Gratch wuchtete einen aufgeschlitzten Mriswith in die Männer des Lebensborns und stürzte sich auf den nächsten. Überall fielen die Gars über sie her. Immer mehr von ihnen ließen sich aus dem dunkler werdenden Himmel überall längs der Kampflinien auf die Mriswiths fallen. Überall sah man leuchtend grüne Augen. Die Mriswiths hüllten sich in ihre Capes, wurden unsichtbar, doch es nützte ihnen nichts. Die Gars fanden sie trotzdem. Es gab kein Entrinnen.
Richard hielt das Schwert mit beiden Händen fest und glotzte nur. Gars brüllten. Mriswiths heulten. Richard mußte lachen.
Kahlans Arme schlangen sich von hinten um ihn. »Ich liebe dich«, schrie sie ihm ins Ohr. »Ich dachte, ich würde sterben, ohne es dir gesagt zu haben.«
Richard hörte Rufe über dem Geschrei der Schlacht. Das Grüne, das er gesehen hatte, waren Soldaten. Zu Zehntausenden stießen sie in den Rücken des Lebensborns, strömten um Gebäude herum und schlugen die Männer in den karminroten Capes vernichtend zurück. Die D’Haraner auf Richards Seite, befreit von den Mriswiths, sammelten sich und stürzten sich mit der todbringenden Tüchtigkeit, für die sie bekannt waren, auf den Feind.
Ein riesiger Keil aus Soldaten in Grün wurde in den Lebensborn hineingetrieben und arbeitete sich zu Kahlan und Richard vor. Zu allen Seiten warfen sich Dutzende von Gars auf die Mriswiths. Gratch stürzte sich wild um sich schlagend unter sie und drängte die Angreifer zurück. Richard kletterte auf einen Brunnenrand, um das Geschehen besser verfolgen zu können. Er ergriff Kahlans Hand und half ihr zu sich hinauf. Männer liefen herbei, um sie zu schützen, trieben den Lebensborn zurück.
»Das sind Keltonier«, erklärte Kahlan. »Die Männer in den grünen Uniformen sind Keltonier.«
In der vordersten Reihe des keltonischen Angriffs stand ein Mann, den Richard kannte: General Baldwin. Als der General sie oben auf dem Brunnen erblickte, löste er sich, während er noch Befehle brüllte, mit einer kleineren Gruppe von seiner Hauptstreitmacht und bahnte sich einen geraden Weg durch die Männer in den karminroten Capes, wobei ihre Pferde die Soldaten unter ihren Hufen wie Herbstlaub zertraten. Der General hackte auf ein paar mit seinem Schwert ein, um ihnen den Rest zu geben. Er durchbrach die Kampflinien und erreichte Richard und Kahlan, die auf dem Brunnen standen.
General Baldwin schob das Schwert in die Scheide und verbeugte sich im Sattel. Das schwere Sergecape, auf einer Schulter von zwei Knöpfen gehalten, war über eine Seite drapiert, so daß man das grüne Innenfutter sah. Er stieg ab und schlug eine Faust auf seinen dunkelbraunen Wappenrock.
»Lord Rahl«, meinte er voller Ergebenheit.
Er verneigte sich abermals. »Meine Königin«, wiederholte er mit noch größerer Ergebenheit.
Kahlan beugte sich zu ihm, als er sich wieder aufrichtete. Ihr Tonfall ließ nichts Gutes ahnen. »Eure was?«
Sogar die glänzende Schädeldecke des Mannes wurde rot. Er verneigte sich erneut. »Meine höchst … ruhmreiche und … hochverehrte Königin und Mutter Konfessor?«
Richard zupfte sie hinten am Hemd, bevor sie etwas erwidern konnte. »Ich habe dem General hier erklärt, daß ich beschlossen habe, dich zur Königin von Kelton zu ernennen.«
Sie riß die Augen auf. »Königin von…«
»Ganz recht«, sagte General Baldwin, während er den Blick über das Kampfgeschehen schweifen ließ. »Dadurch wurde Kelton zusammengehalten, und unsere Kapitulation blieb unwidersprochen. Gleich nachdem ich durch Lord Rahl von dieser großen Ehre erfahren hatte, daß wir, wie zuvor Galea, die Mutter Konfessor zur Königin bekommen sollten, und er mir dadurch bewies, wie sehr er uns als Nachbarn schätzt, führte ich eine Streitmacht nach Aydindril, um zum Schutz von Lord Rahl und unserer Königin beizutragen und mich dem Kampf gegen die Imperiale Ordnung anzuschließen. Ich wollte nicht, daß Ihr glaubt, wir wären nicht bereit, unser Teil beizutragen.«
Schließlich richtete sich Kahlan maßlos verwundert auf. »Vielen Dank, General. Eure Hilfe kam genau zur rechten Zeit. Euch gebührt höchste Anerkennung.«
Der General zog seine dicken, schwarzen Handschuhe aus und steckte sie in den breiten Gürtel. Er küßte Kahlan die Hand. »Wenn meine neue Königin mich entschuldigen würde, ich muß zurück zu meinen Männern. Die Hälfte unserer Streitmacht hält sich hinter den Linien bereit, für den Fall, daß die verräterischen Bastarde zu fliehen versuchen.« Er errötete erneut. »Verzeiht die Sprache eines Soldaten, meine Königin.«
Als der General zu seine Leuten zurückkehrte, widmete sich Richard wieder dem Kampf geschehen. Die Gars suchten nach weiteren Mriswiths, fanden aber nur noch wenige. Und diese hielten nicht lange durch.
Gratch schien einen weiteren Fuß gewachsen zu sein, seit Richard ihn das letzte Mal gesehen hatte, und war jetzt so groß wie die anderen Männchen. Er schien die Suche zu dirigieren. Richard war sprachlos, doch das Ausmaß des Blutbads vor seinen Augen dämpfte seine Freude.
»Königin?« fragte Kahlan. »Du hast mich zur Königin von Kelton ernannt? Die Mutter Konfessor?«
»Zum damaligen Zeitpunkt schien es eine gute Idee zu sein«, erklärte er. »Nur so konnte ich verhindern, daß Kelton sich gegen uns stellt.«
Sie sah ihn zaghaft lächelnd an. »Sehr wohl, Lord Rahl.«
Als Richard endlich sein Schwert in die Scheide steckte, sah er, wie sich drei rote Punkte durch das dunkle Leder der d’Haranischen Uniformen einen Weg bahnten. Die drei Mord-Siths, Strafer in den Händen, kamen quer über den Platz gelaufen. Jede von ihnen trug ihren roten Lederanzug, auch wenn der an diesem Tag nur unzureichend all das Blut auf ihren Körpern verbergen konnte.
»Lord Rahl! Lord Rahl!«
Berdine flog auf ihn zu wie ein Eichhörnchen, das sich von Ast zu Ast schwingt. Sie landete auf ihm, hüllte ihn in ein Gewirr aus Armen und Beinen und stieß ihn von der Mauer herunter in den Brunnen voll geschmolzenen Schnees.
Sie hockte auf seinem Bauch. »Lord Rahl! Ihr habt es geschafft! Ihr habt das Cape abgelegt, wie ich es Euch geraten habe! Dann habt Ihr meine Warnung also doch gehört?«
Sie warf sich wieder auf ihn, packte ihn mit ihren roten Armen. Richard hielt den Atem an, als er untertauchte. Er hätte sich zwar nicht das eisige Wasser ausgesucht, trotzdem war er froh darüber, sich das stinkende Mriswithblut herunterwaschen zu können. Er schnappte nach Luft, als sie sein Hemd mit der Hand packte und ihn hochhievte. Sie saß auf seinem Schoß, die Beine um seinen Leib geschlungen, und drückte ihn erneut.
»Berdine«, sagte er leise, »ich habe mich an der Schulter verletzt. Bitte drückt nicht zu fest zu.«
»Das ist nichts«, verkündete sie mit der aufrichtigen Verachtung einer Mord-Sith für Schmerzen. »Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Als der Angriff erfolgte, dachten wir, wir würden Euch nie wiedersehen. Wir glaubten, wir hätten versagt.«
Kahlan räusperte sich. Richard stellte sie mit einer Handbewegung einander vor. »Kahlan, dies sind meine persönlichen Leibwachen, Cara, Raina, und dies ist Berdine. Meine Damen, das ist Kahlan, meine Königin.«
Berdine, die keinerlei Anstalten machte, von seinem Schoß zu steigen, sah grinsend hoch zu Kahlan. »Ich bin Lord Rahls Liebling.«
Kahlan verschränkte die Arme. In ihren grünen Augen funkelte finstere Wut.
»Berdine, laßt mich raus.«
»Ihr stinkt noch immer wie ein Mriswith.« Sie stieß ihn zurück ins Wasser und zerrte ihn erneut an seinem Hemd hoch. »Das ist schon besser.« Sie zog ihn näher an sich heran. »Wenn Ihr noch einmal so davonrennt, ohne auf mich zu hören, werde ich noch ganz etwas anderes machen, als Euch zu baden.«
»Wie kommt es nur, daß Frauen dich ständig baden wollen?« fragte Kahlan ruhig.
»Ich weiß es nicht.« Er blickte hinaus auf die noch immer tobende Schlacht, dann sah er wieder in Berdines blaue Augen. Er drückte sie mit einem gesunden Arm an sich. »Tut mir leid. Ich hätte auf Euch hören sollen. Für meine Torheit mußten wir einen zu hohen Preis zahlen.«
»Geht es Euch gut?« hauchte sie in sein Ohr.