Narr in Verzweiflung.
Ach! Was ich schrieb auf Tisch und Wand
Mit Narrenherz und Narrenhand,
Das sollte Tisch und Wand mir zieren?…
Doch ihr sagt:»Narrenhände schmieren, —
Und Tisch und Wand soll man purgieren,
Bis auch die letzte Spur verschwand!»
Erlaubt! Ich lege Hand mit an —,
Ich lernte Schwamm und Besen führen,
Als Kritiker, als Wassermann.
Doch, wenn die Arbeit abgethan,
Säh' gern ich euch, ihr Ueberweisen,
Mit Weisheit Tisch und Wand besch……
Rimus remedium.
Oder: Wie kranke Dichter sich trösten.
Aus deinem Munde,
Du speichelflüssige Hexe Zeit,
Tropft langsam Stund' auf Stunde.
Umsonst, dass all mein Ekel schreit:
«Fluch, Fluch dem Schlunde
Der Ewigkeit!»
Welt — ist von Erz:
Ein glühender Stier, — der hört kein Schrein.
Mit fliegenden Dolchen schreibt der Schmerz
Mir in's Gebein:
«Welt hat kein Herz,
Und Dummheit wär's, ihr gram drum sein!»
Giess alle Mohne,
Giess, Fieber! Gift mir in's Gehirn!
Zu lang schon prüfst du mir Hand und Stirn.
Was frägst du? Was?» Zu welchem — Lohne?»
— Ha! Fluch der Dirn'
Und ihrem Hohne!
Nein! Komm zurück!
Draussen ist's kalt, ich höre regnen —
Ich sollte dir zärtlicher begegnen?
— Nimm! Hier ist Gold: wie glänzt das Stück! —
Dich heissen» Glück»?
Dich, Fieber, segnen? —
Die Thür springt auf!
Der Regen sprüht nach meinem Bette!
Wind löscht das Licht, — Unheil in Hauf'!
Wer jetzt nicht hundert Reime hätte,
Ich wette, wette,
Der gienge drauf!
«Mein Glück!»
Die Tauben von San Marco seh ich wieder:
Still ist der Platz, Vormittag ruht darauf.
In sanfter Kühle schick' ich müssig Lieder
Gleich Taubenschwärmen in das Blau hinauf —
Und locke sie zurück,
Noch einen Reim zu hängen in's Gefieder
— mein Glück! Mein Glück!
Du stilles Himmels-Dach, blau-licht, von Seide,
Wie schwebst du schirmend ob des bunten Bau's,
Den ich — was sag ich? — liebe, fürchte, neide…
Die Seele wahrlich tränk' ich gern ihm aus!
Gäb' ich sie je zurück? —
Nein, still davon, du Augen-Wunderweide!
— mein Glück! Mein Glück!
Du strenger Thurm, mit welchem Löwendrange
Stiegst du empor hier, siegreich, sonder Müh!
Du überklingst den Platz mit tiefem Klange
Französisch, wärst du sein accent aigu?
Blieb ich gleich dir zurück,
Ich wüsste, aus welch seidenweichem Zwange…
— mein Glück! Mein Glück!
Fort, fort, Musik! Lass erst die Schatten dunkeln
Und wachsen bis zur braunen lauen Nacht!
Zum Tone ist's zu früh am Tag, noch funkeln
Die Gold-Zieraten nicht in Rosen-Pracht,
Noch blieb viel Tag zurück,
Viel Tag für Dichten, Schleichen, Einsam-Munkeln
— mein Glück! Mein Glück!
Nach neuen Meeren.
Dorthin- will ich; und ich traue
Mir fortan und meinem Griff.
Offen liegt das Meer, in's Blaue
Treibt mein Genueser Schiff.
Alles glänzt mir neu und neuer,
Mittag schläft auf Raum und Zeit
Nur dein Auge — ungeheuer
Blickt mich's an, Unendlichkeit!
Sils-Maria.
Hier sass ich, wartend, wartend, — doch auf Nichts,
Jenseits von Gut und Böse, bald des Lichts
Geniessend, bald des Schattens, ganz nur Spiel,
Ganz See, ganz Mittag, ganz Zeit ohne Ziel.
Da, plötzlich, Freundin! wurde Eins zu Zwei —
Und Zarathustra gieng an mir vorbei…
An den Mistral.
Ein Tanzlied.
Mistral-Wind, du Wolken-Jäger,
Trübsal-Mörder, Himmels-Feger,
Brausender, wie lieb' ich dich!
Sind wir Zwei nicht Eines Schoosses
Erstlingsgabe, Eines Looses
Vorbestimmte ewiglich?
Hier auf glatten Felsenwegen
Lauf' ich tanzend dir entgegen,
Tanzend, wie du pfeifst und singst:
Der du ohne Schiff und Ruder
Als der Freiheit freister Bruder
Ueber wilde Meere springst.
Kaum erwacht, hört' ich dein Rufen,
Stürmte zu den Felsenstufen,
Hin zur gelben Wand am Meer.
Heil! da kamst du schon gleich hellen
Diamantnen Stromesschnellen
Sieghaft von den Bergen her.
Auf den ebnen Himmels-Tennen
Sah ich deine Rosse rennen,
Sah den Wagen, der dich trägt,
Sah die Hand dir selber zücken,
Wenn sie auf der Rosse Rücken
Blitzesgleich die Geissel schlägt, —
Sah dich aus dem Wagen springen,
Schneller dich hinabzuschwingen,
Sah dich wie zum Pfeil verkürzt
Senkrecht in die Tiefe stossen, —
Wie ein Goldstrahl durch die Rosen
Erster Morgenröthen stürzt.
Tanze nun auf tausend Rücken,
Wellen-Rücken, Wellen-Tücken —
Heil, wer neue Tänze schafft!
Tanzen wir in tausend Weisen,
Frei — sei unsre Kunst geheissen,
Fröhlich — unsre Wissenschaft!
Raffen wir von jeder Blume
Eine Blüthe uns zum Ruhme
Und zwei Blätter noch zum Kranz!
Tanzen wir gleich Troubadouren
Zwischen Heiligen und Huren,
Zwischen Gott und Welt den Tanz!
Wer nicht tanzen kann mit Winden,
Wer sich wickeln muss mit Binden,
Angebunden, Krüppel-Greis,
Wer da gleicht den Heuchel-Hänsen,
Ehren-Tölpeln, Tugend-Gänsen,
Fort aus unsrem Paradeis!
Wirbeln wir den Staub der Strassen
Allen Kranken in die Nasen,
Scheuchen wir die Kranken-Brut!
Lösen wir die ganze Küste
Von dem Odem dürrer Brüste,
Von den Augen ohne Muth!
Jagen wir die Himmels-Trüber,
Welten-Schwärzer, Wolken-Schieber,
Hellen wir das Himmelreich!
Brausen wir… oh aller freien
Geister Geist, mit dir zu Zweien
Braust mein Glück dem Sturme gleich. —
Und dass ewig das Gedächtniss
Solchen Glücks, nimm sein Vermächtniss,
Nimm den Kranz hier mit hinauf!
Wirf ihn höher, ferner, weiter,
Stürm' empor die Himmelsleiter,
Häng ihn — an den Sternen auf!