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Sie marschierten über die kilometerlange Ebene auf die Hügel zu. Mehrere Leute schlossen sich ihnen an. Darunter befand sich auch ein etwa sieben Jahre altes, kleines Mädchen mit blauen Augen und einem hübsch geschnittenen Gesicht. Als Burton sie in zwölf verschiedenen Sprachen fragte, ob sie allein und niemand von ihren Eltern in der Nähe sei, starrte sie ihn nur bewundernd an und erwiderte etwas in einem Idiom, das keiner verstand.

Diejenigen aus der Gruppe, die mehrere Sprachen beherrschten, versuchten alles, um etwas über das Mädchen herauszufinden, aber es war zwecklos.

Nachdem man nahezu jede europäische Sprache probiert hatte, versuchte man es mit afrikanischen und asiatischen: Hebräisch, Hindustani, Arabisch, einem Berberdialekt, Rumänisch, Türkisch, Persisch, Latein, Griechisch und Pushtu.

Frigate, der ein wenig Walisisch und Gälisch konnte, versuchte ebenfalls sein Glück, woraufhin sich die Augen des Mädchens weiteten und sie die Stirn runzelte. Sie erweckte mit ihrem Verhalten den Eindruck, als kämen Frigates Worte ihr irgendwie bekannt vor. Aber offenbar waren sie zu stark abgewandelt, als daß sie sie zu verstehen vermochte.

»Nach dem, wie sie sich benimmt«, meinte Frigate, »könnte sie eine Gallierin aus einer sehr alten Zeitperiode sein. Und sie benutzt immer wieder das Wort Gwenafra. Ob das ihr Name ist?«

»Wir werden ihr Englisch beibringen«, sagte Burton. »Und werden sie Gwenafra nennen.« Er hob das Mädchen auf seine Arme und trug sie. Obwohl sie in Tränen ausbrach, machte sie keinen Versuch, sich zu befreien, und Burton kam zu dem Schluß, daß ihr Weinen nichts anderes war als ein Ausdruck unbeschreiblicher Freude darüber, endlich einen Beschützer gefunden zu haben. Burton senkte den Kopf ein wenig und legte ihn gegen den Körper des Kindes. Er wollte nicht, daß die anderen die Tränen, die sich in seinen Augen sammelten, sahen.

An der Stelle, wo die Ebene in die Hügellandschaft überging, endete — als hätte man eine Linie gezogen — auch der kurzhalmige Grasteppich. Von nun an war der Bodenbewuchs hüfthoch. Die Umgebung war von wildwucherndem Gestrüpp, gigantischen Bäumen in allen möglichen Farben bestanden. Wilder, dicker Bambus wuchs überall. Es waren verschiedene Arten, von denen einige weich und kaum einen Meter hoch, andere jedoch beinahe richtige Wälder bildeten, die beinahe fünfzehn Meter in die Höhe wuchsen. Viele der Bäume waren von Ranken umschlungen, auf denen große grüne, rote, gelbe und blaue Blüten leuchteten.

»Bambus ist das ideale Material für Lanzenschäfte«, sagte Burton. »Außerdem kann man daraus Wasserleitungen, Behälter und Hütten bauen. Auch Möbel und Boote und Holzkohle kann man daraus machen, die den Grundstoff für Schießpulver abgibt. Die Spitzen der jungen Bambuspflanzen kann man essen.

Aber zuerst benötigen wir Steine, um daraus Werkzeuge zu machen, mit denen wir Holz schneiden und bearbeiten können.«

Je näher sie den Bergen kamen, desto mehr stieg auch das Hügelgelände an.

Nachdem sie vier Kilometer in ziemlich schnellem Tempo und fünfzehn weitere in ziemlich erschöpftem Zustand zurückgelegt hatten, verwehrte ihnen der erste Berg das weitere Fortkommen. Er erhob sich gezackt und moosbewachsen vor ihnen aus dem Boden und sie hatten, wenn sie herausfinden wollten, wie gewaltig er war, keine andere Möglichkeit, als die der Schätzung. Burton kam auf mindestens sechstausend Meter. Wohin sie auch blickten — der Berg stellte für sie ein unüberwindliches Hindernis dar.

»Ist Ihnen eigentlich schon aufgefallen, daß es hier überhaupt keine Tiere gibt?« sagte Frigate. »Nicht mal Insekten.«

Burton stieß einen überraschten Ruf aus, eilte auf eine Geröllansammlung zu und entnahm ihr einen faustgroßen, grünlich schimmernden Stein. »Wenn wir davon noch einige finden«, sagte er, »können wir Messerklingen, Speerspitzen, Beile und Äxte herstellen. Dann hätten wir schon einmal die Ausgangsbasis für Hütten, Boote und viele andere nützliche Dinge.«

»Wir werden Werkzeuge und Waffen irgendwie an hölzernen Griffen befestigen müssen«, erwiderte Frigate. »Aus was sollen wir Schnüre herstellen?«

»Vielleicht aus Menschenhaut«, meinte Burton.

Die anderen warfen ihm schockierte Blicke zu. Burton stieß ein seltsam meckerndes Lachen aus. Es klang ein wenig schrill und schien zu einem derart maskulin wirkenden Mann wie ihm gar nicht zu passen. »Wenn man uns dazu zwingt, zur Verteidigung des eigenen Lebens zu töten — oder das Glück haben, über die Leiche eines im Zweikampf mit einem anderen Menschen Getöteten zu stolpern —, wären wir absolute Narren, wenn wir das, was sich uns anbietet, nicht nutzten. Sollte aber einer von Ihnen bereit sein, sich zugunsten der Gruppe aufzuopfern, möge er vortreten! Wir würden seiner natürlich ewig gedenken.«

»Ich zweifle nicht daran, daß Sie scherzen«, sagte Alice Hargreaves. »Ich jedenfalls bin nicht in der Lage, solche Gespräche ernstzunehmen.«

Frigate sagte: »Haltet euch in seiner Nähe auf — und ihr werdet noch ganz andere Dinge zu hören bekommen.« Aber was er damit meinte, wurde niemandem so recht klar.

6

Burton untersuchte die unterste Schicht des Berges. Das blauschwarze Gestein schien irgendeiner Art von Basalt zuzurechnen zu sein. Aber über die Oberfläche verstreut erkannte er vereinzelte Stücke von Feuerstein, die ebenso da und dort auf dem Boden zu finden waren. Letztere erweckten in ihm den Eindruck, als seien sie aus der Höhe herabgefallen, also bestand die Möglichkeit, daß nicht der ganze Berg aus einer soliden Basaltmasse war.

Er nahm ein Stück Feuerstein zu Hilfe und kratzte, eine spitze Kante einsetzend, ein wenig des den Fels bedeckenden Flechtengewächses ab. Das darunter zum Vorschein kommende Gestein schien grüner Dolomit zu sein. Dem Anschein nach stammten die Feuersteinbrocken davon ab, auch wenn sich keine sichtbaren Bruchstellen ausmachen ließen.

Das Flechtengewächs konnte Parmelia saxilitis sein, das ebenso auf alten Knochen und Schädeln wuchs und außerdem als Heilmittel gegen Epilepsie und — als Heilsalbe — bei offenen Wunden Verwendung finden konnte.

Das Geräusch aufeinanderschlagenden Gesteins führte Burton zu der Gruppe zurück. Die anderen hatten sich um den Frühmenschen und den Amerikaner geschart, die — Rücken an Rücken — auf dem Boden knieten und den Feuerstein bearbeiteten. Beide fertigten grobschlächtige Handbeile und produzierten, während die anderen ihnen zusahen, sechs weitere. Anschließend nahm jeder von ihnen eine große Feuersteinplatte und zertrümmerte sie mit einem Faustkeil. Mit dem einen Stück brachen sie das andere solange auseinander, bearbeiteten es an den Rändern, bis vor jedem ein Dutzend Klingen lag.

Sie setzten ihre Arbeit fort — ein Mensch, der hunderttausend Jahre vor Christus über die Erde gewandert war, und ein Mensch, der das Produkt einer langen Evolution darstellte und der — technologisch gesehen — zu den Abkömmlingen der höchsten Zivilisationsstufe der Menschheit gehörte. Und wenn Frigates Worte stimmten, gehörte er zudem noch zu den letzten Menschen, die die Erde hervorgebracht hatte.

Frigate sprang plötzlich auf, stieß einen Schmerzensschrei aus und begann, den linken Daumen umklammernd, wild hin und her zu hüpfen. Einer seiner Schläge hatte sein Ziel verpaßt. Kazz entblößte grinsend zwei Reihen beinahe grabsteingroßer Zähne. Dann stand er ebenfalls auf, verschwand mit seinem leicht watschelnden Gang zwischen den hohen Gräsern und kehrte ein paar Minuten später mit einem halben Dutzend Bambusstäben zurück. Einige davon waren angespitzt. Er setzte sich auf den Boden und begann den ersten Stab zu bearbeiten, indem er das stumpfe Ende spaltete. Geschickt klemmte er einen der dreieckigen, scharfkantigen Steine in den Spalt und band ihn mit langen zähen Grashalmen fest.