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Unter dem Rand seines glänzenden Helmes mit dem roten Busch aus Roßhaar hervorblickend, sah der Mann, der ihn angebrüllt hatte, wütend auf ihn herab. Er hielt die Zügel seines kräftigen, grauen Wallachs locker in der behandschuhten Hand und beugte sich vor.

»Aus dem Weg, du Schwachkopf, oder wir treten dich in den Staub, und damit hat sich’s.«

Richard erkannte den Akzent des Mannes. Es war der gleiche wie Adies. Er wußte nicht, aus welchem Land Adie stammte, aber offenbar kam dieser Mann aus derselben Gegend.

Achselzuckend trat Richard einen Schritt zurück. »Ich sagte doch, es tut mir leid. Ich wußte nicht, daß Ihr so dringende Geschäfte habt.«

»Den Hüter zu bekämpfen ist immer ein dringendes Geschäft.«

Richard trat noch einen Schritt zurück. »Da kann ich Euch nicht widersprechen. Bestimmt sitzt er jetzt zitternd in irgendeiner Ecke und wartete nur darauf, daß Ihr ihn überwältigt, also reitet am besten schnell weiter.«

Die Augen des Mannes nahmen einen kalten Glanz an. Richard versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, daß er zusammenzuckte. Wenn er doch nur lernen könnte, den Mund zu halten.

Richard hatte nie gerne gekämpft. Doch als Heranwachsender war er zur Zielscheibe anderer geworden, die sich beweisen wollten. Bevor man ihm das Schwert der Wahrheit gegeben und er durch es gelernt hatte, daß er seinem Zorn, den er stets fest unter Kontrolle hatte, manchmal Luft machen mußte, hatte er die Wut aufgebrachter Gegner oft mit einem Lächeln oder mit Humor besänftigen können. Richard war sich seiner Stärke bewußt, doch dieses Selbstbewußtsein verleitete ihn schnell, vorlaut zu sein. Manchmal schien es, als könnte er nichts dagegen machen, sein Mund bewegte sich ganz einfach, bevor der Verstand reagiert hatte.

»Du hast ein freches Mundwerk. Vielleicht bist du einer, dem der Hüter die Sinne verdreht hat.«

»Ich versichere Euch, Sir, Ihr und ich, wir kämpfen gegen denselben Feind.«

»Die Günstlinge des Hüters verbergen sich hinter ihrer Arroganz.«

Richard überlegte sich gerade, daß er keinen Ärger gebrauchen konnte und es an der Zeit sei, sich schnellstens zurückzuziehen, als der Mann Anstalten machte, abzusteigen. Im selben Augenblick wurde er von kräftigen Händen gepackt. Zwei riesenhafte Männer, je einer rechts und links hinter ihm, hoben ihn von den Füßen.

»Verzieht Euch, Geck«, meinte der hinter Richards rechter Schulter zu dem Reiter. »Das geht Euch nichts an.« Richard versuchte seinen Kopf zu drehen, konnte aber nur das braune Leder der d’Haranischen Uniformen der Männer sehen, die ihn von hinten festhielten.

Der Soldat erstarrte, sein Fuß hatte den Steigbügel gerade erst verlassen. »Wir stehen auf derselben Seite, Bruder. Dieser Mann muß verhört werden — und zwar von uns —, und dann muß ihm ein wenig Demut beigebracht werden. Wir werden —«

»Ich sagte, verzieht Euch!«

Richard öffnete den Mund und wollte etwas sagen. Augenblicklich schoß der schwer muskelbepackte Arm des D’Haraners zu seiner Rechten unter einem dicken, dunkelbraunen wollenen Cape hervor. Als sich eine massige Hand wie eine Klammer über seinen Mund legte, sah Richard einen Reifen goldfarbenen Metalls gleich oberhalb des Ellbogens, dessen rasiermesserscharfe Dorne im Licht der Sonne blinkten. Diese Reifen waren tödliche Waffen, die dazu dienten, einen Gegner im Nahkampf aufzuschlitzen. Richard verschluckte sich fast an seiner eigenen Zunge.

Die meisten d’Haranischen Soldaten waren groß, doch diese zwei nicht nur einfach groß. Schlimmer noch, es waren auch nicht einfach reguläre d’Haranische Soldaten. Richard hatte solche Soldaten mit Reifen oberhalb des Ellenbogens bereits gesehen. Sie gehörten zu Darken Rahls Leibgarde. Darken Rahl hatte fast immer zwei dieser Männer um sich gehabt.

Die beiden hoben Richard mühelos in die Höhe. Er war so hilflos wie eine Stockpuppe. Auf seinem zweiwöchigen Eilritt nach Aydindril, als er zu Kahlan wollte, hatte er nicht nur wenig zu essen, sondern auch wenig Schlaf bekommen. Der Kampf mit den Mriswiths, nur wenige Stunden zuvor, hatte ihn fast seiner gesamten noch verbliebenen Kräfte beraubt, die Angst jedoch verlieh seinen Muskeln einen Rest von Energie. Gegen diese zwei reichte die nicht aus.

Der Mann auf dem Pferd machte erneut Anstalten, abzusteigen. »Ich sagte doch, der Mann gehört uns. Wir haben die Absicht, ihn zu verhören. Wenn er dem Hüter dient, wird er gestehen.«

Der D’Haraner an Richards linker Schulter knurrte bedrohlich. »Kommt runter, und ich schlage Euch den Kopf ab und spiele eine Partie Kegeln damit. Wir haben diesen Mann gesucht, und jetzt gehört er uns. Wenn wir mit ihm fertig sind, könnt ihr seinen Kadaver verhören, so lange Ihr wollt.«

Der Mann verharrte mitten im Absteigen und blickte wütend auf die D’Haraner hinab. »Ich sagte es schon, Bruder, wir stehen auf derselben Seite. Wir beide streiten gegen das Unheil des Hüters. Es ist nicht nötig, daß wir uns gegenseitig bekämpfen.«

»Wenn Ihr kämpfen wollt, dann tut es mit dem Schwert. Wenn nicht, verzieht Euch!«

Die annähernd zweihundert Reiter musterten die beiden D’Haraner, die keinerlei Regung zeigten, und Angst schon gar nicht. Schließlich waren sie nur zwei D’Haraner — kein schwieriges Problem, trotz ihrer Größe. Wenigstens hätte ein Narr dies denken mögen. Richard hatte überall d’Haranische Truppen in der Stadt gesehen. Es war möglich, daß sie beim ersten Anzeichen von Ärger sofort zur Stelle waren.

Die Reiter schienen wegen der anderen D’Haraner jedoch nicht sonderlich besorgt zu sein. »Ihr seid nur zu zweit, Bruder. Die Chancen stehen nicht gut.«

Der zu Richards Linken ließ seinen Blick beiläufig an der Reihe der Reiter entlangwandern, drehte den Kopf und spuckte aus. »Ihr habt recht, Geck. Egan hier wird zurücktreten, um die Chancen für Euch ein wenig auszugleichen, während ich mich um Euch und Eure phantasievoll kostümierten Soldaten kümmere. Aber Ihr solltet Eurer Sache sicher sein, ›Bruder‹, denn wenn Euer Fuß den Boden berührt, auf mein Wort, dann sterbt Ihr zuerst.«

Augen aus Eis, reglos und kalt, taxierten die beiden einen Augenblick lang, dann murmelte der Mann in der polierten Rüstung und dem karminroten Cape einen Fluch in einer fremden Sprache und ließ sein Gewicht zurück in den Sattel sinken. »Wir haben wichtigere Dinge zu erledigen. Das hier ist reine Zeitverschwendung. Er gehört Euch.«

Auf sein Winken hin jagte die Reiterkolonne die Straße hinauf, haarscharf vorbei an Richard und den beiden, die ihn festgenommen hatten. Richard mühte sich ab, aber die beiden, die ihn hielten, waren zu kräftig, und er bekam die Hand nicht an sein Schwert, als sie ihn forttrugen. Er suchte die Dächer ab, konnte aber nichts entdecken.

Die Menschen ringsum wandten sich ab, wollten mit dem ganzen Streit nichts zu schaffen haben. Als die beiden riesenhaften D’Haraner Richard von der Straßenmitte fortzerrten, sprangen die Menschen hastig zur Seite, so als hätten sie hinten im Kopf Augen. Sein gedämpftes, wütendes Geschimpfe ging im Lärm der Stadt unter. So sehr er es auch versuchte, er bekam keine Hand in die Nähe einer Waffe. So schwebte er über den Schnee hinweg, während seine Füße auf der Suche nach Halt ins Leere traten.

Richard mühte sich ab, doch bevor er Gelegenheit fand, darüber nachzudenken, was er als nächstes tun sollte, schleppten sie ihn in einen engen Durchgang zwischen einem Gasthaus und einem anderen Haus mit verschlossenen Läden.

Ganz hinten im Durchgang, im trüben Schatten, warteten vier dunkle, in lange Umhänge gehüllte Gestalten.

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