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Gratchs vorstehende Brauen zogen sich zu einem fragenden Stirnrunzeln zusammen.

»Dann werden wir alle zusammen sein, und du wirst nicht nur einen Freund, sondern uns beide haben. Und meinen Großvater Zedd auch. Er wird dich bestimmt gerne um sich haben. Du wirst ihn ebenfalls mögen.« Gratch zeigte schon ein wenig mehr Begeisterung. »Du wirst eine Menge Freunde zum Balgen haben.«

Bevor der Gar sich auf ihn stürzen konnte, hielt Richard ihn auf Armeslänge von sich. Es gab nur wenig, das Gratch mehr Freude machte, als mit anderen zu raufen. »Ich kann nicht Spaß haben jetzt, Gratch, und mit dir balgen, während ich mich um die Menschen sorge, die ich liebe. Das verstehst du doch, oder? Würdest du dich zum Spaß mit jemand balgen wollen, wenn ich in Gefahr wäre und dich brauchte?«

Gratch überlegte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. Richard nahm ihn noch einmal in die Arme. Als sie sich voneinander lösten, breitete Gratch beherzt die Flügel auseinander.

»Gratch, kannst du bei dem Schnee fliegen?« Gratch nickte. »Auch nachts?« Der Gar nickte erneut und ließ dabei hinter seinem Lächeln seine Reißzähne sehen.

»Also gut, jetzt hör mir zu, damit du weißt, wie du sie finden kannst. Ich habe dir die Himmelsrichtungen beigebracht, Norden, Süden und so weiter. Du kennst doch die Himmelsrichtungen? Gut. Kahlan ist im Südosten.« Richard zeigte nach Südosten, doch Gratch kam ihm zuvor. Richard mußte lachen. »Gut. Sie ist im Südwesten. Sie entfernt sich von uns und ist auf dem Weg in eine Stadt. Sie dachte, ich würde sie einholen und mit ihr zusammen in diese Stadt gehen, doch das schaffe ich nicht. Ich muß hier warten. Sie muß hierher zurückkommen.

Sie wird von anderen begleitet. Ein alter Mann mit weißem Haar ist bei ihr, das ist mein Freund, mein Großvater Zedd. Es sind auch noch andere Leute bei ihr, viele davon Soldaten. Eine Menge Leute. Verstehst du?«

Gratch sah ihn traurig fragend an.

Richard rieb sich die Stirn, versuchte, trotz seiner Müdigkeit einen Weg zu finden, wie er es ihm erklären konnte.

»Wie heute abend«, rief Cara von der anderen Seite des Balkons. »Als Ihr heute abend zu all den Menschen gesprochen habt.«

»Ja! Genau so, Gratch.« Er zeigte hinunter in den Saal und machte eine kreisende Bewegung mit dem Finger. »All die Menschen hier heute abend, als ich zu ihnen gesprochen habe. Ungefähr so viele Leute sind bei ihr.«

Schließlich knurrte Gratch, daß er verstanden hatte. Richard klopfte seinem Freund auf die Brust. Er zeigte ihm den Brief.

»Du mußt ihr diesen Brief bringen, damit sie versteht, warum sie hierher zurückkommen muß. Darin wird ihr alles erklärt. Es ist sehr wichtig, daß sie diesen Brief erhält. Verstehst du das?« Gratch schnappte sich den Brief mit einer Kralle.

Richard fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Nein, so geht das nicht. So kannst du ihn nicht tragen. Vielleicht brauchst du deine Krallen, oder du läßt ihn fallen und verlierst ihn. Außerdem wird er im Schnee ganz naß werden und sie wird ihn nicht lesen können.« Seine Stimme verlor sich, während er über eine Möglichkeit nachdachte, wie Gratch den Brief transportieren könnte.

»Lord Rahl.«

Er drehte sich um, und Raina warf ihm im schwachen Licht etwas zu. Als er es auffing, sah er, daß es sich um den Lederbeutel handelte, in dem General Trimacks Brief den weiten Weg vom Palast des Volkes in D’Hara zurückgelegt hatte.

Richard grinste. »Danke, Raina.«

Sie schmunzelte und schüttelte den Kopf. Richard steckte den Brief, seine Hoffnung, die Hoffnung aller, in den Lederbeutel und hängte ihn Gratch um den Hals. Gratch gurgelte vor Freude über das neue Stück in seiner Sammlung, dann betrachtete er erneut die Locke von Kahlans Haar.

»Es ist möglich, Gratch, daß sie aus irgendeinem Grund nicht bei all diesen Leuten ist. Ich habe keine Möglichkeit, vorherzusagen, was alles zwischen jetzt und eurem Zusammentreffen geschehen kann. Möglicherweise ist sie nicht leicht zu finden.«

Gratch strich über die Haarlocke. Richard hatte gesehen, wie Gratch in einer mondlosen Nacht eine Fledermaus mitten aus der Luft gefangen hatte. Er würde in der Lage sein, Menschen unten auf dem Erdboden zu finden, trotzdem brauchte er noch immer etwas, woran er erkennen konnte, daß es die Richtigen waren.

»Gratch, du hast sie zwar noch nie zuvor gesehen, aber sie hat lange Haare bis hierhin. Nicht viele Frauen haben das. Außerdem habe ich ihr alles über dich erzählt. Sie wird keine Angst haben, wenn sie dich sieht, und sie wird dich bei deinem Namen rufen. Daran kannst du erkennen, daß sie es wirklich ist: sie kennt deinen Namen.«

Endlich fertig mit all den Instruktionen, schlug Gratch mit den Flügeln, hüpfte auf den Fußballen auf und ab und konnte es kaum erwarten, loszufliegen und Kahlan zu Richard zurückzubringen. Richard zog das Fenster auf. Heulend wehte der Schnee herein. Die beiden Freunde umarmten sich ein letztes Mal.

»Sie ist seit Wochen auf der Flucht von hier und wird weiterziehen, bis du sie erreichst. Es kann eine Weile dauern, bis du sie eingeholt hast, etliche Tage, laß dich also nicht entmutigen. Und sei vorsichtig, Gratch. Ich möchte nicht, daß dir etwas zustößt. Ich will dich wieder hier bei mir haben, damit ich mit dir balgen kann, du großes Pelztier.«

Gratch kicherte, ein furchterregender, aber glücklicher Laut, dann kletterte er auf die Fensterbank. »Grrrratch haaaach Raaaach liieeegggg.«

Richard winkte. »Ich hab’ dich auch lieb, Gratch. Paß auf dich auf. Guten Flug.«

Gratch winkte zurück, dann sprang er hinaus in die Nacht. Richard blickte noch eine Zeit in die kalte Dunkelheit, obwohl der Gar fast augenblicklich verschwunden war. Plötzlich überkam Richard ein Gefühl der Einsamkeit, obwohl er von Menschen umgeben war. Doch die waren nur da, weil sie ihm verpflichtet waren, und nicht, weil sie wirklich an ihn oder an das, was er tat, glaubten.

Kahlan war jetzt seit zwei Wochen auf der Flucht, und wahrscheinlich würde der Gar wenigstens eine weitere Woche benötigen, vielleicht sogar zwei, bis er sie schließlich eingeholt hatte. Richard konnte sich nicht vorstellen, daß es weniger als einen Monat dauerte, bis Gratch Kahlan und Zedd fand und sie alle nach Aydindril zurückkehrten. Wahrscheinlich dauerte es eher zwei.

Bereits jetzt hatte er ein flaues Gefühl im Bauch, denn er konnte es kaum erwarten, seine Freunde wiederzusehen. Zu lange waren sie getrennt gewesen. Er wollte, daß dieses Einsamkeitsgefühl ein Ende hatte, und allein ihre Anwesenheit konnte es vertreiben.

Er schloß das Fenster und drehte sich wieder zum Saal um. Die beiden Mord-Siths standen unmittelbar hinter ihm.

»Gratch ist wirklich dein Freund«, meinte Cara.

Richard nickte nur, er wagte es nicht, mit dem Kloß in seinem Hals zu sprechen.

Cara sah kurz zu Raina hinüber, bevor sie das Wort an ihn richtete. »Lord Rahl, wir haben über die Angelegenheit diskutiert und sind zu dem Schluß gekommen, daß es am besten wäre, wenn Ihr Euch in D’Hara aufhaltet, wo Ihr in Sicherheit seid. Wir können eine Armee zurücklassen, die Eure Königin beschützen wird, sobald sie eintrifft, und die sie nach D’Hara begleitet.«

»Ich habe es Euch bereits erklärt, ich muß hierbleiben. Die Imperiale Ordnung will die Welt erobern. Ich bin Zauberer und muß das verhindern.«

»Ihr habt gesagt, Ihr wüßtet nicht, wie Ihr Eure Gabe benutzen könnt. Ihr habt gesagt, Ihr wüßtet nichts darüber, wie man Magie handhabt.«

»Das stimmt, aber mein Großvater weiß das. Ich muß bis zu seinem Eintreffen hierbleiben, dann kann er mir beibringen, was ich wissen muß, damit ich gegen die Imperiale Ordnung kämpfen und sie daran hindern kann, die ganze Welt zu erobern.«

Cara tat seine Antwort mit einer Handbewegung ab. »Irgend jemand wird immer die Menschen beherrschen wollen, die er noch nicht beherrscht. Den Krieg gegen die Imperiale Ordnung könnt Ihr vom sicheren D’Hara aus führen. Sobald die Vertreter der Paläste aus ihren Heimatländern zurückkehren, um ihre Kapitulation anzubieten, gehören die Midlands Euch. Ihr werdet diese Welt beherrschen, ohne Euch auch nur im entferntesten in Gefahr zu begeben. Haben die Länder erst kapituliert, ist die Imperiale Ordnung am Ende.«