Выбрать главу

Richard stöhnte im Stillen. Die Dinge liefen immer schneller aus dem Ruder. Hätte er das Ganze doch nur besser durchdacht. Er war jedoch sicher gewesen, daß sein Auftritt als Unsichtbarer den D’Haranern genügend Furcht einflößen würde, um ihm zu glauben. Hätte er sich wenigstens einen Fluchtplan überlegt! Er hatte keine Ahnung, wie sie lebend aus dem Gebäude herauskommen sollten. Selbst wenn es ihnen gelang, dann womöglich nur um einen hohen Preis — es konnte ein Blutbad werden. Das wollte er nicht. Er hatte sich auf diese Geschichte mit dem Herrscher Rahl doch nur eingelassen, weil er verhindern wollte, daß Menschen zu Schaden kamen, und nicht, um genau das Gegenteil zu bewirken. Ringsum wurden Rufe laut.

Noch bevor Richard richtig merkte, was er tat, zog er das Schwert. Das unverwechselbare Sirren von Stahl füllte den Raum. Die Magie des Schwertes toste durch seinen Körper, schwang sich zu seiner Verteidigung empor, überschwemmte ihn mit ihrem Zorn. Es war, als würde man von der Hitzewelle eines Schmelzofens getroffen, die bis auf die Knochen brannte. Er kannte das Gefühl gut und spornte es energisch an. Er hatte keine Wahl. Unwetter aus Zorn brachen in seinem Innern aus. Er ließ die Seelen derer, die Magie vor ihm eingesetzt hatten, auf den Winden dieses Zornes in die Höhe steigen.

Reibisch schnitt mit seinem Messer durch die Luft. »Tötet die Betrüger!«

Als der General über den Tisch setzte, auf Richard zu, erzitterte der Raum plötzlich unter dem Schlag eines donnernden Getöses. Die ganze Luft war voller Glassplitter, die das Licht in funkelnden Blitzen brachen.

Richard duckte sich und ging in die Hocke, als Gratch über ihn hinwegsprang. Splitter von Fensterrahmen schwirrten über ihren Köpfen. Die Offiziere hinter dem Tisch kippten nach vorn, viele mit Wunden vom Glas übersät. Völlig sprachlos stellte Richard fest, daß die Fenster nach innen barsten.

Verschwommene, farbige Konturen bewegten sich blitzschnell durch den Splitterregen. Schatten und Licht stürzten krachend mitten aus der Luft zu Boden. Voller Bestürzung spürte Richard sie durch den Zorn des Schwertes hindurch.

Mriswiths.

Sie nahmen Gestalt an, als sie auf dem Boden auftrafen.

Im Raum brach ein Gemetzel los. Richard sah es rot aufblitzen, Fellstreifen, den mächtigen Schwung von Stahl. Ein Offizier schlug mit dem Gesicht nach vorne auf den Tisch, Blut spritzte über die Papiere. Ulic wuchtete zwei Mann zurück. Egan schleuderte zwei weitere quer über den Tisch.

Richard achtete nicht auf den Tumult ringsum, während er sich des ruhigen Zentrums in seinem Innern bemächtigte. Die Kakophonie wurde zunehmend leiser, als er den kalten Stahl an seine Stirn legte und stumm darum bat, seine Klinge möge ihm an diesem Tage treu sein.

Er sah nur die Mriswiths, spürte nur sie. Mit jeder Faser seines Seins wollte er nichts anderes als sie.

Der, der ihm am nächsten war, sprang hoch, ihm den Rücken zugewandt. Mit einem wütenden Schrei setzte Richard den Zorn des Schwertes der Wahrheit frei. Pfeifend beschrieb die Spitze einen Kreis, und die Klinge fand ihr Zieclass="underline" die Magie bekam ihren Geschmack von Blut. Kopflos brach der Mriswith zusammen, sein dreiklingiges Messer schlidderte scheppernd über den Boden.

Richard wirbelte zu der echsenähnlichen Gestalt auf seiner anderen Seite herum. Hally warf sich zwischen die beiden, stellte sich ihm in den Weg. Noch immer in der Drehbewegung benutzte er seinen Schwung, stieß sie zur Seite, ließ sein Schwert kreisen und zerteilte den Mriswith in der Mitte, noch bevor der Kopf des ersten auf den Boden schlug. Ein Nebel aus stinkendem Blut erfüllte die Luft.

Richard drehte sich wieder nach vorn. Im Zorn wurde er eins mit der Klinge, mit ihren Seelen, mit ihrer Magie. Er wurde — wie ihn die uralten Prophezeiungen in Hoch-D’Haran genannt hatten, wie er sich selbst nannte — fuer grissa ost drauka: der Bringer des Todes. Allein er konnte das Leben seiner Freunde retten, doch er war längst jenseits jeglicher vernünftigen Gedanken. Er ging völlig auf in der Notwendigkeit.

Der dritte Mriswith war dunkelbraun, hatte die Farbe von Leder, Richard erkannte ihn trotzdem, als er zwischen den Soldaten hindurchschoß. Mit einem mächtigen Stoß bohrte er ihm das Schwert zwischen die Schulterblätter. Das Todesgeheul des Mriswith ließ die Luft erzittern.

Männer erstarrten, als sie das Geräusch hörten, dann wurde es still im Saal.

Vor Anstrengung und Zorn ächzend wuchtete Richard den Mriswith zur Seite. Der leblose Kadaver glitt von der Klinge herunter und schlug krachend gegen ein Tischbein. Die Ecke des Tisches brach zusammen, und Papier flatterte auf.

Die Zähne aufeinandergepreßt, ließ Richard sein Schwert zurückkreisen zu dem Mann, der einen Schritt hinter der Stelle stand, wo sich einen Augenblick zuvor noch der Mriswith befunden hatte. An seiner Kehle machte die Spitze Halt, ruhig wie ein Fels, vor Blut triefend. Die Magie des Zorns geriet außer Kontrolle, verlangte in ihrer Gier, alles Bedrohliche zu vernichten, verlangte nach mehr.

Der tödliche Blick des Suchers fand General Reibischs Augen. Diese Augen begriffen jetzt zum ersten Mal, wer vor ihnen stand. Die Magie, die in Richards Augen funkelte, war unverkennbar — sie zu sehen, bedeutete, die Sonne zu sehen, ihre Wärme zu fühlen, sie ohne jede Frage zu erkennen.

Niemand gab einen Ton von sich. Doch selbst wenn, hätte Richard nichts gehört. Sein ganzes Interesse galt dem Mann vor seiner Schwertspitze, dem Ziel seiner Rache. Richard hatte sich mit dem Kopf voran über den Rand tödlicher Begeisterung in einen Hexenkessel brodelnder Magie gestürzt, und die Rückkehr daraus war ein quälender Kampf.

General Reibisch ging auf die Knie und blickte an der Klinge entlang hinauf in Richards habichtartiges, zornig funkelndes Gesicht. Seine Stimme füllte die tönende Stille.

»Herrscher Rahl, führe uns. Herrscher Rahl, lehre uns. Herrscher Rahl, beschütze uns. In deinem Licht gedeihen wir. In deiner Gnade finden wir Schutz. Deine Weisheit erfüllt uns mit Demut. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«

Das waren keine geheuchelten Worte, mit denen er sein Leben retten wollte, das waren die ehrfurchtsvollen Worte eines Mannes, der etwas gesehen hatte, was er wahrlich nicht erwartet hatte.

Unzählige Male hatte Richard diese Worte bei Andachten vor sich hingesprochen. Für zwei Stunden jeden Morgen und Nachmittag gingen alle im Palast des Volkes in D’Hara zu einem Andachtsplatz, sobald die Glocke erklang, berührten mit der Stirn den Boden und sprachen eben diese Worte. Richard hatte diese Worte wie befohlen zum ersten Mal gesprochen, als er Darken Rahl begegnet war.

Als Richard jetzt auf den General herabblickte und eben diese Worte hörte, überkam ihn ein Gefühl des Ekels, und doch war er andererseits zur gleichen Zeit erleichtert.

»Lord Rahl«, sagte General Reibisch leise, »Ihr habt mir das Leben gerettet. Ihr habt uns allen das Leben gerettet. Danke.«

Richard wußte, wenn er jetzt versuchte, das Schwert der Wahrheit gegen ihn zu erheben, dann würde er sein Fleisch nicht berühren. In seinem Herzen wußte Richard, daß dieser Mann weder länger eine Bedrohung noch sein Feind war. Das Schwert konnte niemanden verletzen, der keine Bedrohung darstellte, es sei denn, er ließ es weiß erglühen und machte sich die Liebe und Versöhnlichkeit seiner Magie zunutze. Der Zorn dagegen reagierte nicht auf Vernunft, und ihm die Rache zu verwehren, bedeutete eine unerträgliche Qual. Schließlich jedoch machte Richard von seinem Einfluß auf den Zorn Gebrauch und schob das Schwert der Wahrheit in die Scheide und damit gleichzeitig die Magie, den Zorn, zurück.

Es war so schnell zu Ende, wie es begonnen hatte. Richard kam es fast vor wie ein unerwarteter Traum, ein kurzes Aufflackern von Gewalt, und schon war es vorbei.

Quer über die nun geneigte Tischplatte lag ein toter Offizier. Sein Blut rann das polierte Holz herab. Der Boden war mit Glas bedeckt, mit einzelnen Papieren und stinkendem Mriswithblut. Sämtliche Soldaten im Saal lagen auf den Knien, ebenso wie jene draußen auf dem Gang. Auch ihre Augen hatten etwas erblickt, was nicht mißzuverstehen war.