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»Das scheint mir ziemlich nebensächlich, Gus. Vielleicht nahm er immer nur einen Schlüssel mit.«

»Na, schön. Trotzdem aber möchte ich noch einmal zum Haus hinausfahren. Wenn Sie nichts dagegen haben.«

»Seien Sie vorsichtig, Gus. Wir können uns keine nachteilig gen Auswirkungen aus dem Fall leisten.«

»Ich werde die Diskretion in Person sein.«

»Sie sagten eben, zwei Fragen. Welches ist die andere?«

»Die Klimaanlagen. Sie waren sowohl im Haus als auch im Büro abgestellt. Ich frage mich nur, warum.«

»Verdammt noch mal, ein Mann, der Selbstmord begehen will, macht sich wohl kaum Mühe, die Klimaanlage einzuschalten!«

»Aber was ist mit dem Privathaus? Es war glühheiß, gestern; die Klimaanlage hätte laufen müssen.«

»Vielleicht ist eine Sicherung durchgebrannt.«

»Nein. Ich habe nachgesehen. Dr. Richmond glaubt, daß sie vielleicht vorhatten, die Fenster aufzumachen. Nachts war es ja kühler, daher wäre das eine Möglichkeit.«

»Na also!«

»Aber sie haben’s nicht getan. Alle Fenster waren geschlossen.«

»Na, schön, Gus. Machen Sie sich ruhig Gedanken über Schlüssel und Klimaanlagen, aber vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe: Seien Sie vorsichtig!«

Masters versprach noch einmal, vorsichtig zu sein und ging hinüber in sein eigenes Büro, wo er den Bericht des Spezialisten für Fingerabdrücke vorfand. Er enthielt keinerlei Neuigkeiten. Abdrücke beider Connors waren überall im Mordzimmer gefunden worden, Abdrücke des Ehemannes außerdem überall im Büro und auf der Schachtel und der Flasche, die Masters im Waschraum gefunden hatte. Auf dem Griff der Mordwaffe hatten sich als einzige die Abdrücke von Connors rechter Hand befunden. Die Tatsache an sich war nicht bemerkenswert, seltsam war nur, daß man nur einen Satz Abdrücke gefunden hatte. Gewiß war doch Connor der einzige gewesen, der den Brieföffner benutzt hatte, und zwar recht häufig. Warum also nur ein Satz Fingerabdrücke?

Masters stellte dieses Problem zunächst einmal zurück und fuhr nach Shady Acres Addition hinaus. Das Haus der Connors wirkte an diesem gewöhnlichen Montagmorgen ganz harmlos. Er parkte in der Einfahrt und kürzte den Weg zur Haustür ab, indem er über eine Anpflanzung von Riedgras sprang. Der Schlüssel im Lederetui paßte und ließ sich mühelos im Schloß drehen.

Hinter sich machte er die Haustür zu und ging nach oben. Das Schlafzimmer war sauber aufgeräumt. Das einzige, das diese Ordnung gestört hatte – die Leiche – , war inzwischen fortgeschafft worden. Der Raum wirkte auf Masters wie ein einladendes Liebesnest – ehelich, wohlgemerkt! – und schien nur darauf zu warten, daß die Liebesspiele wieder aufgenommen wurden. Doch Mr. und Mrs. Larry Connor liebten sich nicht mehr; sie waren nicht zu Hause und würden auch nicht mehr nach Hause kommen. Der Gedanke daran betrübte Masters; er seufzte, ging wieder nach unten und verließ das Haus, diesmal durch die Hintertür. Von außen versuchte er mit dem Schlüssel zur Vordertür die Hintertür aufzusperren. Es ging nicht; der Schlüssel ließ sich noch nicht einmal ins Schloß stecken. Hatte das Etui noch einen weiteren Schlüssel enthalten? Und wenn ja, wo war er?

Masters hatte plötzlich das Gefühl, er werde beobachtet. Er warf einen kurzen Blick zur Seite und entdeckte eine appetitlich gewachsene junge Frau in weißen Shorts, die ihn von der Terrasse des Nachbarhauses aus aufmerksam beobachtete. Nancy Howell, die Frau des Lehrers. Ihre Neugier, die sie durchaus nicht zu verbergen suchte, hatte etwas Anziehendes. Ja, mehr noch, ihre ganze Erscheinung, jede Linie, jede Biegung ihres Körpers hatte etwas Anziehendes, fand Masters. Wie schön für einen Pädagogen, wenn zu Hause etwas so Leckeres auf ihn wartete.

Er steckte das Schlüsseletui in die Tasche und machte sich auf, die junge Dame zu begrüßen.

»Guten Morgen, Mrs. Howell«, sagte er.

»Guten Morgen«, sagte Nancy. »Ich habe eben überlegt, was Sie da wollten.«

»Ich wollte mich noch einmal umsehen. Manchmal entdeckt man dabei etwas, das einem vorher entgangen ist.«

»Und haben Sie etwas entdeckt?«

»Eigentlich nicht.«

»Haben Sie Larry schon gefunden?«

»Ja.«

»Das habe ich mir gedacht.« Sie zupfte grundlos an ihren Shorts herum, eine Bewegung, die nur bewirkte, daß die Aufmerksamkeit auf ihre Beine gelenkt wurde. Doch diesmal betrachtete Masters ihre Augen, die ebenso schön und überdies zutiefst beunruhigt waren. »Er war in seinem Büro, nicht wahr?«

»Ja. Die ganze Zeit.«

»Tot?«

»Ja.«

»Der arme Larry! Die arme Lila. Sie tun mir beide leid, aber das können Sie wohl nicht verstehen.«

»Ich habe gewöhnlich Mitleid mit dem Opfer, Mrs. Howell, aber ein wenig davon gehört fast immer auch dem Täter.«

»Ist das nicht eine etwas ungewöhnliche Einstellung für einen Polizisten?«

»Finden Sie? Meiner Ansicht nach verdient ein Mensch, der Leid erlebt hat, immer unser Mitleid.«

»Wie schön Sie das sagen! Fast wie ein Epigramm. Haben Sie sich das eben ausgedacht?«

»Vermutlich nicht. Normalerweise denke ich nicht in Epigrammen.«

»Würden Sie mir erzählen, wie Larry gestorben ist?«

»Aber gern. Die Öffentlichkeit wird es ja doch bald erfahren. Höchstwahrscheinlich ist er an einer tödlichen Dosis Chloralhydrat gestorben, die er mit Weinbrand geschluckt hat.«

»Chloralhydrat? Was ist das?«

»Knock-out-Pillen. Die Basis für einen Mickey Finn. In kleinen Dosen harmlos, in großen tödlich.«

»Komisch, daß er so etwas Ausgefallenes genommen hat!«

»Gar nicht komisch. Das Zeug hat seine Vorzüge. Man kann es sich leicht beschaffen, und es ist einfach zu nehmen. Keine Schmerzen, keine Übelkeit, gar nichts. Man fällt einfach in ein Koma. Lähmung der Herz- und Atemtätigkeit. Es gibt weitaus schlimmere Todesarten.«

Trotzdem schauderte Nancy. »Na ja, damit ist ja wohl alles geklärt, oder?«

»Es scheint so. Mord und Selbstmord.«

»Aber warum sind Sie dann noch einmal wiedergekommen?« Mit schiefgelegtem Kopf sah sie ihn listig an. »Ich meine, wenn alles so eindeutig ist.«

»Es sind noch ein paar Einzelheiten zu klären. Wahrscheinlieh unwichtige Dinge, aber man kann nie wissen. Außerdem möchte ich Sie um einen Gefallen bitten.«

»Ja?«

»Mr. Connors Leiche ist jetzt beim Leichenbestatter. Das Gesetz verlangt eine offizielle Identifizierung. Würden Sie das übernehmen?«

»Ach, du liebe Zeit!«

»Verzeihen Sie, ich hätte Sie nicht fragen sollen. Irgendein Nachbar tut’s auch. Ist Ihr Mann zu Hause?«

»Nein, David ist schon lange in der Schule. Und Jack ist, glaube ich, in seiner Praxis, und Stanley im Geschäft. Ich komme mit, Leutnant. Ich… Es macht mir nichts aus.«

»Danke. Ich fahre Sie hin und bringe Sie auch wieder zurück.«

»Ich will mir eben ein Kleid überziehen. Wenn Sie so lange warten wollen… Kommen Sie doch herein.«

»Danke, ich warte hier draußen. Lassen Sie sich nur Zeit.«

Als Nancy wiederkam, trug sie ein schlichtes, blaues Kleid, das Masters’ Bewunderung erregte. Er fragte sich, wie sie in so kurzer Zeit und mit so wenigen Hilfsmitteln so viel Schick produzieren konnte. Er nahm an, daß das zum Großteil an den Vorzügen lag, mit denen die Natur sie ausgestattet hatte. Auf dem ganzen Weg in die Stadt spürte er die Nähe der kleinen Frau neben ihm im Polizeiwagen fast körperlich, und mit Anstrengung hielt er die Augen auf die Straße gerichtet, wie es die Disziplin verlangte. Welches Parfüm sie wohl benutzte? Der Duft war schwach, kaum ein Hauch. Als sie vor dem Haus des Leichenbestatters parkten, hatte er es noch immer nicht identifiziert.

Den Geruch innen im Haus hingegen kannte er. Das war eindeutig der Geruch einbalsamierter Leichen, und er schien aus jeder Pore des Betons, des Holzes und der alten Ziegel zu strömen. Vielleicht aber war es auch ein Amalgam aller Gerüche, die sich dort sammeln, wo Tote für die Ewigkeit vorbereitet werden. Ein Mann in einer Art Schürze ließ sie herein und wies sie zu einem kleinen Raum, in dem Larry Connor nach der Autopsie still und geduldig auf die Einbalsamierung wartete. Masters hielt in diesem Fall nicht viel von einer Autopsie. Das Chloralhydrat, sowieso schwer festzustellen, hatte sich gewiß schon verflüchtigt…