Rumpf und Beine hatte die Natur wie bei den Menschen symmetrisch gestaltet, auch die Füße besaßen, abgesehen von der immensen Größe, menschliche Form. Von der Ferse bis zu den Zehen waren sie reichlich drei Fuß lang, sehr flach und breit.
Als die Kreatur in meine Nähe kam, entdeckte ich, daß es sich bei den seltsamen Bewegungen, mit denen die merkwürdigen Hände über den Rasen glitten, um eine spezielle Art der Nahrungsaufnahme handelte: Mit den rasierklingenartigen Krallen schnitt das Wesen das zarte Gras ab und saugte es mit den beiden auf den Handflächen befindlichen Mündern durch die armähnlichen Hälse auf.
Zusätzlich zu den bereits beschriebenen Eigenarten verfügte das Geschöpf über einen dicken Schwanz von ungefähr sechs Fuß Länge, der am Ansatz rund war, sich jedoch zum Ende hin zu einer flachen, senkrecht zum Erdboden stehenden Klinge zuspitzte.
Bei weitem am eindrucksvollsten aber waren die beiden winzigen Nachbildungen von etwa sechs Fuß Länge, die von den Armbeugen der bemerkenswerten Kreatur hinabbaumelten. Sie hingen an dünnen Schläuchen, welche die Mitte ihrer Köpfe mit dem Körper des Muttertieres verbanden.
Ob das die Nachkommen waren oder einfach ein weiterer befremdlicher Körperteil, wußte ich damals nicht.
Während ich mich der genaueren Betrachtung dieses unheimlichen, monströsen Wesens gewidmet hatte, war auch der Rest der Herde beim Weiden nähergekommen, und nun sah ich, daß nicht an allen solche kleineren Exemplare hingen. Außerdem unterschieden sich die Kleinen untereinander hinsichtlich der Größe. Von ungeöffneten, winzigen Knospen mit einem Zoll Durchmesser, waren alle Entwicklungsstufen bis zum voll ausgebildeten, ungefähr zwölf Zoll großen Geschöpfen vertreten.
In der Herde weideten viele Kleine, die nicht viel größer waren als jene, die noch an ihren Eltern hingen. So schien die Gruppe von diesen Jungen bis hin zu den riesigen Erwachsenen alle Altersstufen einzuschließen.
Trotz des beängstigenden Aussehens der Wesen wußte ich nicht, ob ich sie fürchten mußte, denn sie schienen nicht besonders zum Kampf ausgerüstet zu sein. Ich wollte fast aus meinem Versteck hervortreten und mich ihnen zeigen, um herauszufinden, welche Wirkung der Anblick eines Menschen auf die Wesen hatte, da vernahm ich ein seltsam kreischendes Geräusch vom Steilufer zu meiner Rechten, welches meinen voreiligen Entschluß zum Glück im Keim erstickte.
Nackt und unbewaffnet wie ich war, hätten diese grausamen Kreaturen mir ein schnelles und schreckliches Ende bereitet, wenn ich meinen Gedanken rechtzeitig in die Tat umgesetzt hätte. Doch bei diesem Schrei wandte sich jedes Mitglied der Herde in die Richtung, aus der er kam, jedes einzelne schlangenähnliche Haar richtete sich auf, als sei es ein empfindungsfähiger Organismus, der die Quelle oder die Bedeutung des Wimmerns herausfinden wollte. Mit dieser Annahme irrte ich nicht, denn bei dem seltsamen Gewächs auf den Schädeln der Pflanzenmenschen von Barsoom handelt es sich um die tausend Ohren dieser entsetzlichen Kreaturen, den letzten Nachkommen jener seltsamen Rasse, die dem ursprünglichen Lebensbaum entstammt.
Sofort richtete sich jedes Auge auf einen riesigen Gesellen, offensichtlich den Anführer der Herde. Ein seltsam schnurrender Laut drang aus dem Mund einer seiner Handflächen, als er sich schnell in Richtung Steilufer auf den Weg machte. Die anderen folgten ihm sofort.
Sowohl die Geschwindigkeit als auch die Fortbewegungsart waren unglaublich. Mit großen Sätzen sprangen die Geschöpfe etwa zwanzig, dreißig Fuß weit, sehr nach der Art des Känguruhs.
Schnell entschwanden sie meinem Blick, da fiel mir ein, ihnen zu folgen. Ich ließ jegliche Vorsicht außer acht und setzte ihnen mit Sprüngen und Hüpfern über die Wiese hinterher, die selbst die ihrigen übertrafen, denn auf dem Mars, wo Anziehungskraft und Luftdruck geringer sind, erbringen die Muskeln des athletischen Erdenmenschen erstaunliche Leistungen.
Die Pflanzenmenschen begaben sich direkt auf die Quelle des Flusses am Fuße der Klippen zu, und als ich mich heranpirschte, bemerkte ich, daß der Boden hier mit Geröll übersät war, welches sich im Laufe der Zeit von den Felsen gelöst hatte.
Deswegen nahmen meine Augen das Entsetzliche erst wahr, als ich den Verursachern des jähen Aufbruchs fast gegenüberstand. Von einem kleineren Felsen sah ich, daß die Pflanzenmenschen eine kleine Gruppe von vielleicht fünf oder sechs grünen Marsmenschen von Barsoom, Männern und Frauen, einkreisten.
Nun bezweifelte ich nicht mehr, auf dem Mars zu sein, denn dies waren Angehörige jener wilden Horden, welche die vertrockneten Meeresböden und die Städte des untergehenden Planeten bewohnen.
Ich sah die hochgewachsenen Männer mit ihrer erhabenen Haltung, den glänzend weißen Stoßzähnen, die aus den wuchtigen Unterkiefern hervortraten und etwa in der Mitte der Stirn endeten, den an den Seiten befindlichen, hervorstehenden Augen, mit denen sie ohne Drehung des Kopfes vorwärts, rückwärts oder in beide Richtungen zugleich blicken konnten, den seltsamen antennenartigen Ohren, die über der Stirn lagen, und einem zusätzlichen Armpaar, das sich zwischen Schultern und Hüften befand.
Sogar ohne die glänzende grüne Haut und den ornamentalen Schmuck, der verriet, welchen Stämmen sie angehörten, hätte ich sie augenblicklich als das erkannt, was sie waren, denn wo sonst im Universum hätte man dergleichen schon gesehen?
Es waren zwei Männer und vier Frauen. Ihr Schmuck wies sie als Angehörige unterschiedlicher Gruppierungen aus. Das wunderte mich, da die verschiedenen Völker der grünen Menschen von Barsoom in ewigem Krieg miteinander leben. Niemals hatte ich grüne Marsmenschen verschiedener Stämme anders als im tödlichen Zweikampf vereint gesehen, mit Ausnahme des historischen Ereignisses, als der große Tars Tarkas von Thark einhundertundfünfzigtausend grüne Krieger aus verschiedenen Horden versammelt hatte, um gegen die zum Untergang verurteilte Stadt von Zodanga zu marschieren, wo er Dejah Thoris, die Prinzessin von Helium, aus den Klauen von Than Kosis befreien wollte.
Doch nun standen sie Schulter an Schulter mit angstgeweiteten Augen einem gemeinsamen Feind gegenüber, der bösartige Absichten hegte.
Sowohl die Männer als auch die Frauen waren mit langen Schwertern und Dolchen bewaffnet, doch konnte ich keine Gewehre sehen, mit denen sie sonst den grausamen Pflanzenmenschen kurzen Prozeß gemacht hätten.
Gleich darauf griff der Anführer der Pflanzenmenschen an. Sein Vorgehen war unerwartet und folgenschwer, denn die Kampftechniken der grünen Menschen kannten keine Abwehr gegen eine solch plötzliche Attacke, deren Art ihnen ebenso neu war wie ihre monströsen Gegner selbst.
Er stürmte bis auf zwölf Fuß auf die Gruppe zu und schwang sich dann mit einem Satz in die Luft, als wolle er auf ihre Köpfe springen. Den mächtigen Schwanz seitlich hoch erhoben, fegte der Pflanzenmensch dicht über seinen Opfern hinweg und ließ ihn plötzlich auf einem der Krieger niedergehen, dem dieser fürchterliche Schlag den Schädel zertrümmerte, als sei der eine Eierschale.
Der Rest der grauenerregenden Herde begann das kleine Häufchen nun immer schneller zu umkreisen. Ihre erstaunlichen Sprünge und das schrille Kreischen aus den unheimlichen Kehlen waren genau darauf ausgerichtet, ihre Opfer zu verwirren und zu verängstigen, so daß, als zwei der Angreifer gleichzeitig lossprangen, dem Schlag ihrer schrecklichen Schwänze kein Widerstand entgegengesetzt wurde und zwei weitere grüne Marsmenschen auf unwürdige Weise zugrunde gingen.
Jetzt waren lediglich ein Krieger und zwei Frauen übrig. Es schien nur noch ein paar Sekunden zu dauern, bis auch sie tot auf dem scharlachroten Rasen liegen würden.
Doch als zwei weitere Pflanzenmenschen angriffen, schwang der Krieger, gewitzt durch die Erfahrungen der letzten Minuten, sein mächtiges Schwert und begegnete dem heranpfeifenden Koloß mit einer scharfen Klinge, welche diesen vom Kinn bis zur Leistengegend spaltete.
Der andere vermochte jedoch den beiden Frauen mit dem grausamen Schwanz einen einzigen Hieb zu versetzen, der beide zertrümmert zu Boden fegte.