Als sie uns sahen, erhob sich wütendes Geschrei aus hundert Kehlen. Brüllend wurden Befehle erteilt. Doch es war zu spät, um die riesigen Propeller zu retten, und mit einem Krachen rammten wir sie.
Zeitgleich mit dem Aufprall drehte ich die Maschine zurück, doch mein Bug hatte sich in der Öffnung verkeilt, die er ins Heck des Kriegsschiffes gerissen hatte. Nur eine Sekunde hingen wir fest, bevor wir uns losmachen konnten, doch diese Sekunde genügte, und auf unserem Deck wimmelte es von den schwarzen Teufeln.
Zu einem Kampf kam es nicht. Zunächst, weil es keinen Platz dafür gab. Sie befanden sich einfach in der Überzahl. Als schließlich von allen Seiten Schwerter auf mich gerichtet waren, hielt Xodar seine Leute zurück.
»Bindet sie, doch verletzt sie nicht«, befahl er.
Einige Piraten hatten Xodar bereits von seinen Fesseln befreit. Er kümmerte sich nun persönlich darum, daß ich entwaffnet und gut gefesselt wurde. Zumindest glaubte er, daß die Stricke sicher seien. Bei einem Marsbewohner wäre das auch der Fall gewesen, doch angesichts der dünnen Stränge, die meine Hände zusammenhielten, mußte ich einfach lachen. Wenn die Zeit gekommen war, würde ich sie zerreißen wie Bindfäden.
Nachdem sie auch das Mädchen gefesselt hatten, banden sie uns aneinander. In der Zwischenzeit hatten sie unser Luftschiff längsseits an das beschädigte Kriegsschiff gebracht, und bald führte man uns an dessen Deck.
Reichlich tausend schwarze Männer bildeten die Mannschaft des großen Zerstörers. Die Decks waren überfüllt, da alle, soweit es die Disziplin erlaubte, einen Blick auf die Gefangenen werfen wollten.
Die Schönheit des Mädchens war Anlaß für viele brutale Bemerkungen und vulgäre Gesten. Es war offensichtlich, daß diese Menschen, die sich für vollkommen hielten, den roten Menschen von Barsoom hinsichtlich ihrer Manieren und ihres Edelmutes bei weitem unterlegen waren.
Mein kurzes schwarzes Haar und meine thernartige Hautfarbe wurden reichhaltig kommentiert. Als Xodar seinen Edelleuten von meinen kämpferischen Fähigkeiten und meiner seltsamen Herkunft berichtete, scharten sie sich mit unzähligen Fragen um mich.
Die Tatsache, daß ich die Ausrüstung und das Metall eines Therns trug, den ein Mitglied meiner Gruppe getötet hatte, überzeugte sie, daß ich ein Widersacher ihrer Erzfeinde war. Damit stieg ich offenbar in ihrer Wertschätzung.
Die Schwarzen waren ausnahmslos ansehnliche und gutgebaute Männer. Die Offiziere fielen durch die unglaubliche Pracht ihrer glänzenden Ausrüstung auf. Oftmals strotzte diese nur so von Gold, Platin, Silber und wertvollen Steinen, und das Leder darunter war gar nicht mehr zu sehen.
So bestand die Ausrüstung des befehlshabenden Offiziers ausschließlich aus Diamanten. Gegen die tiefschwarze Haut gleißten diese besonders hell. Die ganze Szene war bezaubernd: Die wohlgestalteten Männer; die übermäßige Pracht der Rüstungen; das schimmernde Skeelholz des Decks; das wundervoll marmorierte Sorapusholz der Kabinen, die auf kunstvolle Weise mit unschätzbar wertvollen Juwelen und kostbaren Edelmetallen verziert waren; die polierten goldenen Geländer und das glänzende Metall der Schußwaffen.
Man brachte Phaidor und mich unter Deck und warf uns, noch immer gefesselt, in eine kleine Kabine mit nur einem Bullauge. Als unsere Bewacher uns verließen, verriegelten sie hinter sich die Tür.
Wir hörten die Männer, die an den zerbrochenen Propellern arbeiteten, und konnten vom Bullauge aus verfolgen, wie das Schiff langsam vor sich hin gen Süden driftetete.
Eine Zeitlang sprach keiner von uns beiden. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Mich für meinen Teil beschäftigte, was wohl aus Tars Tarkas und dem Mädchen Thuvia geworden sein mochte.
Sogar, wenn es ihnen gelang, den Verfolgern zu entgehen, würden sie letztlich entweder den roten oder grünen Menschen in die Hände fallen, und als Flüchtlinge aus dem Tal Dor hatten sie nur wenig anderes zu erwarten als einen schnellen und schrecklichen Tod.
Wie sehr wünschte ich, daß ich sie hätte begleiten können. Mir schien, daß es mir schon gelungen wäre, den intelligenten roten Menschen von Barsoom eindringlich den gemeinen Betrug klarzumachen, der sich hinter dem grausamen und unsinnigen Aberglauben verbarg.
Tardos Mors würde mir glauben, davon war ich überzeugt. Und ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß er den Mut besaß, entsprechend seiner Überzeugung zu handeln. Dejah Thoris würde mir ebenfalls glauben, da hatte ich nicht die geringsten Zweifel. Dann gab es noch Tausend von roten und grünen Kriegern, mit denen ich befreundet war und von denen ich wußte, daß sie um meinetwillen die ewige Verdammnis auf sich nehmen würden. Gleich Tars Tarkas würden sie mir folgen, wohin ich sie auch führte.
Die einzige Gefahr bestand darin, daß ich, wenn ich überhaupt jemals den schwarzen Piraten entkam, feindlich gesonnenen roten oder grünen Menschen in die Hände fiel. Sie würden kurzen Prozeß mit mir machen.
Doch diesbezüglich mußte ich mir im Moment wenig Sorgen machen, denn die Wahrscheinlichkeit, daß ich den Schwarzen jemals entkam, war äußerst gering.
Man hatte das Mädchen und mich so aneinander gefesselt, daß wir uns nur ungefähr drei oder vier Fuß voneinander fortbewegen konnten. Nachdem wir in das Abteil gekommen waren, hatten wir uns auf eine niedrige Bank aus Sorapusholz gesetzt, das einzige Möbelstück im Raum, das unter dem Bullauge stand. Der Boden, die Decke und die Wände bestanden aus einer Legierung aus Siliziumkarbid und Aluminium, einem leichten, undurchdringlichen Material, das bei der Konstruktion der Kriegsschiffe auf dem Mars in großem Maße Verwendung findet.
Während ich so dasaß und über die Zukunft nachdachte, hielt ich den Blick auf das Bullauge gerichtet, das sich in Augenhöhe befand. Plötzlich sah ich zu Phaidor. Sie schaute mich mit einem seltsamen Ausdruck an, den ich auf ihrem Antlitz noch nie gesehen hatte. In diesem Augenblick war sie sehr schön.
Sofort schlug sie die weißen Lider nieder, und ich glaubte eine leichte Röte wahrzunehmen, die ihre Wangen färbte. Offenbar ist es ihr peinlich, dabei ertappt worden zu sein, ein niederes Geschöpf so anzustarren, dachte ich.
»Findest du das Studium der niederen Geschöpfe interessant?« fragte ich lachend.
Mit einem nervösen, doch erleichterten kurzen Lachen blickte sie wieder auf und entgegnete: »Oh, sehr, besonders, wenn sie ein solch erlesenes Profil besitzen.«
Nun hätte eigentlich ich erröten müssen, doch tat ich es nicht. Ich spürte, daß sie sich über mich lustig machte, und da ich eine Seele bewundere, die noch auf dem Weg in den Tod zu scherzen vermag, fiel ich in ihr Gelächter ein.
»Weißt du, wohin es geht?« fragte sie.
»Ich kann mir vorstellen, daß wir das Geheimnis des ewigen Lebens im Jenseits kennenlernen kennenlernen«, entgegnete ich.
»Mir steht ein schlimmeres Schicksal bevor als jenes«, sagte sie leicht erschaudernd.
»Was meinst du?«
»Ich kann es nur ahnen, da keine Frau des Thernvolkes von all den Millionen, die von den schwarzen Piraten im Laufe der seit Jahrhunderten andauernden Überfälle auf unsere Gebiete geraubt worden sind, je zurückgekehrt ist und davon berichtet hat, wie es ihr ergangen ist«, erwiderte sie. »Da sie niemals einen Mann gefangennehmen, kann man annehmen, daß das Schicksal der geraubten Mädchen schlimmer als der Tod ist.«
»Ist das nicht eine gerechte Strafe?« kam ich nicht umhin zu fragen.
»Was meinst du damit?«
»Verfahren nicht die Therns selbst mit den armen Geschöpfen ebenso, die freiwillig die Pilgerfahrt entlang des Flusses der Geheimnisse antreten? Diente nicht Thuvia fünfzehn Jahre lang als Spielzeug und Sklavin? Ist es nicht mehr als gerecht, daß du genauso leidest, wie du andere hast leiden lassen?«
»Du verstehst nicht«, entgegnete sie. »Wir Therns sind ein heiliges Volk. Es ist einer niederen Kreatur eine Ehre, bei uns Sklave zu sein. Wenn wir nicht gelegentlich einige der armen Geschöpfe retteten, die sich unsinnigerweise von einem unerforschten Fluß zu einem unbekannten Ende treiben lassen, würden sie alle den Pflanzenmenschen und den Affen in die Hände fallen.«