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Wie erklärt sich diese enorme Diskrepanz? Gnade? Es war kein gnädiges Zeitalter. Diese Zahlen verraten vielmehr eine zynische Form sozialer Kontrolle. Freunde und Verwandte eines zum Tode Verurteilten richteten unweigerlich eine Petition an die Krone (also an das Innenministerium) und bemühten sich nach Kräften, dafür die Unterschriften prominenter Gesellschaftsmitglieder zu gewinnen, also von Aristokraten, Politikern und hohen Kirchenvertretern, weil sie wussten, dass solche Namen unter einer Bittschrift die Wahrscheinlichkeit einer Begnadigung erhöhten. Auf diese Weise wurden auf Dankbarkeit beruhende Loyalitätspflichten geschaffen. Dies wurde zwar nie ausdrücklich gesagt, aber das Verfahren von Verurteilung, Petition und Begnadigung war so weit verbreitet, dass es keine andere Erklärung dafür geben kann.

Bei Verbrechern, die nicht das Glück hatten, dass jemand eine Petition in ihrem Namen einreichte oder eine solche Petition Erfolg hatte, wurde die Hinrichtung als öffentliches Spektakel inszeniert. In London fanden Hinrichtungen lange Zeit an den berühmten Galgen in Tyburn statt, dem »Dreibaum«, der sich am heutigen Marbie Arch befand, gegen Ende des 18. Jahrhunderts verlegte man die Hinrichtungen jedoch nach Old Bailey. Im ersten und letzten Kapitel habe ich mich bemüht, das Verfahren einer Hinrichtung in Newgate so genau zu beschreiben, wie es nach zweihundert Jahren möglich ist, und dazu die tatsächlichen Namen zahlreicher Beteiligter verwendet: Der Gefängnisverwalter war William Brown (und er servierte den Gästen, die kamen, um sich eine Hinrichtung anzusehen, tatsächlich scharfe Nierchen), der Ordinarius war Horace Cotton und der Henker James (Jemmy) Botting, der 1817 keinen Gehilfen hatte. Charles Corday ist selbstverständlich eine fiktive Figur, aber er hätte seine Hinrichtung durchaus überleben können. Einige überlebten sie tatsächlich, meist weil sie zu früh vom Galgen geschnitten wurden. Es dauerte noch einige Jahre bis der »lange Fall« eingeführt wurde, der die Opfer mehr oder weniger sofort tötete.

Zu großem Dank bin ich Donald Rumbelow verpflichtet, der neben zahlreichen anderen guten Büchern The Triple Tree schrieb, ein Werk, das mir sehr geholfen hat, einige verwirrende Details des Verfahrens in Newgate während der Regency-Periode zu entwirren. Mein Dank gilt auch Elizabeth Cartmale-Freedman, die mir bei der Recherche half, und James Hardy Vaux, der 1812 während seines unfreiwilligen Exils in Australien sein Vocabulary of the Flash Language zusammentrug.

Die Idee zum vorliegenden Roman kam mir durch V.A.C. Gatrells Buch The Hanging Tree (Oxford, 1994), das eine fundierte Darstellung der Hinrichtungspraxis in England und Wales zwischen 1770 und 1868 mit einem kontrollierten Zorn auf die Todesstrafe verbindet. Allein schon das Titelbild des Buches, eine Zeichnung des französischen Malers Theodore Gericault, die eine öffentliche Hinrichtung durch den Strang in England im Jahr 1820 zeigt, ist eine eindrucksvolle Anklage gegen eine barbarische Bestrafung. Ich danke Professor Gatrell und versichere, dass etwaige Fehler im vorliegenden Roman nicht ihm oder anderen Quellen anzulasten sind, sondern allein in meiner Verantwortung liegen.