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»Halt bloß den Mund«, warnte ihn Ann, »und überlaß das Reden mir.«

Ein freundlich aussehendes Paar hinter der Theke lächelte, als sie näher kamen. Auf den Wangen der Frau bildeten sich Grübchen.

»’n Abend, Leute.«

»Guten Abend«, sagte Ann. »Wir möchten uns nach einem Zimmer erkundigen. Der Junge bei den Stallungen meinte, Ihr hättet schöne Zimmer.«

»Oh, das ist wohl wahr, meine Dame. Für Euch und Euren…«

Ann öffnete den Mund. Zedd kam ihr zuvor. »Bruder. Ruben ist mein Name. Dies ist meine Schwester Elsie. Ich bin Ruben Rybnik.« Zedd machte eine schwungvolle Handbewegung. »Ich bin ein Wolkendeuter von einiger Berühmtheit. Vielleicht habt Ihr von mir gehört. Ruben Rybnik, der berühmte Wolkendeuter.«

Der Unterkiefer der Frau bewegte sich, als versuchte sie zu ergründen, wohin alle ihre Worte entschwunden waren. »Nun … ich … ja, ich glaube schon.«

»Na siehst du«, sagte Zedd und tätschelte Ann den Rücken. »Fast alle haben schon von mir gehört, Elsie.« Er beugte sich, auf einen Ellenbogen gestützt, zu dem Paar hinter der Theke hinüber. »Elsie glaubt, ich bilde mir das ein. Dabei war sie eine Weile fort, auf dieser Farm, bei diesen armen Unglückseligen, die Stimmen hören und mit den Wänden sprechen.«

Die beiden Köpfe schwenkten gleichzeitig herum zu Ann.

»Ich habe dort gearbeitet«, brachte Ann zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor. »Ich habe dort gearbeitet und den ›armen Unglückseligen‹ geholfen, die dort unsere Gäste waren.«

»Ja, ja«, meinte Zedd. »Und das hast du wirklich gut gemacht, Elsie. Warum man dich hat gehen lassen, werde ich nie begreifen.« Er wandte sich wieder zu dem verstummten Paar um. »Da sie ohne Arbeit ist, dachte ich, ich nehme sie mit hinaus in die Welt, damit sie sieht, worum es im Leben geht, wenn Ihr versteht.«

»Ja«, erwiderte das Paar wie aus einem Mund.

»Und, um die Wahrheit zu sagen«, fuhr Zedd fort, »wir hätten lieber zwei Zimmer. Eins für meine Schwester, und eins für mich.« Sie blickten ihn verständnislos an. »Sie schnarcht«, erklärte er. »Ich brauche meinen Schlaf.«

»Tja, wir haben sehr hübsche Zimmer«, sagte die Frau, und wieder erschienen die Grübchen auf ihren Wangen. »Ich bin sicher, Ihr werdet Euch gut erholen.«

Zedd drohte mahnend mit dem Finger. »Die besten, die Ihr habt, denkt daran. Elsie kann es sich leisten. Ihr Onkel verstarb und hinterließ ihr alles, was er hatte. Und er war ein reicher Mann.«

Die Brauen des Mannes zogen sich zusammen. »Müßte er dann nicht auch Euer Onkel gewesen sein?«

»Mein Onkel? Na ja, natürlich, doch er hat mich nicht gemocht. Immer gab es Ärger mit dem Mann. Er war ein bißchen exzentrisch. Trug mitten im Hochsommer Socken als Handschuhe. Elsie war sein Liebling.«

»Die Zimmer«, brummte Ann. Sie drehte sich um und sah ihn mit großen Augen an. »Ruben braucht seinen Schlaf. Er hat eine Menge Wolken zu deuten und muß schon früh am Morgen damit anfangen. Wenn er seinen Schlaf nicht hat, bekommt er einen äußerst seltsamen Ausschlag, der sich wie ein Ring um seinen Hals legt.«

Die Frau kam hinter der Theke hervor. »Nun, dann will ich sie Euch zeigen.«

»Das ist doch nicht etwa der Duft von gebratener Ente, oder doch?«

»Aber ja«, antwortete die Frau und drehte sich wieder um. »Das ist unser Abendessen. Gebratene Ente mit Pastinaken, Zwiebel und Bratensoße, wenn Euch danach gelüstet.«

Zedd sog den Duft förmlich in sich hinein. »Meine Güte, was für ein köstliches Aroma. Man braucht viel Können, um eine Ente genau auf den Punkt zu braten. An diesem Duft jedoch erkenne ich, daß Euch dies genau gelungen ist. Kein Zweifel.«

Die Frau wurde rot und kicherte. »Tja, für meine gebratene Ente bin ich bekannt.«

»Hört sich wunderbar an«, meinte Ann. »Wenn Ihr so freundlich wärt und uns zwei Portionen auf die Zimmer schicken würdet?«

»Oh, selbstverständlich. Es wäre mir ein Vergnügen.«

Die Frau wollte sie den Korridor hinunterführen.

»Wenn ich es recht überdenke«, sagte Zedd, »dann geh nur, Elsie. Ich weiß, wie nervös es dich macht, wenn Menschen dir beim Essen zusehen. Ich werde mein Abendessen hier unten zu mir nehmen. Und dazu eine Kanne Tee, wenn es Euch nichts ausmacht.«

Ann drehte sich um und schickte einen finsteren Blick in seine Richtung. Er spürte, wie der Ring um seinen Hals heiß wurde. »Bleib nicht zu lange, Ruben. Wir müssen morgen früh los.«

Zedd beruhigte sie mit einer Handbewegung. »Oh, nein, meine Liebe. Ich werde nur zu Abend essen, dann vielleicht noch ein Spiel mit diesen Gentlemen hier, dann gehe ich auf schnellstem Wege ins Bett. Wir sehen uns frisch und munter morgen früh.«

Ihr Blick hätte Pech zum Sieden bringen können. »Dann gute Nacht, Ruben.«

Zedd lächelte nachsichtig. »Vergiß nicht, die gute Frau zu bezahlen, und gib ihr noch etwas extra für die großzügig bemessene Portion ihres ausgezeichneten Entenbratens.« Zedd beugte sich mit gewichtiger Miene zu ihr vor, und seine Stimme wurde leise. »Und vergiß nicht, vor dem Zubettgehen in dein Tagebuch zu schreiben.«

Sie versteifte sich. »In mein Tagebuch?«

»Ja, das kleine Reisetagebuch, das du führst. Ich weiß, wie gerne du über deine Abenteuer schreibst, aber in letzter Zeit hast du es nicht so weitergeführt, wie du solltest. Ich denke, es wird Zeit, daß du das nachholst.«

»Ja…«, stammelte sie. »Dann werde ich das tun, Ruben.«

Nachdem Ann ihm dafür noch einen liebevollen Blick geschenkt hatte und gegangen war, baten ihn die Gentlemen, die das Gespräch mitangehört hatten, zu sich an den Tisch.

»Wolkendeuter, sagtet Ihr?« fragte einer.

»Der allerbeste.« Zedd hielt einen dürren Finger in die Höhe. »Wolkendeuter der Könige, nicht weniger.«

Erstauntes Tuscheln machte die Runde.

Ein Mann etwas seitlich nahm die Pfeife aus den Zähnen. »Würdet Ihr für uns die Wolken deuten, Meister Ruben? Wir würden alle zusammenlegen und Euch eine Kleinigkeit dafür zahlen.«

Zedd hob seine dürre Hand, als wollte er sie abwehren. »Ich fürchte, das kann ich nicht.« Er wartete, bis sich die Enttäuschung aufgeschaukelt hatte. »Ich könnte Euer Geld nicht annehmen. Es wäre mir eine Ehre, Euch zu verraten, was die Wolken zu sagen haben, aber ich werde keine Kupfermünze dafür nehmen.«

Das Lächeln kehrte zurück. »Das ist äußerst großzügig von Euch, Meister Ruben.«

Ein gedrungener Mann beugte sich vor. »Was haben die Wolken denn zu erzählen?«

Die Wirtsfrau stellte einen dampfenden Teller Entenbraten vor ihn und lenkte ihn damit ab. »Der Tee kommt sofort«, sagte sie und eilte in die Küche zurück.

»Die Wolken hatten viel zu erzählen über die Winde der Veränderung, meine Herren. Gefahren und Gelegenheiten. Über den ruhmreichen neuen Lord Rahl und die … nun, laßt mich erst von dieser saftig aussehenden Ente kosten, dann werde ich Euch mit größtem Vergnügen alles darüber erzählen.«

»Greift zu, Ruben«, meinte ein anderer.

Zedd ließ sich einen Bissen auf der Zunge zergehen und legte eine dramatische Pause ein, um genüßlich zu seufzen, während die anderen ihn mit gespannter Aufmerksamkeit beobachteten.

»Das ist aber ein sehr seltsames Halsband, das Ihr da tragt.«

Zedd tippte kauend gegen den Halsring. »So etwas wird heutzutage gar nicht mehr hergestellt.« Der Mann kniff die Augen zusammen und deutete mit dem Pfeifenstiel auf den Halsring. »Scheint gar keinen Verschluß zu haben. Sieht aus wie aus einem Stück. Wie habt Ihr den über Euren Kopf bekommen?«

Zedd öffnete den Halsring und hielt ihn ihnen hin, die beiden Hälften am Gelenk hin und herbewegend. »Doch, er hat einen. Seht Ihr? Verdammt feine Arbeit, nicht wahr? Man sieht das Gelenk nicht mal, so fein ist es gearbeitet. Ein Meisterwerk der Handwerkskunst. So etwas findet man heutzutage nicht mehr.«

»Das sage ich auch immer«, meinte der Mann mit der Pfeife. »Wirklich gute Handwerksarbeit findet man nicht mehr.«

Zedd ließ den Ring wieder um seinen Hals schnappen. »Nein, findet man nicht.«