Wenn auch das Schreiben darüber Minuten in Anspruch genommen hat, geschah doch alles binnen weniger Sekunden. Inzwischen hatte Tars Tarkas meine mißliche Lage bemerkt und sich von den unteren Ästen fallen gelassen, die er nach unendlichen Mühen erklommen hatte. Als ich mich gerade des letzten meiner bösartigen Gegenüber entledigte, sprang der Thark neben mich, und ein weiteres Mal kämpften wir Seite an Seite.
Immer wieder sprangen uns die wilden Affen an, und immer wieder schlugen wir sie mit unseren Schwertern zurück. Schwungvoll pfiffen die langen, kräftigen Schwänze der Pflanzenmenschen über uns hinweg, wenn sie uns aus verschiedenen Richtungen ansprangen oder leichtfüßig wie Windhunde über unsere Köpfe hinwegsetzten. Indes begegneten wir einem jeden Angriff mit einer funkelnden Klinge, gehalten von den Händen der beiden Männer, die schon seit zwanzig Jahren auf dem ganzen Mars berühmt waren, denn Tars Tarkas und John Carter waren die Namen, bei deren Klang die Herzen der Krieger des Mars höher schlugen.
Doch sogar die zwei besten Schwerter in der Welt der Soldaten halten nicht ewig einer überwältigenden Übermacht wilder und grausamer Kreaturen stand, die erst wissen, was Niederlage bedeutet, wenn der kalte Stahl dem Schlag ihrer Herzen Einhalt gebietet. Schritt für Schritt wurden wir zurückgetrieben. Schließlich standen wir mit dem Rücken zu dem riesigen Baum, den wir zu erklimmen gedacht hatten, und da wir unablässig angegriffen wurden, mußten wir immer wieder zurückweichen, bis wir zur Hälfte um den gigantischen Stamm gedrängt worden waren.
Plötzlich hörte ich Tars Tarkas, der voranging, frohlockend aufschreien.
»Hier ist mindestens Platz für einen von uns, John Carter«, sagte er. Als ich hinabblickte, sah ich unten im Baumstamm eine Öffnung von etwa drei Fuß Durchmesser.
»Hinein mit dir, Tars Tarkas«, rief ich, doch er zögerte, sagte, daß er nicht durch das kleine Loch passe, während ich hingegen mühelos hineinschlüpfen könne.
»Wir werden beide sterben, wenn wir draußen bleiben, John Carter. Es gibt eine winzige Chance für einen von uns. Nutze sie, und du bleibst am Leben, um mich zu rächen. Ich kann mich nicht durch so eine kleine Öffnung quetschen, während uns diese Horde Teufel von allen Seiten zusetzt.«
»Dann werden wir zusammen sterben, Tars Tarkas, denn ich gehe nicht als erster«, entgegnete ich. »Laß mich den Zugang verteidigen, während du hineinkriechst, ich bin kleiner und zwänge mich hinter dir hinein, ohne daß die Monster es verhindern können.«
Noch immer kämpften wir unbändig gegen unsere Angreifer, verständigten uns in halben Sätzen, die durch teuflische Schnitte und Hiebe unterbrochen wurden.
Schließlich gab er nach, denn es schien der einzige Weg zu sein, um überhaupt einen von uns vor der ständig anwachsenden Schar von Feinden zu retten, die noch immer von allen Seiten aus dem Tal auf uns zuströmten.
»Es war schon von jeher deine Art, zuletzt an dein eigenes Leben zu denken, John Carter, und noch ähnlicher sieht es dir, anderen zu befehlen, wie sie zu leben und zu handeln haben, sogar dem größten aller Jeddaks, die auf Barsoom herrschen«, sagte er. Auf seinem grausamen, harten Gesicht zeigte sich ein düsteres Lächeln, als er, der größte Jeddak von allen, sich umwandte, um den Befehlen eines Wesens aus einer anderen Welt zu gehorchen – eines Mannes, der nur halb so groß war wie er selbst.
»Wenn es dir nicht gelingt, John Carter, dann wisse, daß der grausame und herzlose Thark, dem du die Bedeutung des Wortes Freundschaft beigebracht hast, herauskommen wird, um neben dir zu sterben«, sagte er.
»Wie du wünschst, mein Freund«, entgegnete ich. »Doch schnell hinein, mit dem Kopf zuerst. Ich decke währenddessen deinen Rückzug!«
Immer noch zögerte er, denn nie zuvor in seinem ganzen Leben voller Kämpfe hatte er etwas anderem als dem Tod oder dem besiegten Feind den Rücken zugekehrt.
»Beeile dich, Tars Tarkas«, drängte ich. »Oder es kostet uns beide das Leben, und das völlig umsonst. Allein kann ich sie nicht ewig aufhalten.«
Als er sich zu Boden ließ, um in die Baumhöhlung zu kriechen, warf sich die gesamte Meute der schrecklichen, heulenden Teufel auf mich. Nach rechts und links flog meine glänzende Klinge, mal grün von dem klebrigen Lebenssaft der Pflanzenmenschen, mal dunkel von dem karmesinroten Blut der weißen Affen. Von einem Angreifer ging sie zum nächsten und verharrte lediglich den Bruchteil einer Sekunde in einem wilden Herzen, um dessen Lebenssaft zu trinken.
Die Übermacht, mit der ich es zu tun hatte, war so gewaltig, daß ich mir sogar jetzt nicht mehr vorzustellen vermag, wie menschliche Muskeln dieser fürchterlichen Invasion von Tonnen unbezwingbarer Fleischberge standhalten konnten.
Da die Kreaturen fürchteten, daß wir ihnen entkamen, verdoppelten sie ihre Bemühungen, mich zu überwältigen, und während sich um mich herum ihre toten und sterbenden Kameraden stapelten, gelang es ihnen schließlich, mich zu Fall zu bringen. Das zweite Mal an diesem Tag ging ich unter ihnen zu Boden, und erneut spürte ich die schrecklichen, saugenden Lippen auf der Haut.
Doch kaum war ich unterlegen, wurden meine Handgelenke mit eisernem Griff gepackt, und eine Sekunde später befand ich mich im Inneren des Baumes. Es kam zu einer kurzen, heftigen Auseinandersetzung zwischen Tars Tarkas und einem großen Pflanzenmenschen, der sich hartnäckig an meine Brust klammerte, doch bald brachte ich meine Klinge zwischen uns und durchbohrte den Gegner mit einem mächtigen Stoß.
Zerrissen und aus vielen Wunden blutend, lag ich keuchend auf dem Boden in der Baumhöhle, während Tars Tarkas den Zugang vor dem aufgebrachten Gesindel draußen verteidigte.
Eine Stunde lungerten sie um den Baum herum und heulten, doch nach einigen Versuchen, zu uns zu gelangen, beschränkten sie sich auf einschüchterndes Geschrei und Gekreisch. Grauenerregend war das Knurren der großen weißen Affen, und das Schnurren der Pflanzenmenschen war ebenso unbeschreiblich wie entsetzlich.
Schließlich verschwanden alle bis auf etwa zwanzig, die uns wohl an der Flucht hindern sollten. Unser Abenteuer schien in eine Belagerung überzugehen, und auch diese würde für uns nur mit dem Hungertode enden. Sogar wenn es uns gelingen sollte, nach Einbruch der Dunkelheit herauszuschlüpfen, wohin konnten wir in diesem unbekannten und feindlichen Tal fliehen?
Als der feindliche Ansturm nachgelassen hatte und unsere Augen sich an das vorherrschende Halbdunkel gewöhnt hatten, ergriff ich die Gelegenheit, unser seltsames Schlupfloch zu erkunden.
Die Baumhöhlung hatte einen Durchmesser von etwa fünfzig Fuß und war dem ebenen, harten Boden nach zu schließen schon oft als Behausung genutzt worden. Als ich nach oben blickte, um festzustellen, wie hoch sie war, sah ich weit über mir einen schwachen Lichtschein.
Oben war ein Loch. Erreichten wir es, konnten wir doch noch darauf hoffen, in den Felsenhöhlen Unterschlupf zu finden. Als ich meine Erkundungen fortsetzte, stieß ich plötzlich auf der einen Seite auf eine grobe Leiter.
Schnell kletterte ich daran hoch und kam schließlich zu dem untersten einer Reihe von Holzbalken, die im nun engeren Schacht des Baumstammes verankert worden waren. Diese Balken hatte man im Abstand von drei Fuß übereinander gesetzt, sie bildeten, soweit ich sehen konnte, eine ideale Leiter nach oben.
Ich ließ mich ein weiteres Mal zum Boden hinab und erzählte Tars Tarkas von meiner Entdeckung, der daraufhin vorschlug, daß ich den oberen Teil so weit wie möglich erforschte, während er den Eingang vor möglichen Angreifern bewachte.
Ich machte mich auf den Weg. Reichlich fünfhundert Fuß weiter oben erreichte ich schließlich das Loch im Baumstamm, durch welches das Licht einfiel. Es war etwa von derselben Größe wie der Eingang unten und öffnete sich direkt auf einen breiten, flachen Ast, an dessen abgewetzter Oberseite man sehen konnte, daß er lange Zeit als Weg genutzt worden war.
Ich wagte mich nicht ins Helle, da ich fürchtete, daß man mich entdeckte und uns in dieser Richtung den Fluchtweg abschnitt. Statt dessen eilte ich wieder zu Tars Tarkas.