hobby, verstehen Sie? Einige von uns entwickelten sogar meisterhafte Fertigkeiten in diesem Fach, auch wenn ich der Ansicht bin, daß keiner davon es je so weit brachte wie unser paläolithischer Spezialist hier. Unsere Vorfahren machten schließlich solche Dinge ihr Leben lang. Na ja, und da ich auch ein bißchen darüber weiß, wie man mit Bambus umgeht, dachte ich, meine Mitarbeit könnte für die Gruppe von einigem Wert sein.«

Sie schickten sich an, zum Fluß zurückzukehren. Auf dem Rücken eines breiten Hügels legten sie eine Rast ein. Die Sonne stand jetzt beinahe senkrecht über ihnen. Von hier aus war es ihnen möglich, den Fluß und die Ebene über mehrere Kilometer hinweg zu überblicken. Obwohl sie zu weit von den Menschen auf der anderen Seite des Wassers entfernt waren, stellte es keine Schwierigkeit dar, die pilzförmigen Felsformationen zu erkennen, welche das gegenüberliegende Ufer säumten. Das Gelände auf der anderen Seite glich dem ihrer Umgebung fast aufs Haar. Auch die dortige Ebene schien anderthalb Kilometer breit zu sein. Die sich daran anschließende Hügelkette war mit Bäumen bedeckt. Dahinter erhoben sich die steilen Flanken blauschwarzer Berge.

Nördlich und südlich von ihnen erstreckte sich das Tal an die fünfzehn Kilometer weit. Dann machte es einen Knick, und der Fluß kam außer Sichtweite.

»Die Sonne scheint hier spät auf- und früh unterzugehen«, sagte Burton. »Wir sollten die Helligkeit in jedem Fall für unsere Zwecke nutzen und das Beste daraus machen.«

Im gleichen Moment zuckten sie zusammen. Einige Angehörige der Gruppe schrieen auf. Eine blaue Flamme schoß von der Spitze eines der pilzförmigen Felsen in die Höhe, zischte bis zu sechs Meter hoch in die Luft und erlosch schlagartig wieder. Ein paar Sekunden später drang das Geräusch rollenden Donners an ihre Ohren. Die Welle erreichte das hinter der Gruppe liegende Gehölz und wurde als Echo wieder zurückgeworfen.

Burton nahm das kleine Mädchen auf den Arm und bewegte sich als erster bergab. Obwohl keiner von ihnen mehr Kraft aufwandte als unbedingt nötig war, mußten sie von Zeit zu Zeit anhalten, um sich zu verschnaufen. Dennoch fühlte Burton sich wunderbar. Es war lange her, seit er es gewagt hatte, seinen Muskeln eine solche Anstrengung zuzumuten; er war begierig, die Grenzen seiner neuen Leistungsfähigkeit kennenzulernen. Noch vor kurzer Zeit wären einem solchen Marsch das Anschwellen seiner Füße und wildes Herzklopfen gefolgt. Es war kaum zu glauben, mit welcher Leichtfüßigkeit er nun die Kilometer hinter sich brachte.

Sie erreichten die Ebene und setzten ihren Weg gemütlicher fort. Man sah auf den ersten Blick, daß die sich hier aufhaltenden Menschen ziemlich überrascht waren, als sie ihre Bewaffnung sahen. Burton schob diejenigen, die ihm im Weg standen, einfach beiseite. Zwar erntete er manchen bösen Blick, aber niemand wagte es, darauf mit einem ähnlichen Verhalten zu reagieren. Dann hatte er auch schon den Platz des nächstliegenden Pilzfelsens erreicht und erkannte, was die Aufmerksamkeit der Leute erregte.

Man konnte es sogar riechen.

Frigate, der sich hinter ihm aufhielt, sagte plötzlich: »Oh, mein Gott.« Er versuchte sich — trotz seines leeren Magens — zu übergeben.

Burton hatte im Laufe seines Lebens zu viele scheußliche Dinge gesehen, um sich noch überraschen zu lassen. Darüber hinaus besaß er die Fähigkeit, Dinge, die ihn zu sehr mitnahmen, auf bewundernswerte Weise zu verdrängen.

Meistens gelang es ihm, den allzu üblen Dingen des Lebens mit einem einfachen, aus der Realität des Daseins hinausführenden Schritt auszuweichen, und in der Regel tat er das automatisch. Und so war es auch in diesem Fall.

Die Leiche lag auf der Seite und wurde halb von der pilzförmigen Überdachung des Felsens verdeckt. Ihre Haut war völlig verbrannt, die nackten Muskeln sichtbar. Nase und Ohren, Finger, Zehen und Genitalien waren entweder nicht mehr vorhanden oder zu kleinen, formlosen Stümpfen zerschmolzen.

Neben der Leiche hockte eine Frau auf den Knien und murmelte in italienischer Sprache ein Gebet. Sie hatte große, schwarze Augen, die man hätte schön nennen können, wären sie nicht vom Weinen gerötet und von Tränen überschwemmt gewesen. Unter anderen Umständen hätte ihre phantastische Figur sicher die Blicke aller Anwesenden auf sich gezogen.

»Was ist passiert?« fragte Burton.

Die Frau hielt inne und sah ihn an. Schließlich stand sie auf und sagte leise: »Pater Giuseppe hatte sich gegen diesen Felsen gelehnt; er sagte, er sei hungrig und sehe keinen Sinn darin, ins Leben zurückgerufen zu werden, um dann des Hungers zu sterben. Ich erwiderte, daß wir schon nicht sterben würden, daß ich DARIN keinen Sinn sähe. Wenn man uns von den Toten hat auferstehen lassen, ist auch jemand da, der uns beschützen wird. Er sagte daraufhin, daß wir uns möglicherweise in der Hölle befänden, daß wir von nun an bis in alle Ewigkeit nackt und hungrig hier herumlaufen müßten. Ich sagte ihm, er solle nicht blasphemisch werden und daß er der letzte sei, der sich solche Worte erlauben dürfe. Er meinte, dies hier sei nicht identisch mit dem, was er vierzig Jahre lang den Menschen erzählt habe. Und dann… und dann…«

Burton wartete einige Sekunden lang und sagte dann: »Was geschah dann?«

»Pater Giuseppe sagte, daß es hier zwar kein Höllenfeuer gebe, aber daß dies immer noch besser sei, als eines langsamen, sich ewig dahinziehenden Hungertodes zu sterben. Dann schlugen plötzlich Flammen auf ihn ein, umhüllten ihn und erzeugten einen Knall, als sei eine Bombe explodiert. Er war sofort tot, völlig verbrannt. Es war schrecklich… schrecklich.«

Um den Wind im Rücken zu haben, näherte Burton sich der Leiche von Norden, aber selbst hier war der Gestank unbeschreiblich. Aber nicht der Geruch, sondern der Gedanke an den Tod war es, der ihn bewegte. Der erste Tag der Wiedererweckung war noch nicht halb vorbei, und schon war der erste von ihnen nicht mehr am Leben. Bedeutete das, daß die Wiedergeborenen hier ebenso der Gefahr des Todes ausgesetzt waren wie in ihrem irdischen Dasein?

Und wenn das so war — welcher Sinn steckte dahinter?

Frigates Magen schien sich jetzt wieder beruhigt zu haben. Etwas bleich und schwankend erhob er sich aus seiner knienden Stellung und wandte sich Burton zu, dem Leichnam den Rücken zudrehend.

»Hätten wir uns das nicht lieber ersparen sollen?« fragte er und deutete mit dem Daumen über die Schulter.

»Ganz bestimmt«, erwiderte Burton gelassen. »Es ist wirklich schade, daß seine Haut völlig ruiniert wurde.«

Er grinste den Amerikaner an. Frigate sah jetzt noch schockierter aus als zuvor.

»Hier«, sagte Burton. »Nehmen Sie seine Beine. Ich werde ihn am anderen Ende packen. Wir werfen ihn in den Fluß.«

»In den Fluß?« fragte Frigate erstaunt.

»Yeah. Falls Sie ihn nicht in die Hügel hinauftragen und ein Loch für ihn ausheben wollen.«

»Ich kann das nicht«, erwiderte Frigate und ging weg. Burton warf ihm einen erstaunten Blick nach und gab dann dem Frühmenschen einen Wink. Kazz grunzte, kam mit seinem Watschelgang näher. Vor der Leiche blieb er stehen, beugte sich über den Körper, und ehe Burton auch nur zugreifen konnte, warf er sich den Toten über die Schulter, machte ein paar Schritte auf den Fluß zu und warf ihn mit gewaltiger Kraft ins Wasser. Die Leiche wurde von der Strömung erfaßt und wirbelte davon. Dennoch schien Kazz mit seinem Werk noch nicht zufrieden zu sein. Er machte ein paar Schritte in den Fluß hinein, wartete, bis das Wasser ihm bis zu den Hüften reichte, und tauchte unter.