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Lord Alexander starrte hinter Sally her, bis sie durch die Tür des Wheatsheaf verschwunden war. »Ich bin verliebt«, beharrte Lord Alexander. »Cupidos Pfeil hat mich getroffen. Ich bin verzaubert. Ich bin unsterblich verliebt.«

»Du bist ein sehr betrunkener Geistlicher, Alexander.«

»Ich bin ein sehr betrunkener und verliebter Geistlicher. Kennst du die Dame? Kannst du es einrichten, mich ihr vorzustellen?« Er machte einen Satz hinter Sally her, rutschte aber mit seinem Klumpfuß auf dem Pflaster aus und schlug der Länge nach hin. »Ich bestehe darauf, Rider!«, sagte er vom Boden aus. »Ich bestehe darauf, der Dame meine Aufwartung zu machen. Ich möchte sie heiraten.« In Wahrheit war er so betrunken, dass er nicht mehr stehen konnte, aber Sandman, Hughes und dem Kutscher gelang es gemeinsam, Seine Lordschaft in seinen Wagen zu befördern, der mit schimmernden Schimmern nach Norden ratterte.

Am nächsten Morgen regnete es, und ganz London schien schlecht gelaunt. Sandman hatte Kopfschmerzen, Magendrücken und ständig das Galgenlied im Kopf, das Lord Alexander am Abend zuvor in der Schänke gelernt hatte:

Und wenn ich nun zur Hölle fahr, zur Hölle fahr,

dann geh ich nicht allein führwahr, allein führwahr,

du, mein Freund, bist auch schon da, auch schon da,

auf alle Zeit verdammt!

Die Melodie hatte sich in Sandmans Kopf festgesetzt und ging ihm nicht aus dem Sinn, als er sich rasierte und sich über dem Feuer im Hinterzimmer Tee kochte, in dem die Mieter sich Wasser heiß machen durften. Sally kam mit zerzausten Haaren, aber bereits geschlossenem Kleid herein. Sie schöpfte sich Wasser in eine Tasse und hob sie scherzhaft zu einem Toast. »Frühstück«, sagte sie zu Sandman, und fügte grinsend hinzu: »Wie ich höre, waren Sie gestern Abend ganz schön lustig?«

»Guten Morgen, Miss Hood«, stöhnte Sandman.

Sie lachte. »Wer war der Krüppel, der bei Ihnen war?«

»Er ist mein bester Freund, Reverend Lord Alexander Pleydell, Magister Artium, zweiter Sohn des Marquess und der Marchioness of Canfield.«

Sally starrte Sandman an. »Sie wollen mich auf den Arm nehmen.«

»Bestimmt nicht, das versichere ich Ihnen.«

»Er hat gesagt, er ist in mich verliebt.«

Sandman hatte gehofft, sie habe es nicht gehört. »Wenn er heute Morgen wieder nüchtern ist, wird er sicher immer noch in Sie verliebt sein, Miss Hood«, antwortete er.

Sally lachte über Sandmans Takt. »Ist er wirklich Reverend? Er zieht sich nicht so an.«

»Er hat die Weihen empfangen, als er Oxford verließ«, erklärte Sandman, »aber ich glaube, er tat es, um seinen Vater zu ärgern. Vielleicht wollte er aber auch damals Professor an seiner Hochschule werden. Allerdings hat er sich nie um eine Anstellung bemüht. Er braucht keine Pfarrgemeinde oder sonstige Stelle, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, er ist ziemlich reich. Er behauptet, er schreibt ein Buch, aber ich habe bislang noch keinen Beleg dafür gesehen.«

Sally trank ihr Wasser und verzog das Gesicht über den Geschmack. »Ein reicher, verkrüppelter Geistlicher?« Sie überlegte ein Weilchen und grinste schelmisch. »Ist er verheiratet?«

»Nein«, antwortete Sandman, fügte aber nicht hinzu, dass Alexander sich mit schöner Regelmäßigkeit in jede hübsche Verkäuferin verliebte, die ihm zu Gesicht kam.

»Na ja, ich kann mir Schlimmeres vorstellen, als mir einen hinkenden Pastor zu angeln, oder?«, sagte Sally. Als die Uhr neun schlug, fuhr sie zusammen. »Allmächtiger, ich bin spät dran. Dieser blöde Kerl, für den ich arbeite, fängt gern früh an.« Damit lief sie davon.

Sandman zog seinen grauen Mantel an und machte sich auf den Weg in die Mount Street. Alexander hatte ihn gedrängt, Nachforschungen anzustellen, und das wollte er nun tun. Er hatte sechs Tage Zeit, die Wahrheit herauszufinden, und er beschloss, bei der vermissten Zofe, Meg, anzufangen. Falls es sie gab, und an diesem regnerischen Morgen neigte Sandman zu Zweifeln an Cordays Darstellung, könnte sie Sandman Gewissheit verschaffen, indem sie die Geschichte des Malers bestätigte oder bestritt. Auf dem Weg zur Bond Street fiel ihm mit einem Mal ein, dass er an Eleanors Haus in der Davies Street vorbei musste. Da er aber nicht den Eindruck erwecken wollte, aufdringlich zu sein, nahm er einen Umweg, um es zu meiden, und erreichte schließlich völlig durchnässt das Haus in der Mount Street, in dem der Mord stattgefunden hatte.

Das Stadthaus des Earl of Avebury war mühelos zu erkennen, denn selbst bei diesem Wetter kauerte trotz der wenigen Fußgänger eine Straßenhändlerin unter einer Plane und bot unmittelbar vor dem Mordhaus ihre Flugschriften feil. »Mordbericht, Sir, nur einen Penny«, grüßte sie Sandman. »Schauriger Mord, Sir.«

»Geben Sie mir eine.« Sandman wartete, bis sie eine Flugschrift aus ihrer Tasche gezogen hatte, dann ging er die Stufen hinauf und klopfte an die Tür. Die Fensterläden des Hauses waren geschlossen, aber das besagte noch nicht viel. Viele Angehörige der Gesellschaft, die außerhalb der Saison in London festsaßen, schlossen ihre Fensterläden, um den Eindruck zu erwecken, sie seien auf dem Land. Aber anscheinend war das Haus tatsächlich unbewohnt, denn auf Sandmans Klopfen geschah nichts.

»Da ist keiner zu Hause«, sagte die Straßenhändlerin, »schon seit dem Mord nicht, Sir.« Der Straßenkehrer kam, angelockt von Sandmans Gehämmer, über die Straße und bestätigte, dass es leer stand.

»Aber das ist doch das Haus des Earl of Avebury?«, fragte Sandman.

»Ja, ja, Sir«, bestätigte der Straßenkehrer, ein etwa zehnjähriger Junge, in der Hoffnung auf ein Trinkgeld, »aber es ist leer, Eure Lordschaft.«

»Es gab hier eine Zofe namens Meg«, sagte Sandman, »kanntet Ihr sie?«

Der Straßenkehrer schüttelte den Kopf. »Ich kenne hier keinen, Euer Ehren.« Zwei weitere Jungen, die dafür bezahlt wurden, den Pferdedung von der Straße zu sammeln, gesellten sich zu ihnen. »Die sind weg«, erklärte einer von ihnen.

Ein Nachtwächter mit Stab stellte sich dazu und gaffte, mischte sich aber nicht ein. In diesem Augenblick öffnete sich die Haustür des benachbarten Gebäudes, und eine Frau mittleren Alters in schäbigen Kleidern kam heraus. Sie schauderte angesichts des Regens, musterte ängstlich das Grüppchen vor dem Nachbarhaus und spannte einen Regenschirm auf. »Madam!«, rief Sandman. »Madam!«

»Sir?« Die Kleidung der Frau ließ darauf schließen, dass sie ein Dienstbote war, vielleicht die Haushälterin.

Sandman schob sich an dem Grüppchen vorbei und zog den Hut. »Verzeihen Sie, Madam, aber Viscount Sidmouth hat mich beauftragt, die traurigen Ereignisse zu untersuchen, die hier vorgefallen sind.« Er stockte, aber die Frau starrte ihn nur durch den Regen an, der von ihrem Schirm triefte, obgleich die Erwähnung eines Viscount sie zu beeindrucken schien. Aus diesem Grund hatte Sandman überhaupt von ihm gesprochen. »Madam, stimmt es, dass in diesem Haus eine Zofe namens Meg gearbeitet hat?«

Die Frau schaute sich nach ihrer geschlossenen Haustür um, als suche sie einen Fluchtweg, nickte aber schließlich. »Ja, Sir.«

»Wissen Sie, wo sie ist?«

»Sie sind weg, Sir. Alle weg, Sir.«

»Aber wohin?«

»Sie sind aufs Land gefahren, Sir, glaube ich.« Sie knickste, offensichtlich in der Hoffnung, dass er gehen möge.

»Aufs Land?«

»Sie sind weg, Sir. Und der Earl hat ein Haus auf dem Land, Sir, bei Marlborough, Sir.«

Mehr wusste sie nicht. Sandman fragte weiter, aber je mehr er sie bedrängte, umso unsicherer wurde sie in dem, was sie ihm bereits gesagt hatte. Eigentlich wusste sie nur, dass Köchinnen, Lakaien, Kutscher und Zofen der Countess alle fort waren, und sie vermutete, wusste es aber nicht genau, dass sie wohl in das Landhaus des Earl in der Nähe von Marlborough gefahren waren. »Hab ich Ihnen doch gesagt, sie sind alle weg«, sagte einer der Straßenkehrer.