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Die grauenhafte Offenbarung lähmte mich nahezu. Zu diesem Schicksal hatte die Kreatur, die in meiner Macht war, meine Prinzessin verurteilt. Ich zitterte vor unbändiger Wut. Wie ein Hund eine Ratte schüttelt, so verfuhr ich mit Issus, der Göttin des Ewigen Lebens.

»Widerrufe deine Befehle!« sagte ich. »Ruf die Verurteilten zurück. Beeile dich, oder du stirbst!«

»Es ist zu spät. Haha! Haha!« Damit begann sie wieder zu schnattern und zu schreien.

Wie aus eigenem Antrieb schnellte mein Dolch über das Herz dieses widerlichen Wesens. Etwas ließ meine Hand jedoch verharren, und ich bin jetzt froh, daß es so war. Es wäre eine furchtbare Sache gewesen, eine Frau mit eigenen Händen zu töten. Da fiel mir ein angemesseneres Schicksal für diese falsche Göttin ein.

»Erstgeborene«, rief ich, an diejenigen gewandt, die sich mit im Raum befanden. »Ihr habt heute die Ohnmacht von Issus mit angesehen – die Götter sind allmächtig, Issus ist keine Göttin. Sie ist eine grausame und böse alte Frau, die euch jahrhundertelang getäuscht und mit euch gespielt hat. Nehmt sie. John Carter, Prinz von Helium, möchte seine Hände nicht mit ihrem Blut beflecken.« Damit stieß ich die wütende Bestie, die noch vor einer knappen halben Stunde von der ganzen Welt als göttlich verehrt worden war, von dem Podest ihres Thrones in die lauernden Krallen ihres verratenen und rachedurstigen Volkes.

Ich entdeckte Xodar unter den Offizieren der roten Männer und bat ihn, mich schnell zum Tempel der Sonne zu führen. Ohne zu warten, um in Erfahrung zu bringen, welches Schicksal die Erstgeborenen ihrer Göttin zuteil werden ließen, verließ ich eilends mit Xodar, Carthoris, Hor Vastus, Kantos Kan und einer Schar anderer roter Edler den Raum.

Der Schwarze führte uns rasch durch die inneren Gemächer des Tempels, bis wir auf dem zentralen Hof standen – einer großen, kreisrunden Fläche, die mit durchsichtigem Marmor von ausgesuchtem Weiß gepflastert war. Vor uns erhob sich ein goldener Tempel, der mit höchst wunderbaren und phantasiereichen Mustern verziert war. Sie waren mit Diamanten, Rubinen, Saphiren, Türkisen, Smaragden und den tausend anderen namenlosen Edelsteinen des Mars versehen, welche die meisten Edelsteine der Erde an Pracht und Reinheit übertreffen.

»Hierhin«, sagte Xodar und führte uns zum Eingang in einen Tunnel, der in den Hof neben dem Tempel mündete. Gerade als wir im Begriff waren, hinabzusteigen, hörten wir ein tiefes Dröhnen aus dem Tempel von Issus aufsteigen, den wir soeben verlassen hatten, und dann kam ein roter Mann, Djor Kantos, Padwar des fünften Utan, aus einem Tor in der Näher herbeigestürzt und rief uns zu, wir sollten umkehren.

»Die Schwarzen haben den Tempel in Brand gesetzt. Er brennt an tausend Stellen. Eilt in die äußeren Gärten, oder ihr seid verloren.«

Noch während er redete, sahen wir Rauch aus mehreren Fenstern aufsteigen, die in den Hof des Tempels der Sonne blickten, und hoch über dem höchsten Minarett von Issus hing eine ständig größer werdende Rauchwolke.

»Zurück! Zurück!« rief ich denen zu, die mich begleitet hatten. »Weise mir den Weg, Xodar. Weise mir den Weg und verlaß mich. Noch kann ich meine Prinzessin erreichen.«

»Folge mir, John Carter«, erwiderte Xodar und stürmte in den Tunnel zu unserer Rechten, ohne auf meine Antwort zu warten. Ihm dicht auf den Fersen stürmte ich durch ein halbes Dutzend Reihen von Galerien, bis er mich schließlich über einen Gang entlangführte, an dessen Ende ich ein kleines Zimmer sah.

Massive Stangen verwehrten uns das weitere Vorankommen, doch dahinter erblickte ich sie – meine unvergleichliche Prinzessin. Thuvia und Phaidor waren bei ihr. Als sie mich sah, stürzte sie zu dem Gitter, das uns trennte. Der Raum hatte sich auf seinem langsamem Weg schon so weit gedreht, daß nur noch ein Teil der Öffnung in der Tempelwand sich gegenüber dem vergitterten Ende des Korridors befand. Langsam schloß sich die Öffnung, und bald würde nur noch ein winziger Spalt klaffen, dann würde auch dieser geschlossen werden. Der Raum würde sich dann gemächlich ein langes Barsoomisches Jahr lang drehen, bis die Öffnung in der Wand wieder einen kurzen Tag lang am Ende des Ganges vorüberglitt.

Doch was für grauenvolle Dinge würden inzwischen in diesem Raum vor sich gehen!

»Xodar! Kann keine Macht dieses gräßliche, sich drehende Monster zum Halten bringen?« fragte ich. »Gibt es niemanden, der das Geheimnis dieses schrecklichen Gitters kennt?«

»Ich fürchte, niemanden, den wir noch rechtzeitig herholen könnten. Dennoch werde ich gehen und es versuchen. Warte hier auf mich.«

Nachdem er gegangen war, sprach ich mit Dejah Thoris, und sie streckte mir ihre liebe Hand durch die gnadenlosen Gitterstäbe, damit ich sie bis zum letzten Augenblick halten konnte.

Thuvia und Phaidor traten ebenfalls näher, aber als Thuvia sah, daß wir allein sein wollten, zog sie sich zur anderen Seite des Raumes zurück. Nicht so die Tochter von Matai Shang.

»John Carter, dies ist das letzte Mal, daß du eine von uns erblickst«, sagte sie. »Sage mir, daß du mich liebst, damit ich glücklich sterben kann.«

»Ich liebe nur die Prinzessin von Helium«, erwiderte ich ruhig. »Es tut mir leid, Phaidor, aber es ist so, wie ich dir von Anfang an gesagt habe.«

Sie biß sich auf die Lippen und wandte sich ab. Doch vorher sah ich, wie sie Dejah Thoris einen finsteren, feindseligen Blick zuwarf. Nun stand sie etwas entfernt, doch nicht so weit weg, wie ich es mir gewünscht hätte, denn ich hatte der langvermißten Geliebten viele kleine Vertraulichkeiten zuzuraunen.

Wir unterhielten uns einige Minuten leise. Die Öffnung wurde immer kleiner. Bald würde sie zu schmal sein, als daß die schlanke Gestalt meiner Prinzessin hätte hindurchgleiten können. Warum beeilte sich Xodar nur nicht? Über uns konnten wir den schwachen Widerhall eines großen Tumults hören.

Unzählige schwarze, rote und grüne Männer kämpften sich durch das Feuer des lodernden Tempels von Issus.

Ein Luftzug von oben trug uns den Geruch von Rauch zu. Während wir auf Xodar warteten, wurde der Rauch immer dicker. Da hörten wir Rufe am fernen Ende des Ganges und eilige Schritte.

»Komm zurück, John Carter, komm zurück!« rief eine Stimme. »Jetzt brennen sogar die Gruben.«

Einen Augenblick später brachen ein Dutzend Männer durch den nun jede Sicht nehmenden Rauch und kamen zu mir. Das waren Carthoris, Kantos Kan, Hor Vastus und Xodar mit einigen wenigen, die mir in den Tempelhof gefolgt waren.

»Es besteht keine Hoffnung, John Carter«, sagte Xodar. »Der Schlüsselbewahrer ist tot, die Schlüssel sind nicht an seinem Körper zu finden. Unsere einzige Hoffnung besteht darin, die Feuersbrunst zu löschen und dem Schicksal zu vertrauen, daß deine Prinzessin nach einem Jahr noch lebendig und unversehrt ist. Ich habe genügend Nahrung mitgebracht, daß sie damit auskommen. Wenn dieser Spalt geschlossen ist, kann der Rauch nicht zu ihnen dringen, und wenn wir die Flammen schnell löschen, glaube ich, daß sie sicher sind.«

»Dann geh und nimm die anderen mit«, erwiderte ich. »Ich werde hier bei meiner Prinzessin bleiben, bis ein gnadenvoller Tod mich von meiner Trauer erlöst. Mir liegt nichts mehr am Leben.«

Während meiner Worte hatte Xodar eine große Menge kleiner Konservenbüchsen in die Gefängniszelle geworfen. Einen Augenblick später war der Spalt nicht mehr als ein Zoll breit. Dejah Thoris stand so dicht wie möglich dahinter und flüsterte mir Worte der Hoffnung und der Ermutigung zu. Sie drängte mich, an die eigene Rettung zu denken.

Plötzlich erblickte ich hinter ihr das schöne Antlitz Phaidors von haßerfüllter Bosheit verzerrt. Als ich ihrem Blick begegnete, sagte sie: »Glaube nicht, daß du die Liebe von Phaidor, der Tochter des Matai Shang, so leichtfertig verschmähen kannst. Und hoffe auch nicht, deine Dejah Thoris je wieder in den Armen zu halten. Warte du nur dieses lange, lange Jahr. Doch wisse: Wenn das Jahr vorüber ist, werden es Phaidors Arme sein, die dich willkommen heißen – nicht die der Prinzessin von Helium. Sieh hier, sie stirbt!«