Lord Rahl zog langsam sein Schwert blank und legte die Waffe auf die vordere Kante des Tisches, wo alle sie sehen konnten. »Ich sagte, daß man mich unter verschiedenen Titeln kennt. Ich bin auch der Sucher, dazu ernannt vom Ersten Zauberer. Ich trage zu Recht das Schwert der Wahrheit. Gestern abend habe ich den Rat für seinen Verrat hingerichtet.
Ihr seid die Vertreter der Länder der Midlands. Die Mutter Konfessor bot Euch die Chance, zusammenzustehen, doch Ihr habt dieses Angebot abgelehnt und damit auch ihr den Rücken zugekehrt.«
Ein Mann außerhalb Tobias’ Gesichtsfeld brach das eisige Schweigen. »Wir waren nicht alle mit dem Vorgehen des Rates einverstanden. Viele von uns wollten, daß die Midlands weiterbestehen. Die Midlands werden wieder vereint werden und aus dem Kampf stärker hervorgehen als zuvor.«
Viele in der Menge gelobten, ihr Bestes zu geben, um die Einheit wiederherzustellen. Andere blieben stumm.
»Dafür ist es zu spät. Ihr habt Eure Chance gehabt. Die Mutter Konfessor hat Euer Gezänk und Euren Eigensinn ertragen.« Lord Rahl rammte sein Schwert zurück in die Scheide. »Ich werde das nicht tun.«
»Was redet Ihr da?« fragte Herzog Lumholtz, dessen Verärgerung seinem Ton eine gewisse Schärfe verlieh. »Ihr seid aus D’Hara. Ihr habt kein Recht, uns vorzuschreiben, was in den Midlands geschieht. Die Midlands sind unsere eigene Angelegenheit.«
Lord Rahl stand reglos wie eine Statue da, während er sich mit seiner sanften, achtunggebietenden Stimme an die Menge wandte. »Die Midlands existieren nicht länger. Ich löse sie auf, hier und jetzt. Von jetzt an ist jedes Land auf sich gestellt.«
»Die Midlands sind nicht Euer Spielzeug!«
»Auch nicht das Keltons«, erwiderte Lord Rahl. »Kelton hatte den Plan, die Midlands zu beherrschen.«
»Wie wagt Ihr es, uns zu beschuldigen…«
Lord Rahl hob seine Hand und bat sich Ruhe aus. »Ihr seid ebenso raffgierig wie manche von den anderen. Viele von Euch konnten es kaum erwarten, die Mutter Konfessor und die Zauberer los zu sein, um die Beute unter sich aufzuteilen.«
Lunetta zupfte ihn am Arm. »Das stimmt«, sagte sie leise. Brogan gebot ihr mit einem eisigen Blick Schweigen.
»Die Midlands werden diese Einmischung in ihre Angelegenheiten nicht hinnehmen!« rief jemand anderes.
»Ich bin nicht hier, um über die Regierung der Midlands mit Euch zu diskutieren. Ich habe es Euch gerade erst erklärt, die Midlands sind aufgelöst.« Lord Rahl betrachtete die Menge mit einem funkelnden Blick von solch tödlicher Entschlossenheit, daß Tobias bald das Atmen vergessen hätte. »Ich bin gekommen, um Euch die Bedingungen Eurer Kapitulation zu diktieren.«
Die Menge zuckte wie ein Mann zusammen. Verärgerte Rufe wurden laut und schwollen an, bis der Saal tobte. Rotgesichtige Männer schworen fäusteschwingend Eide.
Herzog Lumholtz schrie alle nieder und drehte sich ein weiteres Mal zum Podium um. »Ich weiß nicht, welch törichte Vorstellungen Ihr Euch in den Kopf gesetzt habt, junger Mann, aber diese Stadt steht unter der Obhut der Imperialen Ordnung. Viele haben vernünftige Abmachungen mit ihr getroffen. Die Midlands werden bestehen bleiben, durch die Imperiale Ordnung vereint werden und niemals vor D’Hara und seinesgleichen die Waffen strecken!«
Als die Menschenmenge auf Lord Rahl zubrandete, erschienen rote Stäbe in den Händen der Mord-Siths, die Staffel aus Soldaten zog Stahl blank, Lanzen senkten sich, und der Gar breitete mit einem Schlag die Flügel aus. Das Tier knurrte, seine Reißzähne trieften, seine grünen Augen leuchteten. Lord Rahl stand wie eine Mauer aus Granit da. Die Menge kam zum Stillstand und wich dann zurück.
Lord Rahls Anspannung drückte sich in seiner bedrohlichen Körperhaltung sowie in seinem funkelnden Blick aus. »Man hat Euch eine Chance gegeben, die Midlands zu erhalten, aber ihr habt sie nicht genutzt. D’Hara hat sich von der Imperialen Ordnung befreit und regiert nun in Aydindril.«
»Ihr glaubt nur, daß Ihr Aydindril in Eurer Gewalt habt«, widersprach der Herzog. »Wir haben Truppen hier, wie eine große Zahl der anderen Länder auch, und haben keinesfalls die Absicht, die Stadt kampflos aufzugeben.«
»Auch das kommt ein wenig spät.« Lord Rahl streckte die Hand aus. »Darf ich General Reibisch vorstellen, den Kommandanten aller d’Haranischen Streitkräfte in diesem Gebiet?«
Der General, ein muskulöser Mann mit rostrotem Bart und Narben im Gesicht, kletterte auf das Podium und salutierte vor Lord Rahl mit einem Faustschlag aufs Herz, bevor er sich an die Leute wandte. »Meine Truppen sitzen in Aydindril und haben es gleichzeitig umzingelt. Endlich sind wir von der Herrschaft der Imperialen Ordnung befreit und wieder D’Haraner, angeführt von Herrscher Rahl.
D’Haranische Soldaten mögen es nicht, tatenlos herumzusitzen. Falls jemand von Euch einen Kampf wünscht, ich persönlich hätte nichts dagegen. Lord Rahl hat allerdings befohlen, daß wir mit dem Morden nicht beginnen dürfen. Aber wenn wir uns verteidigen müssen, dann, die Seelen wissen es, erledigen wir das gründlich. Das ermüdende Geschäft der Besatzung langweilt mich fast zu Tode, viel lieber würde ich mich etwas Interessanterem widmen, etwas, das ich gut beherrsche.
Jedes eurer Länder hat Verbände abkommandiert, die eure Paläste bewachen sollen. Solltet Ihr beschließen, mit allen Euch zur Verfügung stehenden Truppen um die Stadt zu kämpfen, würde es meiner Einschätzung nach einen, vielleicht zwei Tage dauern, bis wir Euch in die Flucht geschlagen hätten. Wenn das erledigt wäre, hätten all unsere Schwierigkeiten ein Ende. Hat der Kampf einmal begonnen, machen D’Haraner keine Gefangenen mehr.«
Der General trat mit einer Verbeugung vor Lord Rahl zurück.
Alles redete wild durcheinander, mancher schüttelte erzürnt die Fäuste und versuchte, sich durch Gebrüll Gehör zu verschaffen. Lord Rahl riß die Hand nach oben.
»Ruhe!« Es wurde fast augenblicklich still, und er fuhr fort: »Ich habe Euch hierher eingeladen, um mir anzuhören, was Ihr zu sagen habt. Doch erst, wenn Ihr Euch entschlossen habt, Euch D’Hara zu ergeben, werde ich mich dem widmen, was Ihr zu sagen habt. Vorher nicht!
Die Imperiale Ordnung will ganz D’Hara und die Midlands beherrschen. D’Hara hat sie verloren. In D’Hara regiere ich. Aydindril hat sie verloren, in Aydindril regiert D’Hara.
Ihr hattet eine Chance zur Einheit, und Ihr habt sie leichtfertig vertan. Diese Chance ist Vergangenheit. Jetzt bleiben Euch nur zwei Alternativen. Die erste besteht darin, Euch auf die Seite der Imperialen Ordnung zu schlagen. Sie wird mit eiserner Faust herrschen. Ihr werdet nichts zu sagen und keine Rechte haben. Alle Magie wird ausgerottet werden, bis auf jene, mit der sie Euch beherrscht. Überlebt Ihr, wird Euer Leben ein trostloser Kampf ohne Hoffnung auf Freiheit. Ihr werdet ihre Sklaven sein.
Eure andere Alternative ist, Euch D’Hara zu ergeben. Ihr werdet Euch an die Gesetze D’Haras halten. Seid ihr erst mit uns vereint, werdet Ihr bei diesen Gesetzen ein Mitspracherecht erhalten. Ihr werdet das Recht auf die Früchte Eurer Arbeit haben, das Recht auf Handel und Erfolg, solange Ihr Euch im Rahmen der Gesetze bewegt und die Rechte anderer achtet. Magie wird geschützt werden, und Eure Kinder werden in eine freie Welt hineingeboren werden, in der ihnen alle Möglichkeiten offenstehen.
Sobald die Imperiale Ordnung ausgerottet ist, wird es Frieden geben. Wahren Frieden.
Doch das hat seinen Preis: Eure Souveränität. Man wird Euch zwar erlauben, Eure Länder und Kultur beizubehalten, ein stehendes Heer wird man Euch aber nicht gestatten. Die einzigen Männer unter Waffen werden jene sein, die allen gemeinsam dienen — unter dem Banner D’Haras. Dies wird kein Zusammenschluß unabhängiger Länder sein, Euer Verzicht ist endgültig. Die Kapitulation ist der Preis, den jedes Land für den Frieden zahlt, und der Beweis dafür, daß Ihr Euch ihm verpflichtet fühlt.