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»Genau da, wo du ihn vermutest. Oder vielmehr, er war da. Inzwischen ist er sicher längst gefunden und abtransportiert worden.«

»In seinem Büro?«

»Ja.«

»Tot?«

»Natürlich. Das war der einzige Weg, der ihm blieb.«

»Du meinst, er hat Selbstmord begangen, Jack?«

»Unbedingt.«

»Aber wenn du der Ansicht bist, daß Larry sich in seinem Büro umgebracht hat, warum hast du denn Leutnant Masters nichts davon gesagt?«

»Warum sollte ich? Soll Masters Larry doch selber finden.«

»Bist du denn der Ansicht, daß dieser Polizeimensch genügend Intelligenz besitzt, um zu verstehen, was vorgegangen ist?«

»Mach ja nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen! Er ist ganz und gar nicht so dumm, wie er aussieht. Im Gegenteil, ich habe eher das Gefühl, daß es durchaus seiner Absicht entspricht, wenn die Leute ihn für dümmer halten, als er ist. Keine Angst, meine Liebe, der sieht genau, was los ist.«

»Du tust ja geradezu, als wüßtest du, daß Larry sich umgebracht hat.«

»Eine logische Folgerung. Das Büro war verschlossen, sein Wagen stand auf dem Parkplatz. Nach dem Mord an Lila drängt sich die Annahme, daß er Selbstmord begangen hat, geradezu auf.«

»Tja, und damit wäre die Affäre wohl ziemlich abgeschlossen. Meinst du nicht?«

»Ich hoffe es.«

Vera nippte nachdenklich an ihrem Highball. »Trotzdem – du sagst, Masters ist klug. Angenommen, er ist klug genug, um weiterzubohren?«

»Na und?« sagte Dr. Jack Richmond.

»Ich denke dabei an dich.«

»An mich? Vielen Dank für die Fürsorge, mein Schatz, aber ich sehe nicht ein, wieso mich das berühren sollte.«

»Wirklich nicht? Wenn dieser Schnüffler weitermacht mit seiner Untersuchung, könnte er etwas über deine Affäre mit Lila herausfinden.«

»Wir hatten doch abgemacht, nicht mehr davon zu sprechen.«

»Ich weiß, aber jetzt hat sich doch einiges geändert, nicht wahr?«

»Das macht aber trotzdem noch keinen Mörder aus mir, Vera. Unsere Affäre war zu Ende. Ich habe offen mit dir darüber gesprochen, und du warst einverstanden, trotz allem bei mir zu bleiben.«

»Weil du es so wolltest.«

»Ja, und ich will es auch jetzt noch, werde es immer wollen. Lila war ein gemeines Biest. Sie hätte mich mit der Zeit ebenso ruiniert, wie sie Larry ruinierte. Oder vielmehr, sie hätte mich dazu gebracht, mich selbst zu ruinieren. Gott sei Dank habe ich Schluß gemacht, und Larry hat nie ein Wort davon erfahren.«

»Bist du sicher, daß alles vorbei war?« fragte Vera stirnrunzelnd.

»Zweifelst du etwa daran?«

»Ich meine ja nicht dich. War es für sie vorbei?«

»Es blieb ihr nichts anderes übrig.«

»Wirklich nicht? Läßt sich eine Frau wie Lila gefallen, daß ihr ein Mann den Laufpaß gibt? Sie hätte dein Leben zerstört, wenn sie gekonnt hätte, und du als Arzt bietest doch besonders gute Angriffsflächen.«

»Willst du etwa andeuten, Vera, daß ich Lila getötet habe, um meine Position in dieser Stadt zu retten? Nein, so dumm und so feige bin ich nicht. Es gibt eine Menge Jobs, die ich ausüben könnte, wenn man mir das Praktizieren unmöglich macht. Sicher, leichtfallen würde mir das nicht, aber es wäre immer noch leichter für mich, als einen Menschen zu töten.«

»Ich weiß nicht«, sagte seine Frau leise. »Aber das spielt ja auch jetzt keine Rolle. Ich versuche lediglich, das Beweismaterial mit den Augen eines Kriminalbeamten zu sehen.«

»Welches Beweismaterial?«

»Denk doch mal nach! Du bist gestern abend ins Krankenhaus gerufen worden. Du warst über zwei Stunden fort. Wo bist du die ganze Zeit gewesen?«

»Ich bin ins Krankenhaus gefahren und dort geblieben, bis ich fertig war. Dann bin ich nach Haus gekommen.«

»Ja, ich weiß. Du hast mich sogar angerufen und mir gesagt, daß es ein bißchen später wird. Aber kannst du beweisen, daß du wirklich die ganze Zeit dort warst?«

»Hör mal, Vera…«, begann Jack ärgerlich.

»Und außerdem wußtest du, daß Larry nicht zu Hause war. Unsere Fenster standen offen, und wir haben gehört, wie er weggefahren ist.«

»Was soll das eigentlich? Verdächtigst du mich, auch noch Larry umgebracht zu haben?«

»Siehst du, jetzt behauptest du schon wieder, daß Larry tot ist.«

»Eine rein logische Folgerung.«

»Bitte, sei mir nicht böse, Jack«, sagte sie ruhig. »Ich habe Angst. Was würdest du tun, wenn man dich des Mordes bezichtigte? Was würde ich tun?«

Ihr Kummer zerstreute seinen Ärger. Er stellte das Glas hin, ging zu ihr und legte ihr die Hand auf den Kopf, als sei sie ein Kind. »Du bist eine ungewöhnliche Frau, Liebling. Du bist mehr wert als alle anderen zusammen.«

»Ich liebe dich, das ist alles. Es ist vielleicht ein Fehler, aber ich liebe dich.«

Er lächelte. »Danke! Und nun laß uns nach oben gehen. Ich gebe dir was, damit du schlafen kannst.«

»Geh nur schon, Liebling. Ich hole mir erst noch einen Drink.«

»Ich hole ihn dir.«

»Nein, nein! Du brauchst Schlaf. Ich hole ihn mir selbst.«

Er ging nach oben, Vera Richmond in die Küche. Nach einer Weile kam ihr der Gedanke, daß sie gerne umziehen würde. Sie und Jack konnten sich leicht ein besseres Haus in einer vornehmeren Gegend leisten. Es war ihr sehr schwer geworden, hier zu wohnen, in Lilas unmittelbarer Nachbarschaft. Jetzt, da Lila tot war, konnte es unter Umständen besser werden, doch Vera bezweifelte es.

Stanley Walters setzte sich auf den Bettrand und beugte sich ächzend über seinen Bauch, um sich die Socken auszuziehen.

»Ich verstehe nicht, warum wir das immer wieder durchkauen müssen«, sagte er.

Maes Antwort kam aus dem Bad; ihre Stimme, leicht gepreßt, verriet ihrem Mann, daß sie sich gerade aus dem Hüftgürtel herausarbeitete.

»Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie. »Für dich war es vermutlich völlig normal, daß du dich um Mitternacht mit Nancy Howell auf der Straße herumgetrieben hast – im Schlafanzug. Ich hingegen, ich habe mehr Anstandsgefühl als du, und David Howell wird ganz meiner Meinung sein, falls er normal denkt.«

»Aber du hast doch gehört, was David gesagt hat. Er hat nichts dabei gefunden.«

»Jawohl, ich hab’s gehört. Und ich habe ebenfalls gehört, was Nancy gesagt hat.«

»Ach, Quatsch! Die hat sich doch nur lustig gemacht über dich, weil du so ein Theater gemacht hast.«

»Ach nein! Nun, vielleicht bin ich doch nicht so dumm, wie sie glaubt. Nancy Howell ist durchtrieben, und ich durchschaue sie, wenn sie auch sonst alle an der Nase herumführt. Die bringt es fertig und sagt die Wahrheit so, daß jeder glaubt, sie habe gelogen.«

»Aber Mae! Nancy hat nichts weiter getan, als mich an den Zaun zu rufen, um sich von mir eine Zigarette zu leihen. Das ist alles. Ehrenwort!«

»Wirklich?«

»Das habe ich dir doch schon tausendmal gesagt.«

»Mir kommt es ja nicht so sehr darauf an, was du mit Nancy getrieben hast, sondern auf das, was du getrieben haben könntest, als Nancy weg war.«

»Gar nichts habe ich getrieben. Verdammt noch mal, ich bin nach Hause gekommen und habe mich schlafen gelegt!«

»Das sagst du. Ich weiß nicht recht. Und ich wette, Leutnant Masters wird auch seine Zweifel haben, wenn er mal richtig nachdenkt.«

Mae erschien im Nachthemd in der Badezimmertür; Stanley sah ihrem imposanten Vormarsch mißtrauisch entgegen.

»Was soll das heißen? Was willst du damit sagen?«

»Genau das, was ich gesagt habe.«

»Warum sollte Masters an meinen Worten zweifeln?«

»Stanley Walters, wenn du noch nicht mal deine Frau überzeugen kannst, wie willst du dann einen Kriminalbeamten überzeugen? Alle hier wissen, daß Lila Connor dir bei jeder Gelegenheit Avancen gemacht hat, und daß du so gierig danach geschnappt hast wie ein Hund nach der Wurst. Nancy hat dir erzählt, daß Larry über Nacht in seinem Büro bleiben wollte, das hast du zugegeben. Ich hatte eine Schlaftablette genommen – auch das hast du gewußt. Was also sollte dich hindern, Lila einen kleinen nachbarlichen Besuch abzustatten, solange sich dazu Gelegenheit bot?«