Выбрать главу

Larry Connors Büro lag im Erdgeschoß eines kleinen Bürohauses an der Hauptstraße. Da es Sonntag war, fand sie direkt davor einen Parkplatz. Auf dem Milchglasfenster von Larrys Büro stand in dicken Goldbuchstaben sein Name. Die schweren Leinenvorhänge waren zugezogen.

Nancy klopfte dreimal an die Haustür. Die Vorhänge bewegten sich nicht; die Jalousie der Haustür blieb geschlossen. Na ja, was habe ich eigentlich erwartet? dachte Nancy. Doch auf den Verdacht hin, daß Larry den festen Schlaf der zutiefst Verzweifelten schlief, fuhr sie ums Haus herum in die schmale Straße, die hinter dem Büroblock herlief und bog in der Mitte des Blödes auf den kleinen Privatparkplatz ein. Überrascht sah sie Larrys Buick auf seinem Platz stehen.

Sie stieg aus dem Chevvie, überquerte die Straße und klopfte an Larrys Hintertür. Wieder keine Antwort, und als sie die Tür zu öffnen versuchte, fand sie sie verschlossen. Also schlief er doch nicht. Da sein Buick auf dem Parkplatz stand, trieb er sich sicher irgendwo in der Nähe herum, zu deprimiert oder zu dickköpfig, um nach Hause zu gehen.

Und was habe ich hier zu suchen? fragte sich Nancy, Doch irgendwie – warum, konnte sie sich nicht erklären – fühlte sie sich verpflichtet, der Sache weiter nachzugehen.

Ihr erster Gedanke war, daß Larry in der Bar des gegenüberliegenden Hotels hockte, um seinen Kummer hinunterzuspülen, doch dann fiel ihr ein, daß die Bar sonntags geschlossen war. Aber vielleicht versuchte er in der Hotelhalle die Zeit totzuschlagen und las die Sonntagszeitung oder sah sich ein Fernsehprogramm an. Sie beschloß, dort nachzusehen, aber zunächst wollte sie ihr Glück in Applebaums Tabakladen versuchen, einem bevorzugten Treffpunkt aller vorübergehend Heimatloser.

Larry war weder hier noch dort. Nancy fragte sogar den Hotelportier, in dem Gedanken, Larry habe sich vielleicht ein Hotelzimmer genommen, statt im Büro zu übernachten. Ergebnislos.

Nun, ich habe meine Pflicht getan, sagte sich Nancy. Vermutlich hockte er in einer der Bars, die das Ladenschlußgesetz für Sonntage übertraten; in diesem Fall konnte er den Weg nach Hause recht gut allein finden, und sei es auf allen vieren. Sie hatte getan, was sie konnte, und es gab auch Grenzen für nachbarliche Hilfsbereitschaft; die Suche in illegalen Kneipen lag unbestreitbar außerhalb dieser Verpflichtung.

Und so fuhr Nancy heim, brachte den Chevvie wieder in die Garage und schloß die Haustür auf. Als sie nach dem Braten im Backofen sah, fand sie einen Dosenöffner auf dem Tisch neben dem Spülstein und schloß mit haarscharfer Logik, daß David wieder zu Hause sein und sich hier an weiteren kühlen Bieren laben mußte. Dieser Mistkerl! Nancy marschierte mit grimmiger Miene aus der Küchentür in den Garten und – natürlich! – da saß er. Und nicht allein er, sondern auch Jack Richmond; machte der denn niemals Krankenbesuche? Und beide tranken kaltes Bier und hatten ganz offensichtlich im Klub bereits ebenfalls eine größere Anzahl kühler Biere konsumiert. Nancy konnte stets genau sagen, wann David eine größere Anzahl kalter Biere konsumiert hatte, denn dann machte er immer ein höchst schuldbewußtes Gesicht, wenn er sie sah.

»Hallo, ihr beiden«, sagte Nancy ruhig.

Jack Richmond machte Miene, sich zu erheben, wie es einem Gentleman geziemt, doch das Deck schwankte wohl ein bißchen zu sehr; aufstöhnend sank er in seinen Gartenstuhl zurück. Nancy rückte sich demonstrativ einen anderen Stuhl an einen weit von ihrem Mann entfernten Fleck und nahm ebenfalls Platz.

»Möchtest du ein Bier, Liebling?« fragte David. Und da war sie wieder, die schuldbewußte Miene.

»Nein, danke«, lächelte Nancy. »Im Kühlschrank ist noch ein Rest Gin-Tonic. Ich möchte lieber davon etwas.«

»Gestatte, daß ich es dir hole«, sagte Jack galant.

Diesmal meisterte er das Deck, doch nicht ohne Mühe. Als er fort war, saßen die Howells schweigend da. Endlich erschien Dr. Richmond wieder, den Shaker in der einen, ein Glas in der anderen Faust, vorsichtig balancierend, wie auf dem Drahtseil. Vorsichtig schenkte er ein, und vorsichtig reichte er Nancy das Glas.

»Danke, Jack«, murmelte Nancy.

»Gern geschehen«, sagte der Doktor grinsend.

»Warum, zum Teufel«, grollte David plötzlich, »machst du dir am hellichten Tag ganze Shakers voll Gin-Tonic?«

»Weil«, erwiderte Nancy nach einem kräftigen Schluck, »ich nichts zu tun hatte, und niemanden, der mir dabei Gesellschaft leistete. Und Trinken ist das einzige, das man großartig allein tun kann. Ich weiß, mein Schatz, so werden Ehefrauen zu Alkoholikerinnen. Aus Langeweile.«

»Oho!« sagte Dr. Richmond.

»Verdammt!« sagte David Howell.

»Und wie war’s beim Golf?« gurrte Nancy.

»Wunderbar!« sagte ihr Ehemann. »Achtzehn Löcher haben wir gespielt, und ich hab’ zweiundneunzig gemacht.«

»Ist das gut, Liebling?«

»Jedenfalls nicht schlecht für einen Gelegenheitsspieler,« erwiderte er kurz.

»Aber nein, es ist ausgezeichnet«, fiel Jack Richmond ein.

»Es muß doch anstrengend sein, an einem so heißen Tag achtzehn Löcher zu spielen«, sagte Nancy. »Ich nehme an, es ist einfach unerläßlich, hinterher an der Klubbar eine Menge Bier zu trinken, nicht wahr?«

»Das ist überhaupt das Unerläßlichste vom Ganzen«, sagte Jack enthusiastisch. »Ja, manchmal kann man das Golf sogar ganz und gar beiseite lassen.«

»Ich möchte nur wissen«, sagte David, »warum du dir soviel machen mußtest. Wolltest du eine Orgie veranstalten, oder was?«

»Soviel? Wovon?« fragte Nancy unschuldig.

»Das weißt du ganz genau! Gin-Tonic!«

»Ach so! Aber das wird doch nicht schlecht, Liebling. Im Kühlschrank hält sich das prima.«

»In der Flasche noch besser!«

»Aber ich wollte es doch mit Lila trinken.«

»Eine großzügige Geste«, sagte Jack Richmond. »Du könntest Lila keinen größeren Gefallen tun. Lila fliegt auf Gin-Tonic. Das heißt nein, eigentlich fliegt sie auf Gin. Tonic kann wegbleiben.«

»Genau wie mit euch und dem Golf«, sagte Nancy.

»Genau«, bestätigte Jack vergnügt.

»Und warum hast du’s nicht getan?« fragte David.

»Warum habe ich was nicht getan?«

»Es mit Lila getrunken.«

»Sie war nicht zu Hause, darum. Und soweit ich weiß, ist sie auch jetzt noch nicht da. Habt ihr sie nicht gesehen?«

»Nein, Gott sei Dank nicht«, sagte Jack.

»Dabei fällt mir ein«, sagte David, »daß du auch nicht zu Hause warst, als wir kamen. Wo bist du gewesen?«

»Ich bin in die Stadt gefahren, weil ich mit Larry sprechen wollte. Aber ich konnte ihn nicht finden.«

»Ist Larry denn auch weg?« fragte Jack.

»Der hat gestern abend nach der Party schon die Kurve gekratzt.«

»Nein!«

»Doch«, sagte Nancy. »Ich hab’ ihn wegfahren sehen.«

»Er hat sich mal wieder mit Lila verkracht«, sagte David.

»Gut für ihn«, sagte Jack. »Ich kann’s ihm nicht verdenken, daß er abhaut. Ich verdenke es ihm nur, daß er immer wiederkommt. Wenn ich Larry wäre, ich würde endgültig meinen Hut nehmen und gehen.«

»Ihr habt gut reden über Lila«, sagte Nancy steif. »Aber ich bin gar nicht so sicher, daß es allein ihre Schuld ist. Meiner Meinung nach ist in letzter Zeit viel zuviel an ihr herumkritisiert worden.«

Jack trank einen Schluck aus seiner Bierdose, dann schüttelte er sie mit geistesabwesendem Blick. Sorgfältig setzte er sie ins Gras.

»Lila«, sagte er, »ist ein habgieriges, rachsüchtiges, kaltherziges Biest.«

Er sagte das in freundlich-professionellem Ton, wie ein Arzt, der eine unerfreuliche Diagnose stellt. Trotzdem wirkten seine Worte wie ein Schock. Er hatte inzwischen natürlich eine ziemliche Menge Bier getrunken.