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»Folgt mir«, sagte das Mädchen. »Doch glaubt nicht, daß ihr einen schlimmeren Ort finden könnt als hier im Reich der Therns.«

Mit diesen Worten öffnete sie die Geheimtür, die uns von dem Zimmer trennte, in dem ich zu ihr gestoßen war. Ein weiteres Mal schlüpften wir hindurch zu den anderen Gefangenen.

Insgesamt waren es zehn rote Marsmenschen, Männer und Frauen. Nachdem wir ihnen unseren Plan kurz dargelegt hatten, beschlossen sie, sich uns anzuschließen, obwohl ihnen anzusehen war, daß sie fürchteten, ihr Schicksal herauszufordern und dem uralten Brauch zuwiderzuhandeln, auch wenn jedem auf grauenvolle Weise der Irrtum des Glaubens verdeutlicht worden war.

Bald hatte Thuvia, das Mädchen, das ich zuerst befreit hatte, die Ketten der anderen gelöst. Tars Tarkas und ich nahmen den beiden toten Therns die Waffen ab: Schwerter, Dolche sowie zwei Revolver jenes seltsamen, gefährlichen Waffentyps, wie ihn die roten Marsmenschen herstellen.

Wir verteilten alles unter unserem Gefolge, wobei zwei der Frauen, darunter Thuvia, die Schußwaffen erhielten.

Mit ihr an der Spitze machten wir uns zügig und leise auf den Weg durch eine Vielzahl von Gängen, durchquerten große, von Menschenhand im Erz geschaffene Hallen, folgten den Windungen der teilweise steil ansteigenden Korridore und versteckten uns, sobald wir Schritte vernahmen, an dunklen, abgelegenen Plätzen und Winkeln.

Als erstes wollte Thuvia uns zu einem entfernten Speicher bringen, in dem reichlich Waffen und Munition zu finden waren. Von dort ginge es zum Felsgipfel, wo viel Verstand und Kampfkraft gefragt waren, durch die Festung der Heiligen Therns zur Außenwelt zu gelangen.

»Und sogar dann erreicht uns noch der Arm des Heiligen Thern. Er langt bis zu jedem Volk auf Barsoom. Seine geheimen Tempel liegen im Herzen jeder Gemeinschaft verborgen. Wohin auch immer wir gehen, falls uns die Flucht gelingt, werden wir feststellen müssen, daß uns die Kunde von unserem Kommen vorausgeeilt ist und der Tod unserer harrt, bevor wir die Luft mit unseren Gotteslästerungen beschmutzen können«, sagte Thuvia.

Ohne ernsthafte Unterbrechung marschierten wir etwa eine Stunde. Thuvia hatte mir gerade zugeflüstert, daß wir uns dem ersten Ziel näherten, und wir wollten soeben eine große Kammer betreten, als wir auf einen Mann stießen, offensichtlich einen Thern.

Zusätzlich zum Lederzeug und dem juwelenbesetzten Schmuck trug er einen breiten Stirnreif, in dessen Mitte ein riesiger Stein eingefaßt war, dessen exakten Gegenpart ich vor fast zwanzig Jahren auf der Brust des kleinen, alten Mannes in der Atmosphärenfabrik gesehen hatte.

Dieser Edelstein von Barsoom ist unbezahlbar. Es hieß, es gäbe nur zwei davon, und diese beiden wurden als Zeichen ihres Standes und ihrer Position von den zwei alten Männern getragen, denen die Wartung der großen Maschinen oblag, die die künstliche Atmosphäre aus der Atmosphärenfabrik in alle Gebiete auf dem Mars pumpten. Mein Wissen um das Geheimnis der riesigen Portale hatte mich damals in die Lage versetzt, eine ganze Welt vor dem Ersticken zu retten.

Der Stein, den der Thern uns gegenüber trug, war von derselben Größe wie jener, den ich zuvor gesehen hatte, vielleicht von einem Zoll Durchmesser. Er strahlte in neun verschiedenen Farben: Den sieben Grundfarben, wie sie ein Prisma auf der Erde wirft, und zwei weiteren Strahlen, die bei uns auf der Erde unbekannt sind und deren atemberaubende Schönheit man mit Worten nicht beschreiben kann.

Als uns der Thern erblickte, verengten sich seine Augen zu zwei tückischen Schlitzen.

»Halt!« schrie er. »Was soll das bedeuten, Thuvia?«

Als Antwort hob das Mädchen den Revolver und feuerte. Lautlos sank er zu Boden, tot.

»Scheusal!« fauchte sie. »Nach all diesen Jahren habe ich mich endlich gerächt.«

Dann wandte sie sich zu mir, offensichtlich mit einigen erklärenden Worten auf den Lippen, doch als sie mich ansah, riß sie plötzlich die Augen auf und trat mit einem kleinen Aufschrei auf mich zu.

»Oh Prinz, das Schicksal meint es in der Tat gut mit uns. Der Weg ist noch mühsam, doch durch diesen Nichtswürdigen hier können wir in die Außenwelt gelangen. Fällt euch nicht auf, wie sehr ihr diesem Heiligen Thern ähnelt?«

Der Mann war tatsächlich von meiner Statur, auch unterschieden sich Augen und Gesichtszüge nicht sehr von den meinigen. Doch hatte er eine Masse von gelben, wallenden Locken auf dem Kopf, wie jene, die ich getötet hatte, dagegen habe ich kurzes, schwarzes Haar.

»Was nützt die Ähnlichkeit?« fragte ich Thuvia. »Willst du, daß ich mich mit meinem kurzen, schwarzen Haar als gelbhaarigen Priester dieses teuflischen Kultes ausgebe?«

Sie lächelte, trat als Antwort auf ihr Opfer zu, kniete nieder, löste den goldenen Stirnreif und zog zu meiner grenzenlosen Überraschung den ganzen Schöpf mit einemmal vom Kopf des Toten.

Dann erhob sie sich wieder, stülpte mir die gelbe Perücke über und legte mir den goldenen Stirnreif mit dem prächtigen Stein um.

»Nun legt seine Ausrüstung an, Prinz«, sagte sie. »Ihr werdet euch überall im Königreich der Therns frei bewegen können, denn Sator Throg war ein Heiliger Thern des Zehnten Kreises, er hatte Macht unter seinen Leuten.«

Als ich mich bückte, um zu tun, wie mir geheißen, bemerkte ich, daß auf seinem Kopf nicht ein Haar wuchs.

»Sie sind alle von Geburt an so«, erklärte mir Thuvia, als sie mein Erstaunen bemerkte. »Die Rasse, der sie entstammen, verfügte über eine reichhaltige Fülle goldenen Haares, doch nun sind sie schon seit vielen Jahrhunderten völlig kahl. Die Perücke wurde dennoch zu einem Bestandteil ihrer Ausrüstung, der so wichtig ist, daß es als tiefste Schande gilt, wenn ein Thern in der Öffentlichkeit ohne sie erscheint.«

Sekunden später trug ich die Kleidung eines Heiligen Therns.

Auf Thuvias Vorschlag nahmen zwei der vormaligen Gefangenen den Toten auf die Schultern, und wir setzten den Weg zum Lagerraum fort, wo wir schließlich ohne weitere Zwischenfälle ankamen. Hier verschafften uns die Schlüssel, die Thuvia dem toten Thern in der Gefängniskammer abgenommen hatte, geschwind Einlaß. Ebenso schnell hatten wir uns mit Waffen und Munition eingedeckt. Inzwischen war ich derartig erschöpft, daß ich keinen weiteren Schritt tun konnte. Ich warf mich auf den Boden, empfahl Tars Tarkas, es mir gleichzutun, und hieß zwei der Freigelassenen aufmerksam Wache halten.

Augenblicklich war ich eingeschlafen.

5. Gefahrvolle Wege

Wie lange ich auf dem Boden des Lagerraumes schlief, weiß ich nicht, aber es müssen mehrere Stunden gewesen sein.

Plötzlich wurde ich durch Schreie geweckt. Ich hatte kaum die Augen geöffnet und war wieder soweit zu mir gekommen, um zu wissen, wo ich war, als eine Salve Schüsse peitschte, deren ohrenbetäubender Widerhall durch die unterirdischen Gänge getragen wurde.

Sofort war ich auf den Beinen. Ein Dutzend niedere Therns griffen uns von einem riesigen Portal aus an, das sich gegenüber unserem Eingang auf der anderen Seite des Speichers befand. Um mich herum lagen die leblosen Körper meiner Begleiter, mit Ausnahme von Thuvia und Tars Tarkas, die ebenfalls auf dem Boden geschlafen hatten und so dem Mündungsfeuer entgangen waren.

Als ich stand, senkten die Therns die teuflischen Gewehre, ihre verzerrten Gesichter zeigten Verdruß, Bestürzung und Unentschlossenheit.

Sofort ergriff ich die Gelegenheit und brüllte mit wütender und verärgerter Stimme: »Was soll das bedeuten? Soll Sator Throg von seinen eigenen Untertanen ermordet werden?«

»Habt Erbarmen, o Herr der Zehnten Folge!« rief einer von ihnen, während die anderen in den Eingang zurückwichen, als wollten sie sich unbemerkt der Gegenwart des mächtigen Mannes entziehen.

»Fragt sie, was sie hier wollen«, flüsterte mir Thuvia zu, die neben mir stand.

»Was sucht ihr hier?« rief ich.

»Zwei Eindringlinge aus der Außenwelt befinden sich im Reich der Therns auf freiem Fuße. Der Vater der Therns hat uns befohlen, nach ihnen zu suchen. Einer von ihnen war weiß mit schwarzem Haar, bei dem anderen handelt es sich um einen riesigen grünen Krieger.« Bei diesen Worten warf der Mann einen mißtrauischen Blick auf Tars Tarkas.