Выбрать главу

»Morgen«, donnerte Cotton, »werdet ihr auf die Straße geführt, ihr werdet aufschauen und Gottes strahlenden Himmel zum letzten Mal sehen, bevor man euch die Kapuze über die Augen zieht und die Schlinge um euren Hals legt und ihr den großen Flügelschlag des Teufels hört, der schon auf eure Seelen wartet. Rette mich, Herr, werdet ihr schreien, rette mich!« Er wedelte mit den Händen in Richtung Decke, als wolle er Gott ein Zeichen geben. »Aber es wird zu spät sein, zu spät! Eure Sünden, eure abscheulichen Sünden, eure eigene Verderbtheit wird euch an diesen grauenhaften Galgen gebracht haben, wo ihr am Strang enden werdet, ihr werdet ersticken, ihr werdet zucken, ihr werdet nach Atem ringen, aber dieser Kampf wird euch nichts nützen, Schmerz wird euch erfüllen! Und dann kommt die Finsternis, eure Seelen werden aufsteigen aus dieser irdischen Pein zum Jüngsten Gericht, wo euch Gott erwartet. Gott!« Cotton hob erneut seine plumpen Hände, dieses Mal demütig, und wiederholte: »Gott! Gott erwartet euch in all seiner Gnade und Herrlichkeit, und er wird euch prüfen! Er wird euch richten! Er wird euch wiegen und für zu leicht befinden! Morgen! Ja, morgen!« Er deutete auf Corday, der immer noch mit gesenktem Kopf dasaß. »Ihr werdet Gott erblicken. Ihr beide, so klar und deutlich, wie ich euch jetzt sehe, werdet ihr den gefürchteten Gott sehen, unser aller Vater, und er wird enttäuscht den Kopf schütteln und befehlen, euch aus seiner Gegenwart zu verbannen, weil ihr gesündigt habt. Ihr habt ihn beleidigt, der uns nie beleidigt hat. Ihr habt euren Schöpfer verraten, der seinen einzigen Sohn zu unserer Erlösung gesandt hat, und ihr werdet in die tiefsten Tiefen der Hölle geschleudert werden. In die Flammen, ins Höllenfeuer. In immerwährende Pein!« Er zog die Worte in die Länge zu einem bebenden Stöhnen, und als er auf der Empore eine Frau vor Angst seufzen hörte, wiederholte er den Satz: »In immerwährende Pein!« Das Letzte kreischte er, dann hielt er inne, damit die ganze Kapelle das Schluchzen der Frau auf der Empore hören konnte, beugte sich zur schwarzen Bank hinunter und flüsterte heiser: »Und ihr werdet leiden, o wie ihr leiden werdet, und euer Leiden, eure Qual beginnt morgen.« Seine Augen weiteten sich und seine Stimme wurde lauter: »Denkt daran! Morgen! Wenn wir, die wir auf Erden bleiben, unser Frühstück einnehmen, werdet ihr Höllenqualen leiden. Während wir Übrigen unsere Augen schließen und die Hände zum Gebet falten, um einem gütigen Gott zu danken, dass er uns unseren Porridge, unsere Eier mit Speck, unser Röstbrot und Koteletts, gebratene Leber oder sogar«, hier lächelte Reverend Cotton, denn er verlieh seinen Predigten gern eine persönliche Note, »oder vielleicht sogar scharfe Nierchen beschert, in eben diesem Augenblick werdet ihr euch in den ersten grauenvollen Schmerzen der Ewigkeit winden! Und bis in alle Ewigkeit werden diese Qualen immer schrecklicher werden, immer quälender, immer grauenvoller! Es wird kein Ende eures Leidens geben, und sie beginnen morgen.« Er beugte sich nun weit unter dem Baldachin der Kanzel vor, damit seine Stimme die schwarze Bank wie ein Pfeil träfe. »Morgen werdet ihr dem Teufel begegnen, von Angesicht zu Angesicht, und ich werde um euch weinen. Ich werde um euch zittern. Doch vor allem werde ich meinem Gott und Erlöser, unserem Herrn Jesus Christus, danken, dass mir euer Leid erspart bleiben und ich die Krone der Gerechten tragen werde, denn ich bin erlöst worden.« Er richtete sich auf und schlug die Hände an seine Brust. »Ich bin erlöst worden! Gerettet! Ich bin gesegnet mit der Gnade des Herrn, der allein uns unser Leid nehmen kann.«

Reverend Horace Cotton hielt inne. Er hatte inzwischen eine Dreiviertelstunde gepredigt und war erst bei der Hälfte angelangt. Er trank einen Schluck Wasser und musterte die beiden Gefangenen. Einer weinte, der andere widerstand noch, also musste er sich mehr anstrengen.

Er amtete tief durch, sammelte seine Kräfte und predigte weiter.

Es kamen keine Reiter die Straße herunter. Ihr Hufschlag war eine Weile lang laut auf der Straße nach London zu hören, wurde leiser und verklang schließlich in der Hitze des Tages. Weit entfernt erklang das Wechselläuten nach der Messe.

»Und was wollen Sie jetzt machen?«, fragte Mackeson noch einmal, und dieses Mal mit unverhohlenem Triumph in der Stimme. Er ahnte, dass der Radbruch der Kutsche Sandmans Chancen zunichte gemacht hatte, und die Schadenfreude war ihm Genugtuung für die Demütigungen, die er in den vergangenen beiden Tagen und Nächten hatte erdulden müssen.

»Was ich mache, geht Sie gar nichts an, aber Sie bleiben mit der Kutsche hier. Sergeant? Schneiden Sie die Pferde aus dem Geschirr.«

»Ich kann nicht hier bleiben!«, wandte Mackeson ein.

»Dann gehen Sie eben zu Fuß«, schnaubte Sandman und wandte sich an Meg und Sally. »Ihr beide reitet.«

»Ich kann nicht reiten«, begehrte Meg auf.

»Dann werden Sie eben zu Fuß nach London gehen!«, sagte Sandman, gefährlich knapp vor einem Wutausbruch. »Ich werde schon dafür sorgen, dass Sie laufen!« Er schnappte Mackeson die Peitsche aus der Hand.

»Sie wird reiten, Captain«, erklärte Sally lakonisch. Sobald das Gespann aus dem Geschirr geschnitten war, kletterte Meg tatsächlich gehorsam auf den Kutschentritt und setzte sich auf den bloßen Rücken eines Pferdes. Ihre Beine baumelten an einer Flanke herunter, mit den Händen klammerte sie sich an den Riemen, der über den Rücken des Tieres lief. Sie wirkte verängstigt, während Sally auch ohne Sattel anmutig aussah.

»Und jetzt?«, fragte Berrigan.

»Hauptstraße«, antwortete Sandman und führte mit dem Sergeant die vier Pferde über die Straße zurück. Es war riskant, die Hauptstraße nach London zu nehmen, aber die Reiter suchten in südlicher Richtung, falls sie denn überhaupt auf der Suche nach der entwendeten Kutsche waren. Sandman ging vorsichtig, aber sie begegneten niemandem, bis sie in ein Dorf kamen, wo ein Hund hinter den Pferden herjagte. Meg kreischte, als ihre Stute seitwärts tänzelte. Eine Frau kam aus einer Hütte und schlug mit dem Besen nach dem Hund.

Unmittelbar hinter dem Dorf verkündete ein Meilenstein, dass es noch zweiundvierzig Meilen bis London waren. »Wir haben einen langen Tag vor uns«, sagte Berrigan.

»Einen Tag und eine Nacht«, sagte Sandman finster.

»Ich bleibe nicht Tag und Nacht hier oben«, jammerte Meg.

»Sie tun, was ich Ihnen sage«, erklärte Sandman. Aber im nächsten Dorf fing Meg an zu schreien, man habe sie von zu Hause entführt. Ein kleines Grüppchen verärgerter Dorfbewohner folgte den trottenden Pferden, bis der Pfarrer mit Serviette um den Hals, da er gerade beim Mittagessen gestört wurde, nachschauen kam, was der Lärm sollte.

»Sie ist verrückt«, erklärte Sandman dem Priester.

»Verrückt?« Der Pfarrer schaute zu Meg hinauf und schauderte über die Bosheit in ihrer Miene.

»Man hat mich entführt!«, kreischte sie.

»Wir bringen sie nach London zum Arzt«, sagte Sandman.

»Sie entführen mich!«, schrie Meg.

»Sie hat Fledermäuse im Oberstübchen«, erklärte Sally hilfreich.

»Ich habe nichts getan!«, brüllte Meg, ließ sich vom Pferd fallen und versuchte fortzulaufen, aber Sandman lief ihr nach, brachte sie zu Fall und kniete sich neben sie. »Ich breche dir das Genick, Mädchen«, zischte er.

Der Pfarrer, ein fülliger Mann mit weißem Haarschopf, versuchte Sandman wegzuziehen. »Ich möchte gern mit dem Mädchen reden«, sagte er. »Ich bestehe darauf.«