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Doch ich entschloß mich, das genau herauszufinden, und zwar sofort. So begann ich langsam und mit größter Vorsicht, die Ankerkette hochzuklettern.

Ich tastete nach der Reling des Schiffes und legte schließlich die Hand darauf, als sich ein grimmiges, schwarzes Gesicht über die Seitenwand schob und mich voll triumphierenden Hasses anblickte.

7. Eine hübsche Göttin

Einen Augenblick blieben der schwarze Pirat und ich regungslos und starrten Auge in Auge. Dann zogen sich die hübschen Lippen über mir in einem bösen Lächeln auseinander, als sich eine ebenholzfarbene Hand langsam über den Rand schob und mir die kalte, hohle Mündung eines Revolvers mitten auf die Stirn setzte.

Im selben Moment, in dem meine freie Hand den schwarzen Hals packte, der sich gerade in Reichweite befand, bewegte sich der ebenholzfarbene Finger am Abzug. Mit halberstickter Stimme zischte der Pirat: »Stirb, verfluchter Thern«, denn meine Finger drückten ihm die Luft ab. Der Hahn fiel mit einem sinnlosen Klicken auf eine leere Kammer.

Bevor er wieder feuern konnte, hatte ich ihn soweit über den Rand gezogen, daß er gezwungen war, die Waffe fallenzulassen und sich mit beiden Händen festzuhalten.

Wegen meines Griffes konnte er nicht schreien, so rangen wir miteinander in eisiger Stille: Er, um sich aus meiner Umklammerung zu lösen, ich, um ihn über die Reling in den Tod zu reißen.

Sein Gesicht nahm bereits eine bläuliche Färbung an, und die Augen traten aus den Höhlen. Offenbar wurde ihm klar, daß er sterben mußte, wenn er nicht den stählernen Griff lösen konnte, der das Leben aus ihm preßte. Mit letzter Kraft warf er sich zurück in Richtung Deck, ließ dabei die Reling los und versuchte verzweifelt mit beiden Händen, meine Finger von seiner Gurgel zu bekommen.

Auf diese kurze Sekunde hatte ich gewartet. Mit einem Ruck zog ich ihn von Deck. Dabei hätte er mich beinahe mitgerissen und mit sich in die Untiefen des Meeres gezogen, denn der Halt mit nur einer freien Hand an der Ankerkette war sehr unsicher.

Dennoch ließ ich nicht los, denn ich wußte, daß, wenn ihm beim Sturz in den Tod in das stille Meer auch nur ein einziger Schrei über die Lippen kam, die anderen von oben zu seiner Rache herbeieilen würden.

So hielt ich ihn verbissen fest, drückte und drückte, während er sich verzweifelt wand und mich dabei immer weiter nach unten zum Ende der Ketten zog.

Schrittweise wurden seine Zuckungen krampfhaft und ebbten zusehends ab, bis sie schließlich ganz aufhörten. Dann erst ließ ich ihn los, und in Sekundenschnelle hatte ihn die Finsternis unten verschluckt.

Erneut kletterte ich zur Reling des Schiffes. Diesmal gelang es mir, einen Blick an Deck zu werfen und die gegenwärtige Situation sorgfältig in Augenschein zu nehmen, um zu wissen, womit ich rechnen mußte.

Der erste Mond war bereits hinter dem Horizont verschwunden, doch der klare Schein des zweiten Satelliten erhellte das Deck des Kreuzers und hob die Umrisse von sechs, acht Schläfern scharf hervor, die an Deck lagen.

Am Fuße eines Schnellfeuergewehres kauerte ein junges, hellhäutiges Mädchen, das man zuverlässig gefesselt hatte. Sie blickte mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen zu mir und ließ mich, als ich über der Reling auftauchte, keinen Moment aus den Augen.

Als sie den geheimnisvollen Edelstein in der Mitte meines gestohlenen Kopfschmuckes entdeckte, trat unbeschreibliche Erleichterung in ihr Gesicht. Schweigend warnte sie mich mit einem Blick vor den Schlafenden um sie herum.

Lautlos zog ich mich an Deck. Mit einem Nicken bat mich das Mädchen zu sich. Als ich mich zu ihr neigte, flüsterte sie mir zu, ich möge sie doch befreien.

»Ich kann dir helfen, und du wirst jede erdenkliche Hilfe brauchen, wenn sie aufwachen«, sagte sie.

»Einige von ihnen werden in Korus aufwachen«, entgegnete ich lächelnd.

Sie verstand die Bedeutung meiner Worte; und das unbarmherzige Lächeln, mit dem sie meine Bemerkung erwiderte, erschreckte mich. Grausamkeit in einem brutalen Gesicht erstaunt einen nicht weiter. Sieht man sie hingegen auf dem Antlitz einer Göttin, deren feingemeißelte Züge mehr zur Darstellung von Liebe und Schönheit geschaffen sind, empfindet man das als entsetzlich.

Ich tat, wie mir geheißen, und befreite sie. Dann wandte ich mich einer unangenehmen Aufgabe zu. Jetzt war nicht der Zeitpunkt für verfeinerte Gefühle wie Gewissensbisse oder Ritterlichkeit, die diese grausamen Teufel weder zu schätzen noch zu erwidern wußten.

Leise schlich ich zu dem nächsten Schläfer. Erwachend befand er sich bereits auf der Reise zu Korus’ Busen. Sein gellender Schrei, als er begriff, verhallte in den schwarzen Tiefen.

Der zweite schlug bei meiner Berührung die Augen auf, und obwohl es mir gelang, ihn von Deck des Kreuzers zu schleudern, brachte sein wilder Alarmschrei alle übrigen Piraten auf die Beine. Es waren fünf.

Als sie aufsprangen, ertönten mehrere abgehackte Schüsse aus dem Revolver des Mädchens, und einer sank für immer darnieder.

Die anderen stürmten mit gezogenen Schwertern wutschnaubend auf mich zu. Offensichtlich wagte das Mädchen nicht, zu schießen, um mich nicht zu verletzen, doch ich sah, wie sie sich leise wie eine Katze neben die Angreifer schlich. Diese waren nun auf mir.

Einige Minuten lang wurde ich in den heftigsten Kampf verwickelt, den ich jemals erlebt hatte. Das Deck war zu klein, als daß man irgendwohin hätte ausweichen können. So hieß es, den Boden zu verteidigen, auf dem man stand, auszuteilen und einzustecken. Zuerst steckte ich beträchtlich mehr ein, als ich austeilte, doch bald konnte ich einen der Schwarzen überwältigen und hatte die Befriedigung, ihn auf Deck zusammenbrechen zu sehen.

Die anderen verdoppelten ihre Bemühungen. Der Zusammenstoß unserer Klingen erzeugte einen schrecklichen Krach, der in der stillen Nacht meilenweit zu hören gewesen sein mußte. Funken sprangen, als Stahl auf Stahl traf. Dann war ein dumpfes und gräßliches Geräusch zu vernehmen, als die scharfe Klinge meines Marsschwertes durch einen Schulterknochen ging.

Nun standen mir noch drei gegenüber, doch das Mädchen arbeitete sich zu einer Stelle vor, die ihr es erlauben würde, die Anzahl der Gegner um mindestens einen zu reduzieren. Dann spielte sich alles in einer solch erstaunlichen Schnelligkeit ab, daß ich sogar jetzt noch nicht alles verstehen kann.

In der offenkundigen Absicht, mich die wenigen Schritte zurückzudrängen, die mich vom Sturz ins Nichts trennten, warfen sich die drei auf mich. Im selben Moment, als das Mädchen feuerte, vollführten meine Arm zwei Bewegungen. Ein Mann sank mit einem Kopfschuß zu Boden, ein Schwert flog klappernd über das Deck und rutschte über den Rand – ich hatte einen meiner Gegner entwaffnet – und dem dritten stieß ich die Klinge bis zum Heft in die Brust, so daß sie auf der anderen Seite drei Fuß heraustrat. Er sank zu Boden und riß mein Schwert mit sich.

Da ich mich somit selbst entwaffnet hatte, stand ich nun mit bloßen Händen dem letzten gegenüber, dessen eigenes Schwert irgendwo tausend Fuß unter uns auf dem Grund des Verlorenen Meeres lag.

Die neuen Bedingungen schienen meinen Widersacher zu erfreuen, denn er entblößte mit zufriedenem Lächeln die strahlenden Zähne, während er ohne jede Waffe auf mich zustürmte. Seine kräftigen, runden Muskeln unter der glatten, schwarzen Haut gaben ihm offensichtlich die Gewißheit, daß ich für ihn leichte Beute sein würde und der Anstrengung nicht wert, den Dolch aus seiner Ausrüstung zu ziehen.

Ich ließ ihn dicht an mich herankommen. Dann duckte ich mich unter den ausgestreckten Armen und wich nach rechts aus. Ich drehte mich um meine Achse, holte Schwung und versetzte ihm mit der rechten einen schrecklichen Schlag gegen den Unterkiefer, so daß er auf der Stelle wie ein gefällter Ochse zu Boden sank.

Ein leises, silbernes Lachen erklang hinter mir.

»Du bist kein Thern«, sagte meine Gefährtin mit holder Stimme. »Trotz all der goldenen Locken und der Ausrüstung von Sator Throg. Auf ganz Barsoom hat niemals jemand gelebt, der so kämpfen konnte wie du in dieser Nacht. Wer bist du?«