Im Inneren des Raumes wurden sie von drei furchterregenden Reihen d’Haranischer Soldaten empfangen, alle die Streitäxte oder Schwerter griffbereit, eine massive Wand grimmig dreinblickender Gesichter, Muskeln und Stahl. Hinter den Soldaten stand ein langer Tisch vor einer Wand mit schmucklosen Fenstern, die auf einen verschneiten Innenhof hinausgingen. Über der gegenüberliegenden Innenhofmauer sah Richard die Türme des Palastes der Konfessoren, und darüber, auf dem Berg, die Burg der Zauberer.
Hinter dem Tisch saß eine Reihe streng blickender Männer und beobachtete die Eindringlinge. Auf ihren Oberarmen, teils verhüllt von den Ärmeln ihrer Kettenpanzer, befanden sich saubere Narben, die, wie Richard vermutete, ihren Rang kundtaten. Dem Auftreten nach waren diese Männer Offiziere. Ihre Augen leuchteten vor Selbstbewußtsein und Empörung.
Der Mann in der Mitte kippte seinen Stuhl nach hinten und verschränkte die muskulösen Arme, Arme, auf denen mehr Narben zu sehen waren als auf denen der anderen. Sein gekräuselter, rostfarbener Bart verhüllte teilweise einen alten, weißen Schmiß, der von seiner linken Schläfe bis zum Kiefer reichte. Seine schweren Brauen waren vor Mißfallen herabgezogen.
Hally funkelte die Soldaten wütend an. »Wir sind hier, um General Reibisch zu sehen. Aus dem Weg, oder ich helfe nach.«
Der Hauptmann der Wachmannschaft streckte die Hand nach ihr aus. »Ihr werdet —«
Hally verpaßte ihm mit der gepanzerten Oberseite ihres Handschuhs einen Schlag seitlich an den Kopf. Egan riß seinen Ellenbogen hoch und schlitzte dem Hauptmann die Schulter auf. Mitten in der Rückwärtsbewegung packte Egan den Mann bei den Haaren, bog seinen Rücken über ein Knie und umklammerte seine Luftröhre.
»Sprich weiter, wenn du sterben willst.«
Der Hauptmann preßte die Lippen so fest aufeinander, daß sie weiß wurden. Unter wütenden Flüchen drängten die anderen Männer vorwärts. Strafer wurden warnend gehoben.
»Laßt sie durch«, meinte der Bärtige hinter dem Tisch.
Die Männer zogen sich zurück, ließen ihnen gerade genug Platz, um sich hindurchzuzwängen. Die Frauen zu beiden Seiten schwangen ihre Strafer, und die Soldaten wichen noch weiter zurück. Egan ließ den Hauptmann fallen. Der stützte sich auf seinen unverletzten Arm und seine Knie, hustete und rang keuchend nach Atem. Hinten füllten sich die Tür und der dahinterliegende Gang mit immer mehr Soldaten, die allesamt bewaffnet waren.
Der Mann mit dem rostfarbenen Bart ließ die Vorderbeine seines Stuhls mit einem dumpfen Schlag auf den Boden kippen. Er faltete die Hände über einem Durcheinander von Papieren inmitten der säuberlich geordneten Stapel zu beiden Seiten.
»Was wollt Ihr?«
Hally trat vor, zwischen Ulic und Egan. »Ihr seid General Reibisch?« Der Bärtige nickte. Hally verneigte kurz den Kopf vor ihm. Es war eine knappe Verbeugung, Richard hatte nie gesehen, daß eine Mord-Sith jemandem mehr gewährte, nicht einmal einer Königin. »Wir bringen eine Nachricht von Kommandant General Trimack von der Ersten Rotte. Darken Rahl ist tot, und seine Seele wurde von dem neuen Herrscher Rahl in die Unterwelt verbannt.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Tatsächlich?«
Sie reichte ihm die Schriftrolle. Er prüfte kurz das Siegel, bevor er es mit einem Daumen erbrach. Dann kippte er seinen Stuhl wieder nach hinten und rollte den Brief auseinander. Seine grauen Augen wanderten beim Lesen hin und her. Schließlich ließ er den Stuhl wieder mit einem dumpfen Schlag nach vorne kippen.
»Und dafür wart Ihr alle nötig — um mir diese Nachricht zu überbringen?«
Hally stemmte ihre gepanzerten Knöchel auf den Tisch und beugte sich zu ihm vor. »Wir bringen Euch nicht nur die Nachricht, General Reibisch, wir bringen Euch auch Lord Rahl.«
»Tatsächlich. Und wo befindet sich Euer Lord Rahl?«
Hally blitzte ihn mit ihrer besten Mord-Sith-Miene an und erweckte nicht den Eindruck, als erwartete sie, noch einmal gefragt zu werden. »Er steht in diesem Augenblick vor Euch.«
Reibisch warf einen Blick an ihr vorbei auf die Gruppe der Fremden, betrachtete einen Augenblick lang den Gar von Kopf bis Fuß. Hally richtete sich auf und zeigte auf Richard.
»Darf ich Euch Lord Rahl vorstellen, den Herrscher D’Haras und aller seiner Bewohner.«
Die Männer tuschelten, die Nachricht wurde nach hinten durchgegeben, zu denen draußen im Gang. Verwirrt deutete General Reibisch mit einer Geste auf die Frauen.
»Eine von Euch behauptet, sie sei Lord Rahl?«
»Seid kein Narr«, sagte Cara. Sie deutete mit der Hand auf Richard. »Das hier ist Lord Rahl.«
Der General legte die Stirn in Falten und zog ein finsteres Gesicht. »Ich weiß nicht, was für ein Spiel dies ist, aber meine Geduld ist jeden Augenblick zu…«
Richard zog die Kapuze seines Mriswithcapes zurück und ließ sich wieder sichtbar werden. Vor den Augen des Generals und aller seiner Männer schien Richard aus dem Nichts heraus Gestalt anzunehmen.
Die Soldaten schrien vor Entsetzen auf. Einige wichen zurück. Andere fielen auf die Knie und verneigten sich tief.
»Ich«, sprach Richard mit ruhiger Stimme, »bin Lord Rahl.«
Einen Augenblick lang herrschte Totenstille. Dann brach General Reibisch in Gelächter aus und schlug mit der Hand auf den Tisch. Er warf seinen Kopf zurück und brüllte. Einige seiner Männer schlossen sich ihm kichernd an, doch aus den Bewegungen ihrer Augen ging klar hervor, daß sie nicht recht wußten, weshalb sie sich ihm anschlossen — nur, daß sie es für das Klügste hielten.
Sein Gelächter verklang, und General Reibisch erhob sich. »Ganz hübscher Trick, junger Mann. Aber ich habe eine Menge Tricks gesehen, seit ich in Aydindril stationiert bin. Tja, einmal hatte ich einen Mann hier, der mich mit Vögeln, die aus seinem Hosenbein flogen, unterhalten wollte.« Sein finsterer Blick kehrte auf sein Gesicht zurück. »Einen Augenblick lang hätte ich dir fast geglaubt, aber ein Taschenspielertrick macht aus dir noch nicht Lord Rahl. Vielleicht in Trimacks Augen, aber nicht in meinen. Ich verneige mein Haupt nicht vor einem Zauberer von der Straße.«
Richard stand da, starr wie Stein, das Ziel aller Blicke, und überlegte verzweifelt, was er als nächstes tun sollte. Mit Gelächter hatte er nicht gerechnet. Ihm fiel keine Magie ein, die er noch anwenden könnte, außerdem war dieser Mann offenbar nicht in der Lage, echte Magie von einem Trick zu unterscheiden. Ohne den rechten Einfall zur Hand, versuchte Richard, wenigstens mit fester Stimme zu sprechen.
»Ich bin Richard Rahl, Sohn von Darken Rahl. Er ist tot. Ich bin jetzt Lord Rahl. Wenn Ihr den Wunsch habt, auch weiterhin auf Eurem Posten zu dienen, dann werdet Ihr Euch jetzt verbeugen und mich anerkennen. Wenn nicht, werde ich Euch ablösen lassen.«
General Reibisch lachte erneut amüsiert in sich hinein und hakte einen Daumen hinter seinen Gürtel. »Führe noch einen anderen Trick vor, und wenn ich ihn dessen wert erachte, dann werde ich dir und deiner Truppe eine Münze geben, bevor ich euch wieder eures Weges schicke. Ich bin geneigt, dich für deine Tollkühnheit zu belohnen, wenn auch sonst für nichts.«
Die Soldaten rückten näher, und die Atmosphäre bekam etwas Bedrohliches.
»Lord Rahl führt keine ›Tricks‹ vor«, fauchte Hally.
Reibisch plazierte seine fleischigen Hände auf den Tisch und beugte sich zu ihr. »Eure Kleidung ist recht überzeugend, aber Ihr solltet nicht so tun, als wäret Ihr Mord-Sith, junges Fräulein. Würdet Ihr einer von ihnen jemals in die Hände fallen, sie hätte keine große Freude an Eurer Heuchelei — die nehmen ihren Beruf ernst.«
Hally schlug ihm mit ihrem Strafer auf die Hand. Mit einem Aufschrei sprang General Reibisch zurück, sein Gesicht ein Bild der Erschütterung. Er zog ein Messer.
Gratchs Grollen ließ die Fensterscheiben erzittern. Seine grünen Augen glühten, als er seine Reißzähne bleckte. Seine Flügel breiteten sich mit einem Knall aus wie Segel in einem Sturm. Soldaten wichen zurück, hoben herausfordernd die Waffen.