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»Willst du ihren Mord rechtfertigen?«

»Sie war böse«, wiederholte Lord Christopher nachdrücklich, offenbar ohne die Frage seines Freundes zu hören. »Sie sagte, sie würde Ansprüche auf das Vermögen stellen, an die Treuhänder, weil ich ihr ein paar Briefe geschrieben hatte. Sie log, Alexander, sie log!« Er zuckte zusammen bei der Erinnerung an die langen Briefe, in die er seine Hingabe an seine Stiefmutter ergossen hatte. Er hatte keine Frauen gekannt, bis sie ihn in ihr Bett genommen hatte, und er war ihr vollständig verfallen. Er hatte sie angefleht, mit ihm nach Paris zu gehen, und sie hatte ihn in seinem Wahn bestärkt, bis sie sich eines Tages über ihn lustig gemacht und die Falle hatte zuschnappen lassen. Er solle ihr Geld geben, hatte sie verlangt, sonst würde sie ihn zum Gespött von ganz Paris, London und jeder anderen europäischen Hauptstadt machen. Sie hatte gedroht, Kopien seiner Briefe zu verbreiten, damit alle seine Schande sähen, und so hatte er ihr Geld gegeben, aber sie hatte immer mehr gefordert, und er hatte gewusst, dass die Erpressung nie enden würde. Deshalb hatte er sie getötet.

Er hatte sich eines Mordes nicht für fähig gehalten, aber als er sie in ihrem Schlafzimmer ein letztes Mal angefleht hatte, ihm seine Briefe zurückzugeben, und sie ihn nur ausgelacht, als Schwächling und als ungeschickten, dummen Jungen bezeichnet hatte, hatte er das Messer aus seinem Gürtel gezogen. Es war eigentlich keine Waffe, sondern kaum mehr als eine alte Klinge, die er benutzte, um die Seiten neuer Bücher aufzuschneiden, aber in seiner wahnsinnigen Wut hatte es genügt. Er hatte sie erstochen, auf ihre verhasste, wunderbare Haut eingestochen, sie aufgeschlitzt, und hinterher war er in den Flur gestürzt, hatte die Zofe der Countess und einen Mann gesehen, die ihn vom Fuß der Treppe in der Diele anstarrten. Er war wieder zurück ins Schlafzimmer gelaufen und hatte in panischer Angst gewimmert. Er hatte erwartet, Schritte auf der Treppe zu hören, aber niemand war gekommen, und so hatte er sich zu Ruhe und Besonnenheit gemahnt. Er hatte nur einen Augenblick auf dem Flur gestanden, kaum lange genug, um erkannt zu werden! Er hatte ein Messer vom Tisch des Malers genommen und es auf die rot befleckte Leiche geworfen, dann hatte er den Schreibtisch der Toten nach seinen Briefen durchsucht, war damit über die Hintertreppe entkommen und hatte sie zu Hause verbrannt. Er hatte in seiner Wohnung gehockt und auf seine Verhaftung gewartet, hatte aber am nächsten Tag erfahren, dass die Polizei den Maler festgenommen hatte.

Lord Christopher hatte für Corday gebetet. Es war natürlich nicht richtig, dass der Maler sterben sollte, aber Lord Christopher konnte sich auch nicht eingestehen, dass er selbst für den Mord an seiner Stiefmutter den Tod verdiente. Er würde mit seinem Erbe Gutes tun! Er würde Barmherzigkeit üben. Er würde für den Mord und für Cordays Unschuld tausend Mal bezahlen. Sandman hatte diese tätige Reue bedroht, und daher hatte Lord Christopher seinen persönlichen Diener zu Rate gezogen und behauptet, Rider Sandman hege einen Groll gegen ihn und habe vor, die Treuhänder zu verklagen und das Avebury-Vermögen in einem Gerichtsprozess sperren zu lassen. Er hatte demjenigen tausend Guineen versprochen, der das Vermögen von dieser Bedrohung befreite. Sein Diener hatte wiederum andere Männer angeheuert, die Lord Christopher großzügig für einen Mordversuch an Sandman entlohnt hatte. Wie es schien, hatten sich nun weitere Aufwendungen erübrigt, da Sandman offenbar gescheitert war. Corday würde sterben, und danach würde niemand mehr zugeben wollen, dass man einen Unschuldigen auf Bottings Bühne hatte tanzen lassen.

»Aber deine Stiefmutter hatte doch sicher keinen Anspruch t auf das Vermögen, falls im Testament deines Großvaters nicht ausdrücklich vorgesehen ist, dass du für die Witwe deines Vaters aufzukommen hast. Ist das so?« Lord Alexander hatte über die Äußerung seines Freundes nachgedacht.

Lord Christopher schaute ihn verständnislos an, gab sich aber große Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was sein Freund gerade gesagt hatte. »Nein«, antwortete er, »das gesamte Vermögen geht an den Erben. An mich allein.«

»Dann wirst du ein überaus reicher Mann, Kit«, sagte Lord Alexander, »und ich wünsche dir alles Gute mit deinem großen Reichtum.« Er wandte sich von seinem Freund ab, als lauter Jubel, der lauteste an diesem Morgen, das Erscheinen des Henkers begrüßte.

»Ich werde meine Zunge im Zaum halten, solange ich schaue das Gottlose.« Reverend Cottons Stimme wurde lauter, als er hinter dem ersten Gefangenen die Stiege heraufkam.

Als Erster erschien ein Wärter, hinter ihm Corday, immer noch unbeholfen, da er nicht mehr gewohnt war, ohne Fußeisen zu gehen. Auf der obersten Stufe stolperte er und taumelte gegen Lord Alexander, der ihn am Ellbogen packte. »Ruhig, guter Mann«, sagte Lord Alexander.

»Hüte ab!«, brüllte die Menge den Leuten in den vorderen Reihen zu. »Hüte ab!« Mit lautem Grölen drängte die Menge nach vorn gegen die niedrigen Holzgeländer, die den Galgen umgaben. Die Männer des Marschalls der Stadt, die unmittelbar hinter der Absperrung aufgereiht standen, hoben ihre Stäbe und Lanzen.

Lord Alexander fühlte sich bedrängt von dem Lärm, der von der Granitfassade des Gefängnisses widerhallte. Hier kommt England zum Zug, dachte er, man stillt den Blutdurst des Pöbels in der Hoffnung, dass er nicht mehr verlangt. Ein Kind, das auf den Schultern seines Vaters saß, beschimpfte den unverhohlen weinenden Corday mit Unflätigkeiten. Die Menge hatte es gern, wenn ein Mann oder eine Frau mutig in den Tod ging, und Cordays Tränen trugen ihm nichts als Hohn ein. Plötzlich spürte Lord Alexander den drängenden Wunsch, den jungen Mann zu trösten, mit ihm zu beten, aber er blieb sitzen, weil Reverend Cotton bereits dicht neben Corday stand. »0 lehre uns, unsere Tage zu zählen«, psalmodierte Reverend Cotton, »auf dass wir unsere Herzen der Weisheit öffnen«.

Die Menge grölte höhnisch, weil Corday zusammengebrochen war. Botting war zur Hälfte die Leiter hinaufgestiegen und hob gerade den Strang an, der auf den Schultern des Gefangenen lag, um die Öse an einem der Haken am Galgenbaum zu befestigen, als Cordays Beine weich wurden. Reverend Cotton sprang zurück, der Wärter stürzte vor, aber Corday konnte nicht mehr stehen. Er zitterte und schluchzte.

»Erschieß den Kerl, Jemmy!«, schrie ein Mann aus der Menge.

»Ich brauche einen Helfer«, knurrte Botting den Sheriff an, »und einen Stuhl.«

Einer der Gäste bot an, aufzustehen, und man stellte seinen Stuhl auf die Falltür. Als der Menge klar wurde, dass es eine ungewöhnliche Hinrichtung geben würde, klatschte sie Beifall. Botting und ein Wärter hievten Corday auf den Sitz, und der Henker löste unsanft die Ellbogenfessel und band damit den Gefangenen an den Stuhl. Nun konnte er gehenkt werden, und Botting stieg auf die Leiter, hängte den Strang ein, kam herunter und schob die Schlinge fest über Cordays Kopf. »Heulende Memme«, raunte er und zog die Schlinge zu. »Stirb gefälligst wie ein Mann.« Er nahm einen der weißen Baumwollsäcke aus seiner Tasche und zog ihn über Cordays Kopf. Lord Alexander war verstummt und erkannte an den Bewegungen des Baumwollstoffs Cordays Atemzüge. Der Kopf des Jungen war auf seine Brust gesunken, und hätte der Stoff vor seinem Mund nicht gebebt, hätte man meinen können, er wäre schon tot.

»Zeige deinen Dienern dein Werk«, betete Reverend Cotton, »und ihren Kindern deine Herrlichkeit.«

Venables kam die Stiege herauf, nur mit einem pflichtschuldigen Johlen von der Menge begrüßt, die sich auf Cordays Kosten bereits verausgabt hatte. Dennoch verbeugte der hünenhafte Mann sich vor seinem Publikum, ging ruhig zur Falltür und wartete auf Strang und Augenbinde. Das Galgengerüst knarrte unter seinem Gewicht. »Mach schnell, Jemmy«, sagte er laut, »und mach es richtig.«

»Ich kümmere mich schon um dich«, versprach der Henker, »ich kümmere mich um dich.« Er holte den weißen Sack aus seiner Tasche und zog ihn Venables über den Kopf.