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Vom Probleme des Schauspielers. — Das Problem des Schauspielers hat mich am längsten beunruhigt; ich war im Ungewissen darüber (und bin es mitunter jetzt noch), ob man nicht erst von da aus dem gefährlichen Begriff» Künstler«— einem mit unverzeihlicher Gutmüthigkeit bisher behandelten Begriff — beikommen wird. Die Falschheit mit gutem Gewissen; die Lust an der Verstellung als Macht herausbrechend, den sogenannten» Charakter «bei Seite schiebend, überfluthend, mitunter auslöschend; das innere Verlangen in eine Rolle und Maske, in einen Schein hinein; ein Ueberschuss von Anpassungs-Fähigkeiten aller Art, welche sich nicht mehr im Dienste des nächsten engsten Nutzens zu befriedigen wissen: Alles das ist vielleicht nicht nur der Schauspieler an sich?.. Ein solcher Instinkt wird sich am leichtesten bei Familien des niederen Volkes ausgebildet haben, die unter wechselndem Druck und Zwang, in tiefer Abhängigkeit ihr Leben durchsetzen mussten, welche sich geschmeidig nach ihrer Decke zu strecken, auf neue Umstände immer neu einzurichten, immer wieder anders zu geben und zu stellen hatten, befähigt allmählich, den Mantel nach jedem Winde zu hängen und dadurch fast zum Mantel werdend, als Meister jener einverleibten und eingefleischten Kunst des ewigen Verstecken-Spielens, das man bei Thieren mimicry nennt: bis zum Schluss dieses ganze von Geschlecht zu Geschlecht aufgespeicherte Vermögen herrisch, unvernünftig, unbändig wird, als Instinkt andre Instinkte kommandiren lernt und den Schauspieler, den» Künstler «erzeugt (den Possenreisser, Lügenerzähler, Hanswurst, Narren, Clown zunächst, auch den classischen Bedienten, den Gil Blas: denn in solchen Typen hat man die Vorgeschichte des Künstlers und oft genug sogar des» Genies«). Auch in höheren gesellschaftlichen Bedingungen erwächst unter ähnlichem Drucke eine ähnliche Art Mensch: nur wird dann meistens der schauspielerische Instinkt durch einen andren Instinkt gerade noch im Zaume gehalten, zum Beispiel bei dem» Diplomaten«, — ich würde übrigens glauben, dass es einem guten Diplomaten jeder Zeit noch freistünde, auch einen guten Bühnen-Schauspieler abzugeben, gesetzt, dass es ihm eben» freistünde«. Was aber die Juden betrifft, jenes Volk der Anpassungskunst par excellence, so möchte man in ihnen, diesem Gedankengange nach, von vornherein gleichsam eine welthistorische Veranstaltung zur Züchtung von Schauspielern sehn, eine eigentliche Schauspieler-Brutstätte; und in der That ist die Frage reichlich an der Zeit: welcher gute Schauspieler ist heute nicht — Jude? Auch der Jude als geborener Litterat, als der thatsächliche Beherrscher der europäischen Presse übt diese seine Macht auf Grund seiner schauspielerischen Fähigkeit aus: denn der Litterat ist wesentlich Schauspieler, — er spielt nämlich den» Sachkundigen«, den» Fachmann«. — Endlich die Frauen: man denke über die ganze Geschichte der Frauen nach, — müssen sie nicht zu allererst und — oberst Schauspielerinnen sein? Man höre die Aerzte, welche Frauenzimmer hypnotisirt haben; zuletzt, man liebe sie, — man lasse sich von ihnen» hypnotisiren«! Was kommt immer dabei heraus? Dass sie» sich geben«, selbst noch, wenn sie — sich geben…. Das Weib ist so artistisch…
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Unser Glaube an eine Vermännlichung Europa's. — Napoleon verdankt man's (und ganz und gar nicht der französischen Revolution, welche auf» Brüderlichkeit «von Volk zu Volk und allgemeinen blumichten Herzens-Austausch ausgewesen ist), dass sich jetzt ein paar kriegerische Jahrhunderte auf einander folgen dürfen, die in der Geschichte nicht ihres Gleichen haben, kurz dass wir in's klassische Zeitalter des Kriegs getreten sind, des gelehrten und zugleich volksthümlichen Kriegs im grössten Maassstabe (der Mittel, der Begabungen, der Disciplin), auf den alle kommenden Jahrtausende als auf ein Stück Vollkommenheit mit Neid und Ehrfurcht zurückblicken werden: — denn die nationale Bewegung, aus der diese Kriegs-Glorie herauswächst, ist nur der Gegen-choc gegen Napoleon und wäre ohne Napoleon nicht vorhanden. Ihm also wird man einmal es zurechnen dürfen, dass der Mann in Europa wieder Herr über den Kaufmann und Philister geworden ist; vielleicht sogar über» das Weib«, das durch das Christenthum und den schwärmerischen Geist des achtzehnten Jahrhunderts, noch mehr durch die» modernen Ideen«, verhätschelt worden ist. Napoleon, der in den modernen Ideen und geradewegs in der Civilisation Etwas wie eine persönliche Feindin sah, hat mit dieser Feindschaft sich als einer der grössten Fortsetzer der Renaissance bewährt: er hat ein ganzes Stück antiken Wesens, das entscheidende vielleicht, das Stück Granit, wieder heraufgebracht. Und wer weiss, ob nicht dies Stück antiken Wesens auch endlich wieder über die nationale Bewegung Herr werden wird und sich im bejahenden Sinne zum Erben und Fortsetzer Napoleon's machen muss: — der das Eine Europa wollte, wie man weiss, und dies als Herrin der Erde.—
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Wie jedes Geschlecht über die Liebe sein Vorurtheil hat. — Bei allem Zugeständnisse, welches ich dem monogamischen Vorurtheile zu machen Willens bin, werde ich doch niemals zulassen, dass man bei Mann und Weib von gleichen Rechten in der Liebe rede: diese giebt es nicht. Das macht, Mann und Weib verstehen unter Liebe jeder etwas Anderes, — und es gehört mit unter die Bedingungen der Liebe bei beiden Geschlechtern, dass das eine Geschlecht beim andren Geschlechte nicht das gleiche Gefühl, den gleichen Begriff» Liebe «voraussetzt. Was das Weib unter Liebe versteht, ist klar genug: vollkommene Hingabe (nicht nur Hingebung) mit Seele und Leib, ohne jede Rücksicht, jeden Vorbehalt, mit Scham und Schrecken vielmehr vor dem Gedanken einer verklausulirten, an Bedingungen geknüpften Hingabe. In dieser Abwesenheit von Bedingungen ist eben seine Liebe ein Glaube: das Weib hat keinen anderen. — Der Mann, wenn er ein Weib liebt, will von ihm eben diese Liebe, ist folglich für seine Person selbst am entferntesten von der Voraussetzung der weiblichen Liebe; gesetzt aber, dass es auch Männer geben sollte, denen ihrerseits das Verlangen nach vollkommener Hingebung nicht fremd ist, nun, so sind das eben — keine Männer. Ein Mann, der liebt wie ein Weib, wird damit Sklave; ein Weib aber, das liebt wie ein Weib, wird damit ein vollkommeneres Weib… Die Leidenschaft des Weibes, in ihrem unbedingten Verzichtleisten auf eigne Rechte, hat gerade zur Voraussetzung, dass auf der andren Seite nicht ein gleiches Pathos, ein gleiches Verzichtleisten-Wollen besteht: denn wenn Beide aus Liebe auf sich selbst verzichteten, so entstünde daraus — nun, ich weiss nicht was, vielleicht ein leerer Raum? — Das Weib will genommen, angenommen werden als Besitz, will aufgehn in den Begriff» Besitz«,»besessen«; folglich will es Einen, der nimmt, der sich nicht selbst giebt und weggiebt, der umgekehrt vielmehr gerade reicher an» sich «gemacht werden soll — durch den Zuwachs an Kraft, Glück, Glaube, als welchen ihm das Weib sich selbst giebt. Das Weib giebt sich weg, der Mann nimmt hinzu — ich denke, über diesen Natur-Gegensatz wird man durch keine socialen Verträge, auch nicht durch den allerbesten Willen zur Gerechtigkeit hinwegkommen: so wünschenswerth es sein mag, dass man das Harte, Schreckliche, Räthselhafte, Unmoralische dieses Antagonismus sich nicht beständig vor Augen stellt. Denn die Liebe, ganz, gross, voll gedacht, ist Natur und als Natur in alle Ewigkeit etwas» Unmoralisches«. — Die Treue ist demgemäss in die Liebe des Weibes eingeschlossen, sie folgt aus deren Definition; bei dem Manne kann sie leicht im Gefolge seiner Liebe entstehn, etwa als Dankbarkeit oder als Idiosynkrasie des Geschmacks und sogenannte Wahlverwandtschaft, aber sie gehört nicht in's Wesen seiner Liebe, — und zwar so wenig, dass man beinahe mit einigem Recht von einem natürlichen Widerspiel zwischen Liebe und Treue beim Mann reden dürfte: welche Liebe eben ein Haben-Wollen ist und nicht ein Verzichtleisten und Weggeben; das Haben-Wollen geht aber jedes Mal mit dem Haben zu Ende… Thatsächlich ist es der feinere und argwöhnerischere Besitzdurst des Mannes, der dies» Haben «sich selten und spät eingesteht, was seine Liebe fortbestehn macht; insofern ist es selbst möglich, dass sie noch nach der Hingebung wächst, — er giebt nicht leicht zu, dass ein Weib für ihn Nichts mehr» hinzugeben «hätte. —
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Der Einsiedler redet. — Die Kunst, mit Menschen umzugehn, beruht wesentlich auf der Geschicklichkeit (die eine lange Uebung voraussetzt), eine Mahlzeit anzunehmen, einzunehmen, zu deren Küche man kein Vertrauen hat. Gesetzt, dass man mit einem Wolfshunger zu Tisch kommt, geht Alles leicht (»die schlechteste Gesellschaft lässt dich fühlen — «, wie Mephistopheles sagt); aber man hat ihn nicht, diesen Wolfshunger, wenn man ihn braucht! Ah, wie schwer sind die Mitmenschen zu verdauen! Erstes Princip: wie bei einem Unglücke seinen Muth einsetzen, tapfer zugreifen, sich selbst dabei bewundern, seinen Widerwillen zwischen die Zähne nehmen, seinen Ekel hinunter stopfen. Zweites Princip: seinen Mitmenschen» verbessern«, zum Beispiel durch ein Lob, so dass er sein Glück über sich selbst auszuschwitzen beginnt; oder einen Zipfel von seinen guten oder» interessanten «Eigenschaften fassen und daran ziehn, bis man die ganze Tugend heraus hat und den Mitmenschen in deren Falten unterstecken kann. Drittes Princip: Selbsthypnotisirung. Sein Verkehrs-Objekt wie einen gläsernen Knopf fixiren, bis man aufhört, Lust und Unlust dabei zu empfinden, und unbemerkt einschläft, starr wird, Haltung bekommt: ein Hausmittel aus der Ehe und Freundschaft, reichlich erprobt, als unentbehrlich gepriesen, aber wissenschaftlich noch nicht formulirt. Sein populärer Name ist — Geduld. —