Выбрать главу

»Ach ja. Die Wehen waren langsamer als wir annahmen, als wir Doktor Richmond anriefen. Er mußte etwa zwei Stunden im Krankenhaus warten.«

»Den Eintragungen zufolge war er genau zwei Stunden und zehn Minuten dort.«

»So genau gebe ich nicht acht.«

»Darüber wollte ich mich mit Ihnen unterhalten. Sind Sie sicher, daß Dr. Richmond die ganze Zeit im Krankenhaus war?«

»Gewiß.«

»Hatten Sie ihn ständig unter Beobachtung?«

»Natürlich nicht. Ich bin viel zu beschäftigt, um jemanden ständig zu beobachten.«

»Aber Sie sagten doch, Sie seien sicher, daß er die ganze Zeit dort war.«

»Ich sagte, ich sei sicher, aber ich habe nicht gesagt, daß ich es beweisen kann. Als Dr. Richmond sah, daß er warten mußte, fragte er mich, ob wir ein Bett frei hätten, damit er sich hinlegen könne. Am Ende des Ganges war ein freies Privatzimmer, und ich sah ihn hineingehen. Als ich ihn eine Stunde später holen ging, war er ebenfalls da. Ich habe keinen Grund zu der Annahme, daß er das Zimmer zwischendurch verlassen hat.«

»Er ging also direkt in das Zimmer, nachdem Sie ihm gesagt hatten, es sei frei?«

»Zuerst rief er noch seine Frau an und teilte ihr mit, daß er noch aufgehalten werde. Dann ging er in das Zimmer.«

»Sie sagen, dieses Privatzimmer liegt am Ende des Ganges. Gibt es dort eine Treppe?«

»Jawohl.«

»Führt die Treppe zu einem Ausgang?«

»Ja. Die Tür ist bei Nacht verschlossen, doch von innen ist sie zu öffnen.«

»Kann man das Schloß so einstellen, daß man die Tür von außen öffnen kann?«

»Nicht ohne Schlüssel.«

Aber, dachte Masters, man kann sie angelehnt lassen. Ein Stock, ein gefalteter Papierbogen, irgend etwas zwischen Tür und Schwelle geklemmt, würde genügen.

»Dr. Richmond ist also zwischen dem Zeitpunkt, als er das Zimmer betrat und dem, als Sie ihn zu seiner Patientin holten, nicht gesehen worden?«

»Ich habe ihn nicht gesehen, nein.«

»Hat ihn sonst jemand gesehen?«

»Ich habe keine Ahnung. Hören Sie mal«, fuhr Schwester Morrow ihn an, »warum stellen Sie mir all diese Fragen über Dr. Richmond? Ich pflege mich nicht über unsere Ärzte auszulassen.«

»Aber natürlich nicht«, beruhigte Masters sie. »Wir haben es hier jedoch mit einem Kriminalfall zu tun, Miss Morrow.«

»Mit was für einem Kriminalfall? Ich habe das Recht zu erfahren, warum ich ausgefragt werde!«

»Das werden Sie alles in der Abendzeitung lesen können. Es hat zwei Todesfälle gegeben, und wenigstens einer davon ist Mord. Meine Aufgabe ist es, über die Menschen, die die Verstorbenen gekannt haben, Erkundigungen einzuziehen. Dr. Richmond war mit ihnen befreundet. Mit beruflichen Dingen hat dies nichts zu tun.« Masters lächelte. »Nun, Miss Morrow?«

Langsam sagte die Schwester: »Ich verstehe.«

»Dürfte ich Sie dann bitten, beim Personal der Nachtwache herumzufragen, ob jemand Dr. Richmond zwischen dem Betreten des Zimmers und dem Zeitpunkt, da Sie ihn gerufen haben, das Zimmer hat verlassen sehen?«

Sie blieb stumm. Dann sagte sie: »Also gut, Leutnant Masters.« Sie erhob sich. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen…«

»Vielen Dank. Benachrichtigen Sie mich, wenn Sie etwas hören.«

Masters ging rasch. Ein zäher Brocken, dachte er. Von Natur verschlossen, was die Angelegenheiten der Ärzte betraf, mit denen sie arbeitete, doch zweifellos gewissenhaft und mit einem strengen Moralkodex, der, falls nötig, auch an berufliche Tabus rühren würde. Er zweifelte nicht daran, daß sie ihn benachrichtigen würde, falls sie etwas hörte.

Er fuhr hinüber ins Präsidium und setzte sich an seinen Schreibtisch. Der Bericht des Coroners, weitergeleitet vom Polizeiarzt, der die Autopsie vorgenommen hatte, legte den Zeitpunkt von Lila Connors Tod zwischen Mitternacht und Sonntag drei Uhr morgens fest. Larry Connors Tod, nahm man an, war beträchtlich später eingetreten, Sonntag früh, zwischen fünf und acht Uhr. Beim Lesen des Berichtes entstand unbedingt der Eindruck, als habe man es mit einem Gattenmörder zu tun, der sich nicht recht entschließen konnte, Selbstmord zu begehen. Hatte er tatsächlich noch so lange, nachdem er Lila erstochen hatte, allein in seinem Büro gehockt und versucht, den Mut zum Selbstmord zu finden? Reumütig vor den Trümmern seines Lebens stehend? Möglich. Ein Mensch, der sich umbringen will, hat’s vermutlich nicht so eilig damit.

Masters überlegte, ob das nicht hieß, einem Toten Übles nachreden. Doch schließlich hatte von Anfang an ziemlich festgestanden, daß Larry Connor zuerst seine Frau und dann sich selbst getötet hatte. Alle Indizien wiesen darauf hin, und die Autopsien unterstützten diese Theorie. Und was hatte andererseits er, Masters, dagegenzusetzen? Eine äußerst wackelige Theorie, von keinem Beweis erhärtet. Zwei abgeschaltete Klimaanlagen. Einen verschwundenen Hintertürschlüssel – der ebensogut verlegt oder verlorengegangen sein konnte. Es war nichts als ein verrückter Seitensprung seiner Gedanken, der ihn veranlaßt hatte, darüber nachzudenken, ob nicht zuerst Larry Connor in seinem Büro von einem Unbekannten umgebracht worden war, der sich dann anschließend mit Larrys Schlüssel ins Connorsche Haus geschlichen und Lila Connor umgebracht hatte.

Masters saß hinter seinem Schreibtisch und lutschte am Daumen. Seine Augen starrten blicklos ins Leere.

Wenn jemand tatsächlich die Gegebenheiten derart manipuliert hatte, daß die medizinischen Sachverständigen zu dem Urteil kommen mußten, Larry Connor sei wesentlich später als Lila Connor gestorben, während er nach Masters’ Theorie in Wirklichkeit eher gestorben war, so hatte dieser Jemand zweierlei tun müssen: Er hatte den organischen Zerfall von Lilas Leiche beschleunigen und den von Larrys verzögern müssen. Die Auflösung des Körpers der Frau beschleunigen, hieß die Klimaanlage im Connorschen Hause abschalten, die Auflösung des Körpers des Mannes verzögern hieß in seinem Büro die Klimaanlage einschalten. Doch um die Täuschung vollkommen zu machen, mußte der Mörder noch zwei weitere Dinge tun: Er mußte zum Connorschen Haus zurückkehren und die Klimaanlage wieder einschalten, damit, wenn Lilas Leiche gefunden wurde, es aussah, als sei die Klimaanläge vom Zeitpunkt des Todes an ununterbrochen eingeschaltet gewesen, und dann zu Larry Connors Büro zurückkehren und dort die Klimaanlage wieder abschalten, damit, wenn Connor gefunden wurde, es so aussah, als sei die Klimaanlage vom Zeitpunkt des Todes an ununterbrochen abgeschaltet gewesen.

Von diesen – falschen – Voraussetzungen ausgehend, mußten die Schlüsse der medizinischen Sachverständigen falsch ausfallen. Die weitaus fortgeschrittenere Auflösung von Lilas Leiche mußte den Eindruck hervorrufen, daß sie viel länger tot war, als es tatsächlich der Fall war; die weniger fortgeschrittene Auflösung von Larrys Leiche mußte den Eindruck hervorrufen, daß Larry viel kürzer tot war, als tatsächlich der Fall.

Das heißt, dachte Masters nüchtern, falls das nicht Wunschdenken meinerseits ist.

Doch selbst als Wunschtraum, fand er, wies diese Theorie ein beträchtliches Loch auf. Denn Tatsache war, der Mörder war nicht zum Connorschen Haus zurückgekehrt, um dort die Klimaanlage wieder einzuschalten, obgleich er – angenommen, die Theorie hielt überhaupt stand – zu Connors Büro tat« sächlich zurückgekehrt war und dort die Klimaanlage wieder abgeschaltet hatte.

Machte der Umstand, daß der Mörder nicht zum Connor« sehen Haus zurückgekehrt war, die Theorie hinfällig? Nicht unbedingt. Denn selbst wenn man wußte, daß die Klimaanlage vom Zeitpunkt von Lilas Tod an abgeschaltet gewesen war, mußte die medizinische Untersuchung trotzdem ergeben, daß ihr Tod zuerst eingetreten war; mit anderen Worten, es stellte sich heraus, daß allein das Manipulieren der Klimaanläge im Büro und dessen Auswirkung auf den Zerfall von Larrys Leiche schon genügte, um die Täuschung vollkommen zu machen. Es war durchaus möglich, fand Masters, daß der Mörder keine Gelegenheit mehr gehabt hatte, zum Connor« sehen Haus zurückzukehren und dort die Klimaanlage einzuschalten. Die Häuser standen ziemlich dicht beieinander, die unmittelbaren Nachbarn waren alle befreundet; eine Rückkehr in das Haus, ohne gesehen zu werden, war so gut wie ausgeschlossen. Mit dem Büro hingegen war es anders; das lag in einer reinen Geschäftsgegend, es war Sonntag, und alle Büros und Geschäfte waren geschlossen. Außerdem konnte das Büro durch eine völlig den Blicken entzogene Hintertür betreten werden.